Keine Gutachten für Bühler |
Zur berufspolitischen Diskussion kam die Spitze der Standesvertretung nach Schladming: Sebastian Schmitz, Thomas Benkert, Friedemann Schmidt und Fritz Becker (von links). / Foto: PZ/Alois Mueller
Die Diskussion ist für die ABDA leidlich: Weil die Bundesvereinigung dem Pharmaziestudenten Benedikt Bühler die Herausgabe von drei Experten-Gutachten zur Umsetzbarkeit des Rx-Versandverbots (Rx-VV) verweigert, bekommt die ABDA-Spitze seit einigen Tagen Druck aus den eigenen Reihen. Immer mehr Kammern und Verbände äußern ihr Unverständnis über das Verhalten ihrer Standesvertretung. Mittlerweile fordern acht Mitgliedsorganisationen die ABDA-Führung per Brief auf, dem Petenten Bühler besagte Gutachten für die Untermauerung seines Anliegens vor dem Petitionsausschuss in Vollversion zur Verfügung zu stellen. Bühler hat diese zwar längst anonym zugespielt bekommen, die ABDA-Kritiker halten das Zurückhalten der Gutachten aber für nicht nachvollziehbar und mit der Beschlusslage nicht vereinbar. Sie argumentieren, die Apothekerschaft halte das Rx-VV nach wie vor als Handlungsoption in der Hinterhand und könne daher auch die Anhörung mit den Gutachten-Ergebnissen stützen.
Bühler kämpft für eine Umsetzung des Rx-VV und hat dazu eine Petition mit mehr als 400.000 Unterschriften beim Bundestag eingereicht. Am 27. Januar kann er nun bei einer Anhörung im Petitionsausschuss sein Anliegen öffentlich vortragen. Als Vertreter der Bundesregierung hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt. Spahn hatte den Apothekern unmissverständlich klargemacht, dass das Rx-VV politisch und europarechtlich keinen Rückhalt hätte. Bühler sieht das anders und hält die Umsetzung nach wie vor für die rechtssicherste Lösung, um das Ausbluten der Präsenzapotheken durch im Markt tätige Großkonzerne zu verhindern. Denn seitdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2016 die hierzulande geltende Rx-Preisbindung für Versender aus dem EU-Ausland gekippt hat, können diese Rabatte geben, deutsche Apotheken jedoch nicht. Spahn will zwar mit dem Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) die Preisbindung über das Sozialrecht regeln und so zumindest den GKV-Bereich vor einer Rabattschlacht schützen, vielen Apothekern reicht das jedoch nicht.
Der Pharmaziestudent Bühler will nun nach eigenen Angaben im Petitionsausschuss diesen Apothekern »eine Stimme geben«. Um seine Position und die Wichtigkeit eines Rx-VV juristisch zu unterfüttern, hatte er die ABDA vorab um die Herausgabe besagter Gutachten gebeten. Die von der ABDA in Auftrag gegebenen Analysen, deren Zusammenfassungen öffentlich zugänglich sind, kommen alle drei zu dem Ergebnis, dass ein Rx-VV sowohl europa- als auch verfassungsrechtlich zulässig ist.
Die Bundesvereinigung kam Bühlers Wunsch aber nicht nach, da sie dies offensichtlich als negatives Signal an die Politik interpretiert. Um die gewünschte und vorab des anstehenden E-Rezepts auch dringend erforderliche Reform des Apothekenmarkts politisch vorantreiben zu können, hatte die ABDA-Mitgliederversammlung im Juni 2019 beschlossen, das VOASG konstruktiv zu begleiten. Das Rx-VV sollte lediglich eine Handlungsoption für den Fall bleiben, »wenn sich die gesetzgeberischen Maßnahmen nicht ausreichend wirksam für die Stärkung der Präsenzapotheken erweisen sollten«, heißt es in dem Beschluss.
Der Fall Bühler kam auch bei der berufspolitischen Diskussion beim Fortbildungskongress Pharmacon in Schladming zu Sprache. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt positionierte sich klar: »Die ADBA wird Herrn Bühler die Gutachten nicht zur Verfügung stellen.« Hierfür gebe es zwei Gründe, einen formalen und einen inhaltlichen. Die formale Begründung sei, dass eine Petition ein Instrument für Privatpersonen sei, nicht für Interessensverbände oder öffentlich-rechtliche Körperschaften. Deshalb habe die ABDA bereits zu Beginn des Petitionsverfahrens entschieden, dieses offiziell nicht zu unterstützen.
»Seit dem Deutschen Apothekertag 2019 gibt es zusätzlich zu dieser formalen Begründung eine inhaltliche«, sagte Schmidt. Die Hauptversammlung der Deutschen Apothekerinnen und Apotheker habe sich mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen, das VOASG zu unterstützen. Dies sei ein klarer Auftrag für die ABDA. Das Rx-VV sei ein Nebenweg, der von diesem Vorhaben ablenke und deshalb zu vermeiden sei.
Zu akzeptieren, dass das Rx-VV mit Gesundheitsminister Spahn nicht umsetzbar ist, falle vielen Apothekern sehr schwer. Dafür habe er Verständnis, so Schmidt. »Aber dass mit Minister Spahn ein Rx-VV kommt, ist genauso unwahrscheinlich wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen unter Verkehrsminister Scheuer«, so Schmidt. Offensichtlich wollten einzelne Mitgliedsorganisationen mit der Unterstützung für Bühler ein Signal nach innen, an die Apothekerbasis senden. »Die Außenwirkung ist aber verheerend«, warnte der ABDA-Präsident. Das Beharren auf dem Rx-VV trotz des anderslautenden Apothekertagsbeschlusses sei »bezüglich der Glaubwürdigkeit der Apothekerschaft eine Katastrophe«.