Jod-Tabletten nicht prophylaktisch nehmen |
Daniela Hüttemann |
01.03.2022 14:00 Uhr |
Die üblichen Jod-Tabletten zur Nahrungsergänzung sind viel niedriger dosiert als Jod-Tabletten, die im Katastrophenfall zur Schilddrüsenblockade eingenommen werden. / Foto: Imago Images/Eibner
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Wochenende die russischen Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Zudem wurde bei russischen Angriffen auf die Ukraine jeweils ein Lager für radioaktive Abfälle in Kiew und Charkow getroffen. Bereits am Donnerstag hatten russische Soldaten die Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl besetzt. Das alles schürt auch in Deutschland die Angst vor einer radioaktiven Belastung.
Nach eigenen Aussagen beobachtet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Lage aufmerksam. Auch wenn die Informationslage dürftig ist und das BfS gerade in Sachen Tschernobyl Datenmanipulation und fehlerhafte Übermittlung nicht ausschließt, kam die Behörde am Sonntag zu folgender Einschätzung: »Radiologische Auswirkungen auf Deutschland sind nach dem Stand der verfügbaren Informationen nicht zu befürchten.« Derzeit gebe es keine belegbaren Beweise, dass radioaktive Stoffe in erhöhtem Maße ausgetreten seien. Das Amt beobachte die Lageentwicklung in der Ukraine aber weiterhin intensiv.
Derweil steigt offenbar die Nachfrage in der Bevölkerung nach Jod-Tabletten, um sich im Ernstfall zu schützen. Zumindest twitterte das BfS bereits am Freitag, dass man keine Jod-Tabletten einnehmen soll:
Bei der übergeordneten Behörde, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, heißt es: »Aufgrund der Entfernung zur Ukraine ist nicht damit zu rechnen, dass eine Einnahme von Jod-Tabletten erforderlich werden könnte. Von einer selbstständigen Einnahme der Tabletten wird dringend abgeraten. Eine Selbstmedikation birgt erhebliche gesundheitliche Risiken, hat aktuell aber keinerlei Nutzen.« Zurzeit seien in Online-Apotheken bereits keine Jod-Tabletten mehr verfügbar.
Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) reagierte und rät dringend von einer selbstständigen Einnahme ab.
Die Einnahme von Jod-Tabletten (Kaliumiodid) zur sogenannten Schilddrüsenblockade/Jod-Blockade sollte nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die zuständigen Katastrophenschutzbehörden erfolgen und auch nur in der von den Behörden genannten Dosis. Die entsprechenden Tabletten sind lokal eingelagert und werden im Katastrophenfall verteilt – über die Apotheken, aber auch Feuerwachen, Rathäuser oder andere kommunale Anlaufstellen. Laut BfS werden in Deutschland knapp 190 Millionen Jod-Tabletten an verschiedenen Standorten gelagert. Die Bürger werden rechtzeitig durch Aufruf in den Medien aufgefordert, ihre Tabletten in diesen Ausgabestellen abzuholen.
Es reicht dann eine einmalige Einnahme, die jedoch zum richtigen Zeitpunkt erfolgen muss. Wird das nicht radioaktive Jod zu früh eingenommen, kann es bereits wieder abgebaut sein, wenn es eigentlich gebraucht wird. Die Behörden geben im Ernstfall dazu eine konkrete Empfehlung. Diese hängt auch davon ab, wieviel radioaktives Jod freigesetzt wird, wie weit der Unfallort entfernt liegt und wie die Wind- und Wetterverhältnisse sind.
Die Empfehlung gilt auch nur für Kinder und Personen bis 45 Jahre sowie explizit auch für Schwangere. Personen älter als 45 Jahre rät das BfS von einer Einnahme von Jod-Tabletten zur Schilddrüsenblockade ab. Für sie überwiegen die Risiken von Nebenwirkungen den Nutzen der Vermeidung eines erhöhten Risikos für Schilddrüsenkrebs.
Zur regulären Nahrungsergänzung, sofern indiziert, werden in der Regel 100 bis 200 µg pro Tag eingenommen. Bei einer Jod-Blockade muss die 100- bis 1000-fache Menge der täglichen Nahrungszufuhr eingenommen werden (ab 13 Jahren in der Regel einmalig 130 mg Kaliumiodid, entsprechend 100 mg Jod). Haushaltsübliche Packungen reichen also nicht beziehungsweise es wären dann Hunderte von Tabletten zu schlucken. Mehr Informationen dazu unter www.jodblockade.de, einer Website des Bundesumweltministeriums.