Komplexe Therapie bessert die Prognose |
Patienten mit chronischem Koronarsyndrom erleben bei Belastung und in fortgeschrittenen Stadien auch schon in Ruhe die typischen Beschwerden Engegefühl und Schmerzen im Brustkorb sowie Atemnot. / Foto: Adobe Stock/RFBSIP
Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) sind die Koronargefäße des Herzens infolge von Atherosklerose und Plaques verengt. Daher ist die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels ungenügend und der Patient erlebt bei Belastung und später auch schon in Ruhe die typischen Beschwerden einer Angina pectoris: Engegefühl und Schmerzen im Brustkorb, die in den linken Arm, oft auch in Hals und Schulter ausstrahlen. Seine körperliche Belastbarkeit ist zunehmend reduziert, sodass bereits alltägliche Tätigkeiten wie Ankleiden oder kurze Strecken normales Gehen die Schmerzen im Brust-, Hals- und Schulterbereich auslösen. Ebenso kann eine Atemnot oder »Kurzatmigkeit« (Dyspnoe) ein Symptom für eine hochgradige Koronarstenose sein. Zudem steigt das Risiko für thromboembolische Komplikationen, die bei einer Plaqueruptur drohen.
► Die vermeintlich »stabile« KHK ist meist eine progrediente Erkrankung mit immer wiederkehrenden kardiovaskulären Komplikationen.
Die Leitlinie »Diagnose und Management des chronischen Koronarsyndroms« der European Society of Cardiology (ESC) (1) ist im August 2019 erschienen und ersetzt die Leitlinie »Management der stabilen koronaren Herzkrankheit (KHK)« aus dem Jahr 2013 (2). Die darin praxisnah beschriebenen Empfehlungen zur Lebensstiländerung haben ihren Ursprung in der Präventionsleitlinie von 2016 (3).
Da Patienten mit einem chronischen Koronarsyndrom häufig weitere chronische Erkrankungen haben, sind auch die Leitlinien zu Diabetes, Prädiabetes und kardiovaskulären Erkrankungen zu beachten (4). Dort finden sich detaillierte Handlungsempfehlungen für die Therapie der entsprechenden Erkrankungen. Ebenfalls 2019 ist die Leitlinie zu »Diagnostik und Therapie von Dyslipidämien« erschienen, die unter anderem den Fokus auf die lipidsenkende Therapie bei risikogerecht festgelegten LDL-Zielwerten setzt (5). Somit ergänzen sich diese Leitlinien. Wichtig ist, dass die genannten Leitlinien für die Behandlung der multimorbiden Patienten keine entgegengesetzten Empfehlungen, zum Beispiel für die Pharmakotherapie, geben.
Um eine chronische Herzerkrankung zu erkennen, reichen oft eine sorgfältige Anamnese und Basisdiagnostik aus. / Foto: Getty Images/bymuratdeniz
Schon die Änderung des Titels der ESC-Leitlinie von chronische koronare Herzerkrankung hin zu »chronisches Koronarsyndrom« (CCS) ist bezeichnend und spiegelt das bessere Verständnis des progredienten Verlaufs der KHK wider. Der Begriff CCS beschreibt treffend die Dynamik dieser Erkrankung. Diese äußert sich durch stabile und instabile Phasen, die durch die atherosklerotischen Veränderungen der Plaques bis hin zur Plaqueruptur entstehen. Auch der Begriff »stabile Angina pectoris« wurde von der ESC kritisch hinterfragt: Es ist eher ein Symptom oder besser temporärer Zustand der KHK als eine eigenständige Diagnose.
In Abgrenzung zum CCS umfasst das akute Koronarsyndrom (ACS) Phasen der Herzerkrankung, die unmittelbar lebensbedrohlich sind, zum Beispiel den akuten Herzinfarkt. Das ACS muss naturgemäß anders behandelt werden, was in einer separaten Leitlinie beschrieben ist (6).
Die fortschreitende Ablagerung atherosklerotischer Plaques, die die Koronarzirkulation funktionell verändert und zunehmend einschränkt, treibt den Verlauf einer KHK an. Doch mit einer möglichst frühzeitigen Diagnose, Kontrolle der Risikofaktoren und Therapie ist eine Stabilisierung oder sogar ein Rückgang erreichbar.
