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Covid-19-Impfstudien

Jeder dritte Placebo-Geimpfte klagt über Nebenwirkungen

Unerwünschte Ereignisse nach einer Placebobehandlung sind in randomisierten klinischen Arzneimittelstudien häufig. In einer Metaanalyse wurde nun der Frage nach der Häufigkeit von Meldungen zu Nebenwirkungen in den Placebogruppen von Covid-19-Impfstoffstudien nachgegangen. Die Zahl der Meldungen war erheblich, was auf einen starken Noceboeffekt hindeutet, der in den Impfkampagnen besser adressiert werden muss.
Theo Dingermann
19.04.2022  18:00 Uhr
Jeder dritte Placebo-Geimpfte klagt über Nebenwirkungen

Circa 20 Prozent der Weltbevölkerung verweigert nach wie vor eine Impfung gegen Covid-19. Obwohl die Gründe für diese ablehnende Haltung vielfältig und komplex sind, schätzt man, dass knapp die Hälfte derer, die eine Impfung ablehnen, vor allem potenzielle, mit der Impfung verbundene Nebenwirkungen fürchtet. Dies ist durchaus verständlich, wenn man sich die Zahlen der Verdachtsmeldungen von Nebenwirkungen vor Augen hält. Diese Zahlen sollten jedoch auch in einem Verhältnis zu Nebenwirkungsmeldungen bewertet werden, die in Impfstoffstudien aus den Placeboarmen stammen. Dies wurde nun in einer Metaanalyse gemacht und die Ergebnisse sind bemerkenswert. Die Arbeit wurde in »JAMA Network Open« publiziert.

Zwar wurden bisher vielfach Nocebophänomene im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten untersucht. Dagegen gibt es kaum Belege für Noceboeffekte im Zusammenhang mit Impfungen. Wissenschaftler um Dr. Julia W. Haas vom Beth Israel Deaconess Medical Center an der Harvard Medical School in Boston und Professor Dr. Winfried Rief von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Philipps-Universität Marburg haben nun in einem systematischen Review zwölf Arbeiten, in denen die Ergebnisse von Coronaimpfstoff-Studien publiziert wurden, dahingehend analysiert, wie viele und welche systemischen Nebenwirkungen in den jeweiligen Placeboarmen gemeldet wurden. Insgesamt wurden die Daten von 45.380 Studienteilnehmern, darunter 22.578 Placeboempfänger und 22.802 Impfstoffempfänger, ausgewertet.

Demnach traten bei 35 Prozent der Placeboempfänger, die also eine Spritze mit antigenfreier Kochsalzlösung erhalten hatten, nach der ersten Dosis systemische Nebenwirkungen auf. Nach der zweiten Dosis lag der Anteil bei 32 Prozent. Am häufigsten klagten die Teilnehmenden der Placebogruppen über Kopfschmerzen (19,3 Prozent) und Müdigkeit (16,7 Prozent).

Zwar waren in den Verumgruppen deutlich mehr Nebenwirkungen gemeldet worden. Aber Noceboreaktionen machten 76 Prozent der systemischen Nebenwirkungen nach der ersten Impfstoffdosis und 52 Prozent nach der zweiten Dosis aus. Zudem ließen sich 24,3 Prozent der lokalen Nebenwirkungen nach der ersten Impfung auf eine Noceboreaktionen zurückführen. 

Interessanterweise war die Häufigkeit von Nebenwirkungen in den Placebogruppen nach der zweiten Dosis geringer als nach der ersten Dosis. In den Impfstoffgruppen war das Gegenteil der Fall. Die Autoren führen diese Beobachtung darauf zurück, dass die zweite Impfstoffdosis sowohl eine robustere Immunantwort als auch eine entsprechend stärkere Wahrnehmung unangenehmer Empfindungen provoziert.

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