Kippels: »Nicht jeder, der brüllt, hat Recht« |
Genau dieser Zusammenhalt sei entscheidend für die politische Arbeit, betonte Overwiening noch einmal deutlich. »Unser Anspruch an Geschlossenheit ist immens wichtig.« Denn nur auf diese Weise entstehe Identifikation, durch die der Berufsstand »eine ganz andere Wucht« im Berliner Politikbetrieb habe und so deutlich mehr bewegen könne.
Ralf Denda, der persönliche Referent des ABDA-Hauptgeschäftsführers, nahm die Teilnehmer im Anschluss mit auf eine Reise durch die Geschichte der Lobbyarbeit und die einzelnen Schritte von einer ersten Idee bis hin zum fertigen Gesetz. Dabei zeigte er auf, zu welchem Zeitpunkt ein Interessensverband seine Argrumente am besten wie und bei wem positioniert und was es dabei zu beachten gibt. Ein Strategiespiel, wenn man bedenkt, dass es hierzulande rund 30.000 Lobbisten gibt und etwa 30 Prozent von ihnen in der Gesundheitspolitik unterwegs sind. Denda rechnete vor: »Das macht in etwa 40 Lobbisten pro Abgeordneten.« Konkurrenz ist also die eine Schwierigkeit, die andere: »Politiker können sensibel sein«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Vor allem aber stellte Denda klar, dass die Erfolge für eine Berufsgruppe maßgeblich von dem Vertrauensverhältnis zu dem jeweiligen Abgeordneten abhängen. Daher seien regelmäßige persönliche Treffen auch unerlässlich. Die Krux bei der Sache: Diese Gespräche unterliegen in der Regel der Geheimhaltung, sodass die Standesvertretung oft nicht kommunizieren darf, wenn sie einen Politiker überzeugt oder umgestimmt hat.
All diese Hintergründe scheinen an der Basis jedoch nicht richtig anzukommen. Wie einige Teilnehmer in der anschließenden Diskussion berichteten, ist die Stimmung in der Apothekerschaft derzeit »explosiv«. Hätte die ABDA ihre Handlungsschritte etwa beim GKV-Finanzstabilisierungsgesetz so klar erläutert wie an diesem Tage, wäre vieles in dem Prozess nachvollziehbarer gewesen und es wäre vielleicht weniger »Frust an der Basis« entstanden. Angesprochen wurde aber auch, dass oft diejenigen Kolleginnen und Kollegen am meisten schimpfen, die nicht berufspolitisch aktiv sind oder berufspolitische Veranstaltungen besuchen.
Dabei fängt Bundespolitik auf der regionalen Ebene an, wie der Abgeordnete Georg Kippels berichtete. Er selbst spreche am liebsten »mit den unmittelbar Beteiligten«, also mit den Apothekerinnen und Apothekern vor Ort. Manchmal seien die Wege zwar sehr verschlungen bis ein Thema ans Ziel komme. »Aber Sie wären überrascht, wie oft es dann doch passiert«, sagte er.
In Kippels Augen ist die Lobbyarbeit wertvoller als ihr Ruf. Er könne sich keine fundierte Meinung bilden, wenn er sich nicht ausgiebig mit den unterschiedlichsten Interessengruppen ausgetauscht habe. Dabei schätzt er vor allem drei Eigenschaften, wenn sich jemand bei ihm Gehör verschaffen will: Sachlichkeit, Ausführlichkeit und Beharrlichkeit. Auf die Frage, ob er der Apothekerschaft raten würde, in Zukunft stärker auf den Tisch zu hauen – zumal die Standesvertretung oft wegen ihrer Zurückhaltung im Vergleich etwa zur Ärzteschaft in der Kritik steht – sagte er: »Nicht jeder, der brüllt, hat Recht.« Grundsätzlich spreche zwar nichts dagegen. Doch im Zweifelsfall unterhalte er sich lieber mit den sachlich-beharrlichen Menschen als mit den Marktschreiern.