Das CCS hat gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie »Chronische KHK« von 2019 (7) eine Lebenszeitprävalenz von 9,3 Prozent bei den 40- bis 79-Jährigen und zählt damit zu den Volkskrankheiten. Die Lebenszeitprävalenz gibt die Wahrscheinlichkeit an, einmal im Leben die jeweilige Krankheit zu erleiden.
Erfreulicherweise ist die Zahl der Todesfälle durch die chronische Herzkrankheit (ohne Zählung der Herzinfarkte) von etwa 93.000 im Jahr 2003 auf etwa 73.000 Fälle im Jahr 2013 gesunken (51 Prozent Frauen, 49 Prozent Männer).
Je besser die ursächlichen Faktoren verstanden werden und je präziser die Diagnostik ist, desto eher kann ein Rückgang der Prävalenz erreicht werden. Daher wird in der aktualisierten Leitlinie zum CCS ein Schwerpunkt auf die diagnostischen Verfahren und die sogenannte Vortestwahrscheinlichkeit gelegt, die um die klinische Wahrscheinlichkeit ergänzt wurde.
Das CCS kann sich sehr heterogen darstellen, was die Diagnostik erschwert. Die sogenannte Vortestwahrscheinlichkeit (VTW) einer KHK unterstützt die Diagnose. Die Wahrscheinlichkeit einer KHK wird anhand von Alter, Geschlecht und Art der Symptome abgeschätzt. Aus der VTW, der Basisdiagnostik sowie einer sorgfältigen Anamnese und Bewertung der patientenindividuellen Risikofaktoren kann der Arzt dann die »klinische Wahrscheinlichkeit einer KHK« ermitteln (Kasten). Damit wird unnötige Diagnostik vermieden, was die Kosten senkt, aber auch die Risiken einer invasiven Diagnostik.
Eine 50- bis 59-jährige Frau hat die typischen Symptome einer Angina pectoris, aber die klinische Untersuchung und Basisdiagnostik beim Arzt lassen keinen Rückschluss auf ein akutes Koronarsyndrom zu. Gemäß Leitlinie hat diese Patientin eine Vortestwahrscheinlichkeit von 13 Prozent, was als niedriges Risiko (5 bis 15 Prozent VTW) klassifiziert wird. Der Arzt hat keine weiteren CCS-verstärkenden Risiken wie Diabetes oder Rauchen bei der Anamnese gefunden. Das bedeutet konkret, dass die Patientin auch nur eine sehr geringe klinische Wahrscheinlichkeit einer KHK hat. Damit ist keine sofortige weitergehende Diagnostik nötig; die Patientin wird »nur« weiter beobachtet und optimal medikamentös (symptomorientiert) therapiert.
Angenommen, die Patientin wäre 80 Jahre alt und hätte einen Diabetes Typ 2 mit einer Dyslipidämie, so läge die VTW bei 27 Prozent. Mit dem Diabetes Typ 2 und der Dyslipidämie liegen zwei Risikofaktoren vor, die die klinische Wahrscheinlichkeit für eine KHK deutlich erhöhen. In diesem Fall sollten weitere diagnostische Tests, zum Beispiel ein Koronar-Computertomogramm, erfolgen und sofort eine geeignete Therapie auf Grundlage der Symptomatik angesetzt werden.
Für die Apotheke ist hilfreich zu wissen, nach welcher Rationale der Arzt eine intensive, zum Teil auch invasive Diagnostik beginnt und in welchen Fällen nicht.
Die Zahlenwerte der Vortestwahrscheinlichkeit bei Frauen wurden in der neuen Leitlinie nach unten angepasst. Das klinische Symptom Dyspnoe (Luftnot) wurde neu in die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung aufgenommen und als Symptom einer hochgradigen Koronarstenose gewichtet.
In der Leitlinie sind die einzelnen diagnostischen Schritte sehr detailliert beschrieben. Jede Kombination mit anderen Grunderkrankungen erfordert eine individuelle Auswahl der nicht invasiven und invasiven Diagnoseverfahren.
