Larotrectinib jetzt auch in Europa |
Eine Fusion mit einem anderen Gen kann dazu führen, dass eines der NTRK-Gene überaktiv wird. Dann kann der TRK-Hemmer Larotrectinib gegeben werden. / Foto: Fotolia/Giovanni Cancemi
NTRK steht für neurotrophe Tropomyosin Rezeptorkinase. Es gibt drei NTRK-Gene, NTRK1, NRTK2 und NTRK3, die auf den Chromosomen 1, 9 beziehungsweise 15 lokalisiert sind. NTRK1 kodiert für die Tropomyosin-Rezeptorkinase A (TRKA), NTRK2 für TRKB und NTRK3 für TRKC. »Physiologisch spielen die TRK-Proteine eine Rolle bei der Schmerz- und Thermoregulation, bei der Steuerung von Bewegung, Erinnerung, Appetit und Metabolismus sowie beim Schmerzempfinden«, sagte Privatdozent Dr. Philipp Ivanyi von der Medizinischen Hochschule Hannover bei der Launch-Pressekonferenz von Larotrectinib in Berlin.
Zu einem Onkogen kann ein NTRK-Gen werden, wenn es mit einem anderen Gen fusioniert, wenn also beide Gene zerbrechen und sich anders als zuvor neu zusammenlagern. »Durch die Genfusion ist das entsprechende NTRK-Gen dauerhaft aktiviert wie eine grüne Ampel, die nicht mehr auf rot geschaltet werden kann«, erklärte Ivanyi.
NTRK-Fusionsgene können in allen Körpergeweben vorkommen, bislang sind sie laut Ivanyi in mehr als 30 Tumorarten nachgewiesen worden. Die Häufigkeit innerhalb einer bestimmten Tumorentität ist sehr unterschiedlich: Während beim infantilen Fibrosarkom 90 bis 100 Prozent der Tumore ein NTRK-Fusionsgen aufweisen, sind es beim kolorektalen Karzinom nur 0,1 bis 2,0 Prozent. »Bei häufigen Tumorarten sind NTRK-Fusionsgene eher selten und bei seltenen häufig«, fasste Ivanyi zusammen. Insgesamt liegt wohl bei circa 1 Prozent aller soliden Tumoren eine entsprechende Mutation vor.
Larotrectinib, der erste zugelassene TRK-Hemmer, darf bei Erwachsenen und Kindern mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten soliden Tumoren eingesetzt werden, die eine NTRK-Genfusion aufweisen. An der Zulassung seien mehrere Dinge bemerkenswert, so Ivanyi: erstens dass sie gewebeunabhängig erteilt worden sei und zweitens dass der Wirkstoff bei Erwachsenen und bei Kindern gleichermaßen eingesetzt werden dürfe. Besonders an dem neuen Kinasehemmer sei zudem, dass er spezifisch nur TRKA, TRKB und TRKC hemme und keine anderen Kinasen. Eine solche Spezifität habe kein anderer Kinasehemmer auf dem Markt.
Zulassungsrelevant waren die gepoolten Daten von drei PhaseI/II-Studien mit insgesamt 122 Patienten. Unabhängig von der Art des Tumors sprachen dabei 81 Prozent der Patienten auf die Therapie mit Larotrectinib an. »Das ist phänomenal, zumal es sich in den meisten Fällen um mehrfach vorbehandelte Patienten handelte«, sagte Ivanyi. Die mediane Ansprechdauer (DoR) war nach 17,6 Monaten noch nicht erreicht. Nebenwirkungen wie Fatigue, Schwindel, Anämie, Veränderungen der Leberwerte oder Myalgie seien – wohl aufgrund der Spezifität des Wirkstoffs für die zu hemmende Kinase – vergleichsweise selten und überwiegend mild gewesen, sagte der Onkologe. Eine Dosisreduktion sei lediglich bei elf Patienten (9 Prozent) notwendig gewesen und nur ein Patient habe die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen.
Wo das entsprechende Target vorhanden ist, scheint Larotrectinib – und vermutlich auch der zweite TRK-Hemmer Entrectinib, der in den USA bereits zugelassen ist – somit sehr gut zu wirken. Doch der Nachweis der entsprechenden Mutation ist nicht trivial, wie Professor Dr. Thomas Seufferlein vom Universitätsklinikum Ulm erläuterte. Prinzipiell ließen sich NTRK-Genfusionen mit vier verschiedenen Verfahren nachweisen: mit der Reverse-Transkriptase-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR), mit der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), mit der Immunhistochemie (IHC) und mit einer Genomanalyse per Next-Generation-Sequencing (NGS).
FISH und RT-PCR hätten jedoch den Nachteil, dass sie nur bekannte Translokationspartner und Gen-Bruchpunkte erkennen. »Neue Bruchpunkte oder Fusionspartner sind mit diesen Verfahren nicht nachweisbar«, erklärte Seufferlein. Da nicht alle möglichen Bruchpunkte und Partner vorab bekannt sind, schränkt das die Aussagekraft der entsprechenden Tests ein. Dasselbe gilt für die IHC, denn sie kann in einer Probe TRK-Proteine erkennen, dabei aber nicht zwischen Wildtyp-Proteinen und solchen, die aufgrund einer Genfusion im Übermaß produziert wurden, unterscheiden.
Einzig das NGS biete einen umfassenden Überblick über die Gene eines Patienten und sei in der Lage, NTRK-Genfusionen und andere behandelbare Genomveränderungen zu identifizieren. Momentan ist das Verfahren aber noch recht teuer und wird nur an großen Zentren angeboten. Um möglichst alle Patienten mit NTRK-Genfusion, die für eine Therapie mit einem TRK-Hemmer infrage kommen, zu identifizieren, wird es also künftig auch darum gehen, die entsprechenden molekulardiagnostischen Tests flächendeckend zu etablieren.