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IQWiG

Kein Zusatznutzen für Daridorexant

Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für das neue Schlafmittel Daridorexant keinen Zusatznutzen anerkannt. Die eingereichten Daten seien für die Beurteilung nicht geeignet, hieß es.
Annette Rößler
16.02.2023  16:20 Uhr

Daridorexant (Quviviq™) ist der erste duale Orexin-Rezeptorantagonist (DORA) auf dem deutschen Markt. Im Gegensatz zu Benzodiazepinen und Z-Substanzen, deren Wirkung durch Bindung an GABA-A-Rezeptoren vermittelt wird, verhindert Daridorexant die Wechselwirkung der Neuropeptide Orexin A und B mit ihren Rezeptoren. Dadurch können Patienten mit Schlafstörungen besser ein- und durchschlafen, ohne dass die Schlafphasen beeinflusst werden. Die PZ hat Daridorexant vorläufig als Sprunginnovation eingestuft und als einen von acht Wirkstoffen für den PZ-Innovationspreis 2023 nominiert.

Insofern mag es überraschen, dass das IQWiG in seiner Dossierbewertung im Rahmen der frühen Nutzenbewertung jetzt bezüglich Daridorexant zu dem Urteil gekommen ist: »Zusatznutzen nicht belegt«. Diese Einstufung rechtfertigt das Institut aber nicht mit fehlenden Wirksamkeitsbelegen, sondern mit einer Formalie: Die von Hersteller Idorsia eingereichten Daten seien für die Nutzenbewertung nicht geeignet.

Im Detail geht es um die Studie 201, eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte Studie, in der Daridorexant in verschiedenen Dosierungen mit Zolpidem und Placebo bei Patienten mit chronischer insomnischer Störung verglichen wurde. Das IQWiG bemängelt, dass Patienten, die innerhalb eines Monats vor Studienbeginn eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) erhalten hatten, von der Studie ausgeschlossen waren, und dass auch während der Studie eine KVT nicht erlaubt war. Zudem hätten keine Informationen dazu vorgelegen, ob die Teilnehmer überhaupt jemals zuvor eine KVT erhalten hatten oder dafür geeignet waren.

Gemäß der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sei aber vor der Verordnung eines Schlafmittels zu prüfen, ob stattdessen eine nicht medikamentöse Therapie wie etwa eine KVT möglich ist, und verschiedene Leitlinien führten eine KVT als erste Behandlungsoption auf. Der G-BA verlange daher eine Dokumentation, ob eine KVT versucht wurde oder nicht infrage kam. Da diese fehle, sei die Studie für die Beurteilung der Fragestellung »Zusatznutzen Ja/Nein« ungeeignet, argumentiert das IQWiG.

Neben diesem grundlegenden Problem stören das IQWiG noch weitere Details an der eingereichten Studie. Diese sei mit nur acht Wochen Beobachtungszeit zu kurz, um eine mögliche Dauertherapie Daridorexant zu beurteilen. Zudem sei Daridorexant in der Studie teilweise anders eingesetzt worden, als es die Fachinformation vorsieht, und bei der Vergleichssubstanz Zolpidem habe die Absetzphase gefehlt. Dies könne zu Rebound-Effekten geführt haben, was das Ergebnis möglicherweise zugunsten von Daridorexant verfälscht haben könnte.

Angesichts dieser vielen Kritikpunkte dürfte es dem Hersteller schwerfallen, das IQWiG mit nachgereichten Unterlagen zufriedenzustellen. Dennoch ist das letzte Wort zur Nutzenbewertung von Daridorexant noch nicht gesprochen. Dieses hat bekanntlich der G-BA.

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