In der neuen Leitlinie zum CCS werden verschiedene Krankheitsszenarien definiert, die zeigen, wie unterschiedlich ausgeprägt ein CCS sein kann. Daran wurden die Empfehlungen für die Diagnostik, Medikation und Device-Therapie (perkutane Koronarintervention: Stent, Bypass-Operation) angepasst. Folgende Konstellationen sind detailliert beschrieben:
Die pharmakologische Therapie setzt sich aus den mehreren Komponenten zusammen:
Das erste Ziel der Therapie ist eine Verringerung der Symptome der Angina pectoris. Weiterhin soll eine Ischämie, die durch körperliche Aktivität ausgelöst wird, möglichst vermieden werden. Dies dient dem übergeordneten Ziel, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und kardiovaskulären Ereignissen vorzubeugen.
► Die optimale Behandlung sieht so aus: Bei höchster Adhärenz des Patienten und geringsten unerwünschten Wirkungen werden die genannten Ziele zufriedenstellend erreicht. Diese »Definition« verdeutlicht, dass die Leitlinienautoren den Fokus auf die patientenindividuelle Therapie legen, die sich an dem gesamten Krankheitsbild und den Wünschen des Patienten orientiert.
Die Standardtherapie zur Symptomkontrolle besteht aus einem oder mehreren antiischämischen (antianginösen) Medikamenten (Grafik).
Grafik: Schrittweise Strategie für die langfristige antiischämische medikamentöse Therapie bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom; nach (1). BB: Betablocker, CCB: Calciumkanalblocker/Calciumantagonist (verschiedene Klassen), DHP-CCB: Dihydropyridin-Calciumantagonist, LAN: langwirksames Nitrat (long-acting nitrate) / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Bei der Kombination geht der Arzt schrittweise vor und setzt zunächst einen Betablocker oder Calciumantagonisten an. Bereits zwei bis vier Wochen nach Therapiebeginn überprüft er die Wirksamkeit. Auch jede Anpassung wird engmaschig überprüft und bewertet. So werden eventuelle Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und Nebenwirkungen schnell erkannt. Laut Leitlinie (1) kann auch in der Erstlinientherapie bereits eine Kombination von Betablocker plus Dihydropyridin-Calciumantagonist erwogen werden. Als Ziel sollen die Herzfrequenz gesenkt und die Symptome der Angina pectoris und/oder der Dyspnoe vermindert werden.
Wenn notwendig, wird im zweiten Schritt ein Betablocker mit einem Dihydropyridin-Calciumantagonisten kombiniert. Die hauptsächlich verwendeten Dihydropyridine sind Amlodipin, Felodipin, Lercanidipin, Nitrendipin und Nifedipin, wobei Nifedipin aufgrund ungünstiger pharmakokinetischer Eigenschaften kaum noch eingesetzt wird. Dihydropyridine wirken blutdrucksenkend über die direkte Erschlaffung der Gefäßmuskulatur der Arteriolen (Nachlast-Senkung) und haben wenig Wirkung auf die Erregungsleitung am Herzen.
Die regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Herzfrequenz gehört zur Therapie des CCS dazu. / Foto: Adobe Stock/auremar
Im dritten Schritt kommen langwirksame Nitrate als Medikamente der zweiten Wahl hinzu. Zu beachten ist bei der Langzeitanwendung, dass immer wieder eine »Nitratpause« eingelegt werden sollte, um der Nitrattoleranz vorzubeugen.
In der Grafik werden neben der Standardtherapie auch die antiischämischen Therapien bei Patienten mit hoher oder niedriger Herzfrequenz, mit linksventrikulärer Dysfunktion oder Herzinsuffizienz sowie bei niedrigem Blutdruck beschrieben.
