Junge Erwachsene als mögliche Treiber der Pandemie |
06.05.2020 15:24 Uhr |
Jugendliche und junge Erwachsene haben anscheinend Schwierigkeiten, sich an kontaktreduzierende Maßnahmen zu halten, wie eine aktuelle Studie nahelegt. / Foto: Getty Images/NKS_Imagery
Welche Altersgruppen in der Pandemie welche Rolle spielen, ist bislang noch nicht ausreichend geklärt. Die Epidemiologen Professor Dr. Marc Lipsitch und Dr. Edward Goldstein von der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston untersuchten daher Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu Covid-19. Sie interessierten sich dabei für die Frage, wie sich die Erkrankungszahlen im Lauf der Zeit in den unterschiedlichen Altersgruppen entwickeln. Sie gehen davon aus, dass der Anteil von Erkrankungen in Gruppen mit einer führenden Rolle in der Verbreitung des Pandemievirus SARS-CoV-2 an den Gesamterkrankungen im Laufe der Pandemie steigt. Das bedeutet, wenn sich eine Gruppe weniger strikt an Kontaktbeschränkungen hält als andere Gruppen, dann wird in der wenig adhärenten Gruppe die Zahl der Infektionen relativ stärker zunehmen als in den anderen.
Die Forscher verglichen in ihrer Analyse Erkrankungszahlen aus den Kalenderwochen 10 und 11, also bevor Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen eingesetzt wurden, mit den Daten aus den Kalenderwochen 13 und 14. Den Daten zufolge nahmen bei den Personen zwischen 15 und 34 Jahren die Fallzahlen stärker zu als bei den 35- bis 49-Jährigen oder bei den Kindern im Alter von 10 bis 14 Jahren. Besonders deutlich war dieser relative Anstieg bei den 20- bis 25-Jährigen zu beobachten, heißt es in der Publikation. In dieser Gruppe lag die Zunahme um 40 Prozent über dem Gesamtdurchschnitt.
Es seien weitere Untersuchungen nötig, um die Ursachen dieser Tendenz zu verstehen, schreiben Goldstein und Lipsitch. Ein Grund könnte sein, dass Kontaktbeschränkungen und Distanzierungsmaßnahmen weniger gut umgesetzt werden. Untersuchungen von sozialen Kontakten und Durchmischungsmustern aus Vor-Pandemie-Zeiten legten nahe, dass diesen Altersgruppen die »größte treibende Rolle in der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie« zufallen könnte, heißt es in der Publikation. Dies stützen auch Daten aus Südkorea: Dort war sehr viel auf SARS-CoV-2 getestet worden und die meisten Infektionen waren in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen entdeckt worden.
Die Forscher sind der Auffassung, dass ihre Ergebnisse trotz einiger Limitationen zeigen, dass junge Erwachsene vor allem zwischen 20 und 25 Jahren und ältere Jugendliche in Deutschland nach Einführung von Distanzierungsmaßnahmen eine zunehmend große Rolle in der Verbreitung spielen. Diese Kenntnis könnte relevant sein für weitere Bemühungen zur Kontaktreduzierung.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.