Lohnt sich ein Paukenröhrchen – oder lieber Antibiotika? |
Daniela Hüttemann |
19.05.2021 18:00 Uhr |
Mittelohrentzündungen gehören zu den häufigsten Infekten bei kleineren Kindern. Je nach Häufigkeit und Schwere kommt neben der Schmerzlinderung eine lokale oder systemische Antibiotikatherapie infrage. / Foto: Getty Images/Jelena Stanojkovic
Die Mittelohrentzündung (Otitis media) gehört zu den häufigsten Erkrankungen von Kindern. Meist wird sie von den Bakterien Streptococcus pneumoniae oder Haemophilus influenzae ausgelöst und entsprechend mit Antibiotika (und gegebenenfalls Schmerzmitteln) behandelt. Leidet ein Kind jedoch immer wieder unter den Ohrinfekten, wird häufig ein Paukenröhrchen gesetzt, um das Mittelohr mittel- bis langfristig besser zu belüften. Bei Kindern erfolgt der Eingriff, bei dem zunächst das Trommelfell durchstochen und angesammelte Flüssigkeit abgesaugt wird, bevor das Röhrchen gesetzt wird, unter Vollnarkose.
Lohnen sich die damit verbundenen Risiken, haben sich nun US-Forscher gefragt und den Krankheitsverlauf von 250 Kindern im Alter von sechs bis 35 Monaten mit wiederkehrender Otitis media verglichen. Als wiederkehrend gilt die Mittelohrentzündung, wenn sie mindestens dreimal in den vergangenen sechs Monaten auftrat oder mindestens viermal im vergangenen Jahr und davon eine Episode in den letzten sechs Monaten.
121 Kinder wurden medikamentös behandelt, 129 erhielten Paukenröhrchen. Die Forscher verglichen nun, wie häufig die Kinder innerhalb von zwei Jahren erneut akut erkrankten – und stellten keinen signifikanten Unterschied fest. Beide Gruppen erlitten im Schnitt 1,5 Episoden. Das Paukenröhrchen half dabei kaum, Antibiotika einzusparen, berichten die Autoren um Dr. Alejandro Hoberman von der University of Pittsburgh School of Medicine im »New England Journal of Medicine«. Es ergaben sich auch keine Hinweise auf eine vermehrte Resistenzbildung bei den Kindern, die mehr Antibiotika erhalten hatten.
Behandelt wurden akute Episoden in der Gruppe mit Paukenröhrchen mit Ofloxacin-Ohrentropfen zweimal täglich über zehn Tage oder wenn nach sieben Tagen noch Flüssigkeit im Ohr war mit Amoxicillin/Clavulansäure oral. In der Gruppe mit medikamentöser Behandlung erhielten die Kinder bei akuten Entzündungen direkt Amoxicillin/Clavulansäure oral oder bei Nicht-Ansprechen Ceftriaxon.
In einem begleitenden Editorial nennt Dr. Ellen R. Wald, Kinderärztin von der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health, die Ergebnisse als nützlich für eine gemeinsame informierte Entscheidung zwischen Arzt und Eltern. »Wenn ein Kind die Kriterien für eine wiederkehrende akute Mittelohrentzündung erfüllt und die Eltern fragen: Was können wir tun?, können sie darüber informiert werden, dass die medikamentöse Behandlung fortgeführt werden kann ohne größere Wahrscheinlichkeit einer Antibiotikaresistenz, als wenn wir eine chirurgische Option wählen«, schreibt die Kinderärztin.
Die Häufigkeit von Mittelohrentzündungen nehme jenseits des zweiten Lebensjahres ab. Ab diesem Alter sei eine medikamentöse Behandlung zu bevorzugen. Bei jüngeren Kindern liege die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass die Häufigkeit der Infektionen gleich hoch bleibe, während die Chance auf weniger und leichtere Episoden bei niedrigerem Antibiotikaverbrauch mit einem Paukenröhrchen steige.