So kommen bei einem CCS und hoher Herzfrequenz primär die Nicht-Dihydropyridin-Calciumantagonisten Verapamil oder Diltiazem zum Einsatz. Im zweiten Schritt können Betablocker plus Calciumantagonisten gegeben werden; die Medikation sollte niedrig dosiert starten und die Verträglichkeit, vor allem Herzfrequenz und Blutdruck, engmaschig überwacht werden. Wenn auch diese Kombination keine ausreichende Symptomkontrolle bewirkt, wird der If-Inhibitor Ivabradin eingesetzt (keinesfalls mit Nicht-Dihydropyridin-Calciumantagonisten kombinieren). Ivabradin hemmt selektiv und spezifisch den Ionenstrom im »Funny Channel« im Sinusknoten des Herzens. Das reduziert die Herzfrequenz um fünf bis zehn Schläge pro Minute unter Belastung und senkt somit den myokardialen Sauerstoffverbrauch.
Zur direkten Symptomlinderung der belastungsinduzierten Angina pectoris werden nach wie vor kurzwirksame Nitrate (bevorzugt als Lingual-Spray) empfohlen.
Die engmaschige individuelle Begleitung des Patienten ist essenziell, um die gesteckten Therapieziele bestmöglich zu erreichen. Dazu gehört auch, den Patienten über die Erkrankung, die Risikofaktoren und Behandlungsstrategien zu informieren. Denn neben der medikamentösen Therapie trägt die Lebensstiländerung entscheidend dazu bei, Risikofaktoren zu verringern und den natürlichen progredienten Verlauf zu bremsen.
Zur Primärprävention bei Patienten ohne (vorherigen) Myokardinfarkt kann eine Prävention mit 75 bis 100 mg Acetylsalicylsäure (ASS) erwogen werden (Empfehlungsgrad IIb); der Nutzen ist aber nicht eindeutig belegt.
Grundsätzlich unterscheiden die Leitlinienautoren eine antithrombotische Therapie zur Sekundärprävention bei herzkranken Patienten ohne Stent von derjenigen nach Stent-Implantation und bei Vorhofflimmern (VHF).
Als Standardtherapie bei Patienten mit CCS und Sinusrhythmus nach Myokardinfarkt oder einer Revaskularisierung (also zur Sekundärprävention) werden 75 bis 100 mg Acetylsalicylsäure einmal täglich als Dauertherapie empfohlen. Eine Alternative bei einer ASS-Unverträglichkeit ist Clopidogrel 75 mg einmal täglich. Clopidogrel ist auch bei asymptomatischen Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit, ischämischem Schlaganfall oder nach einer ischämischen Attacke eine Option.
Eine Langzeitprävention mit einer weiteren antithrombotischen Substanz (duale Therapie) zusätzlich zu ASS ist dann sinnvoll, wenn das Risiko für ischämische Ereignisse hoch ist, der Patient aber kein hohes Blutungsrisiko hat. Infrage kommen die P2Y12-Antagonisten Clopidogrel, Prasugrel (einmal täglich 5 bis 10 mg; Vorsicht bei Patienten über 75 Jahre) und Ticagrelor (zweimal täglich 60 mg) sowie NOAK (Nicht-Vitamin-K orale Antikoagulanzien), zum Beispiel Rivaroxaban.
Auch für Patienten nach einer Stent-Implantation hat die einmal tägliche Gabe von 75 bis 100 mg Acetylsalicylsäure eine hohe Evidenz und somit einen eindeutigen Empfehlungsgrad. Nach der Stent-Implantation werden aber zusätzlich für sechs Monate 75 mg Clopidogrel einmal täglich empfohlen. Dabei ist es entgegen früherer Empfehlungen unerheblich, ob ein beschichteter oder unbeschichteter Stent implantiert wurde. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für lebensbedrohliche Blutungen wird die Einnahmedauer auf einen bis drei Monate reduziert.
Die duale Plättchenhemmung verhindert einen Verschluss des Stents; dieser Vorteil überwiegt das Risiko von schweren Blutungen. Die Bayesian Network Meta-Analysis zeigt, dass es weniger Stent-Thrombosen und Myokardinfarkte gibt, wenn die duale Plättchenhemmung zwölf bis 48 Monate durchgehalten wird (8). Sie zeigt aber auch, dass es weniger Blutungsereignisse gibt, wenn die duale Plättchenhemmung nur drei bis sechs Monate andauert. Hier muss der Arzt patientenindividuell die Risiken für eine Stent-Thrombose und einen Myokardinfarkt gegen das Blutungsereignis abwägen. Unter Umständen ist individuell eine duale Plättchenhemmung von sieben Monaten optimal.
Leiden CCS-Patienten zusätzlich an Vorhofflimmern (VHF), sollte die orale Antikoagulation bevorzugt mit einem NOAK erfolgen und nicht mehr mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Bei diesen Patienten mit zusätzlichem VHF sollten ASS und Clopidogrel schon während der Stent-Implantation (also begleitend zum Eingriff) gegeben werden. Anschließend werden als langfristige antithrombotische Therapie NOAK bevorzugt, jeweils plus Clopidogrel (Tabelle). ASS wird nicht mehr eingesetzt.
Wirkstoff | tägliche Dosierung |
---|---|
Apixaban | 2 × 5 mg |
Dabigatran | 2 × 150 mg |
Edoxaban | 1 × 60 mg |
Rivaroxaban | 1 × 20 mg |
Wird das Blutungsrisiko höher eingeschätzt als das Risiko einer Stent-Thrombose, so wird die Tagesdosis zum Beispiel bei Rivaroxaban auf einmal täglich 15 mg reduziert. Diese Dosisreduktion gilt analog auch für die anderen NOAK.
Herzkranke Menschen nehmen oft eine ganze Reihe von Medikamenten ein. Wichtig ist, dass sie Motivation und Überblick behalten. / Foto: Shutterstock/Pixel-Shot
Die COMPASS-Studie (10) zeigte die positiven Effekte der Kombination aus niedrig dosierten Antikoagulanzien (zum Beispiel Rivaroxaban 2,5 mg zweimal täglich) mit ASS. Besonders »Hochrisikopatienten« mit CCS und weiteren Risikofaktoren wie Diabetes, peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Nikotinkonsum profitierten davon. Ein leicht erhöhtes Blutungsrisiko ist dabei zu beachten.
Neu ist die Empfehlung für einen Protonenpumpenhemmer, wenn ein hohes Risiko für gastrointestinale Blutungen besteht. Die Empfehlung gilt bei Einnahme von ASS, bei dualer Plättchenhemmung und bei oraler Antikoagulation.
Die dritte Säule der Pharmakotherapie – neben der antiischämischen und der antithrombotischen Therapie – ist die Lipidsenkung. Die Zielwerte wurden gemäß der aktuellen Leitlinie zum Management der Dyslipidämien nach unten korrigiert (9). Neu ist die klare Empfehlung für den Einsatz von PCSK9-Hemmern bei Patienten, die mit der maximal tolerierten Dosierung eines Statins und Ezetimib den Zielwert nicht erreichen.
Durch die prognostische Bedeutung der LDL-Cholesterol-Senkung gilt die Maxime, bei CCS-Patienten mit hohem Risiko einen LDL-C-Wert unter 55 mg/dl (1,4 mmol/L) zu erreichen. Je niedriger das LDL-Cholesterol ist, desto geringer wird das Risiko für Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod eingeschätzt.
Die Leitlinie empfiehlt Statine für alle Patienten mit einem CCS. Wenn die Therapieziele mit der höchsten verträglichen Statindosierung nicht erreicht werden, ist eine Kombination mit Ezetimib das Mittel der ersten Wahl. Bei Patienten mit sehr hohem Risiko, die trotz Statin plus Ezetimib das Therapieziel nicht erreichen, ist ein PCSK9-Hemmer, zum Beispiel Alirocumab, Evolocumab oder das siRNA-Therapeutikum Inclisiran, in den Therapieplan mit aufzunehmen.
Alirocumab und Evolocumab sind monoklonale Antikörper, die subkutan gespritzt werden und selektiv an die Serinprotease PCSK9 (Proprotein Convertase Subtilisin Kexin Typ 9) binden. Inclisiran blockiert die Neusynthese von PCSK9. Diese Serinprotease bindet an LDL-C-Rezeptoren an der Oberfläche der Leberzellen und fördert deren Abbau in den Lysosomen der Hepatozyten. Blockiert man nun die Neusynthese von PCSK9 oder deren Funktion, steigt die Zahl der LDL-Rezeptoren an der Oberfläche der Hepatozyten an, was die LDL-C-Konzentration im Blut reduziert, da mehr LDL-C in die Leberzellen aufgenommen und abgebaut wird.
Nicht erwähnt wird Bempedoinsäure in der Leitlinie. Der Arzneistoff bremst die intrazelluläre Synthese von Cholesterol in der Leber und könnte anstelle eines Statins eingesetzt werden. Seit 2020 ist auch eine Kombination mit Ezetimib (Nustendi®) zugelassen.
► Die sogenannte optimale medikamentöse Therapiestrategie dient dem Ziel, kardiovaskulären Ereignissen vorzubeugen. Die optimale Therapie besteht aus einer individuell angepassten antithrombotischen Medikation und einer intensiv LDL-senkenden Medikation. Zusätzlich wird diese Strategie ergänzt durch die Gabe von ACE-Hemmern bei bestehender Herzinsuffizienz, Hypertonie und/oder Diabetes. Die antiischämische Therapie dient dagegen in erster Linie der Entlastung des Herzens und der Reduktion der Angina-pectoris-Symptomatik.
Neben der regelmäßigen Einnahme der recht komplexen Medikation können Patienten ihr persönliches kardiovaskuläres Risiko durch Änderungen im Lebensstil senken. Vom Arzt haben sie gehört, dass sie unbedingt mit dem Rauchen aufhören, Gewicht reduzieren, sich mehr bewegen und gesund ernähren sollen, um das kardiovaskuläre Risiko zu senken. Genau diese Faktoren verringern das kardiovaskuläre Risiko bereits nach sechs Monaten.
So sportlich ist nicht jeder. Für die Herzgesundheit zählt allerdings jede Bewegung – und auch die Freude daran. / Foto: Shutterstock/wavebreakmedia
Hier ist die Beratung durch die Apotheke enorm wichtig. Kaum ein Mensch schafft es von heute auf morgen, sämtliche liebe (ungesunde) Gewohnheiten über Bord zu werfen und einem aktiven gesunden Lebensstil zu folgen. Daher benötigen Patienten im Beratungsgespräch regelmäßig die positive Bestätigung, dass auch einzelne Maßnahmen Schritt für Schritt das kardiovaskuläre Risiko verringern, die Lebensqualität verbessern und die Mortalität senken. Es lohnt sich also, den Lebensstil zu »optimieren«.
Multidisziplinäre Teams können kognitive verhaltenspsychologische Maßnahmen anregen; diese helfen, dauerhaft zu Änderungen im Lebensstil zu motivieren. Keinesfalls darf eine Depression bei Patienten mit CCS übersehen werden, denn einem depressiven Patienten fällt es noch viel schwerer, sich regelmäßig zu mehr Aktivität aufzuraffen. Die Depression ist eine eigene Erkrankung, die zwingend einer leitliniengerechten Therapie bedarf.
Impfungen: Last, but not least wird auch die jährliche Influenza-Schutzimpfung unbedingt empfohlen. Diese kann auch zusammen mit einer Booster-Impfung gegen das Coronavirus gegeben werden.
Die aktuelle Leitlinie zum chronischen Koronarsyndrom (CCS) wartet mit einigen Änderungen auf, damit diese heterogene Erkrankung patientenindividuell bestmöglich diagnostiziert und therapiert werden kann.
Mit diesen Maßnahmen wird eine bessere Kontrolle der Symptome und eine Verlangsamung des natürlichen progredienten Verlaufs erreicht.
Ilsabe Behrens erhielt 1990 die Approbation als Apothekerin und wurde 1996 promoviert. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ihrer mehr als 20 Jahre langen Offizintätigkeit war die Betreuung von Menschen mit Diabetes. Parallel widmete sich Dr. Behrens den Themen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, zunächst in einer großen Apotheke in Hamburg, dann in pharmazeutischen Unternehmen. Derzeit übt sie in einem Pharmaunternehmen die Tätigkeit als Qualified Person gemäß § 14 AMG aus und leitet die operative Qualitätssicherung.