Inwiefern dürfen Apotheken Arzneimittel »tauschen«? |
Was tun, wenn wichtige Medikamente über den Großhandel nicht lieferbar sind? Von Apotheke zu Apotheke tauschen, schlägt ein Leverkusener Apothekendienstleister vor. / Foto: Adobe Stock/Dragana Gordic
Dass insbesondere Fiebersäfte und Antibiotika Mangelware sind, ruft seit vielen Wochen die Akteure des Gesundheitswesens auf den Plan, die mit zahlreichen Vorschlägen die Lage verbessern wollen. So kündigte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) angesichts der sich zuspitzenden Lage kurzfristige Gegenmaßnahmen an und will zudem Ende Januar einen Entwurf für ein Generikagesetz vorstellen, das künftigen Lieferengpässen vorbeugen soll. Zu den Akuthelfern sollen auch die Apotheken zählen und etwa durch verstärkte Rezepturherstellung die Versorgung verbessern. Der GKV-Spitzenverband kündigte jetzt zudem die vorübergehende Aussetzung der Festbeträge für insgesamt 180 Fertigarzneimittel an, was kurzfristig mehr Ware in den deutschen Markt spülen soll, aber vielerorts auf Skepsis stieß.
Bisweilen drifteten die Lösungsvorschläge allerdings ins Skurrile. So kam kurz vor Weihnachten der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, mit dem Vorschlag um die Ecke, man solle sich angesichts des Mangels doch nachbarschaftlich mit Arzneimitteln aushelfen. Selbst abgelaufene Medikamente könne man nach Art eines »Flohmarkts für Arzneimittel« weitergeben, diese könnten »gefahrlos« verwendet werden, behauptete Reinhardt in einem Zeitungsinterview, was ihm viel Kopfschütteln und massive Fachkritik einbrachte. Denn abgesehen von der pharmazeutischen Unverantwortlichkeit birgt ein solcher Vorschlag auch juristische Hürden: Nach apothekenrechtlichen Bestimmungen dürfen nur Apotheken und Großhändler Arzneimittel abgeben, sicherlich nicht Nachbarn privat untereinander.
Aber: Inwiefern dürfen sich Apotheken gegenseitig unterstützen und beispielsweise anderen Apotheken(-verbünden) Arzneimittel zur Verfügung stellen? Ein Blick in die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sowie ins Arzneimittelgesetz (AMG) liefert Antworten. Laut § 17 Abs. 6c ApBetrO ist es Apotheken erlaubt, untereinander Arzneimittel zu beziehen, allerdings nur in bestimmten Ausnahmefällen. Ein solcher liegt demnach zum Beispiel vor, wenn es sich um Arzneimittel handelt, »die in dringenden Fällen von einer Apotheke bezogen werden; ein dringender Fall liegt vor, wenn die unverzügliche Anwendung des Arzneimittels erforderlich ist und wenn das Arzneimittel nicht rechtzeitig bezogen oder hergestellt werden kann«. Vor dem Hintergrund der grassierenden Versorgungsknappheit dürften die nötigen Bedingungen für eine solche Ausnahmeregelung hier also in den meisten Fällen gegeben sein.
Klar ist aber auch, dass die Apotheken den Tausch der Medikamente nicht in großem Stil betreiben dürfen. Denn: Wenn sie Arzneimittel im großen Stil abgeben wollen, benötigen sie eine Großhandelserlaubnis. So regelt es das AMG. Allerdings: Umsatz- oder Mengenschwellen, ab denen eine Großhandelserlaubnis benötigt wird, gibt es nicht – das entscheiden die regionalen Behörden.
Um genau solche »Geschäfte« zwischen Apotheken zu erleichtern, hat ein Apothekendienstleister aus Leverkusen eine neue Internet-Plattform geschaffen. Das Unternehmen »Just check it« kümmert sich um digitale Services für Apotheken und setzt jetzt, angesichts der Medikamentennotlage, auf den »Gedanken der gegenseitigen Hilfe«: Einer Unternehmensmitteilung zufolge sollen Apotheken über die digitale Plattform dringend benötigte Arzneimittel untereinander tauschen können. Je mehr Apotheken bei dieser Tauschbörse mitmachten, desto besser, schreibt das Unternehmen. »Kann der Großhandel nicht liefern, können sich die teilnehmenden Apotheken schnell und unbürokratisch untereinander helfen. Im Mittelpunkt steht das Wohl der Patienten.«
Wie genau soll der Arzneimitteltausch funktionieren? Wie Geschäftsführer Stephan Just der PZ erklärt, müssten sich die teilnehmenden Offizinapotheken mit Inhabernamen, Apothekennamen und -adresse sowie verifizierter E-Mail-Adresse bei der Plattform anmelden und könnten mit einer anonymen Teilnehmer-ID eine entsprechende Suchanfrage starten. Jede teilnehmende Apotheke – seit dem Livegang am vergangenen Freitag haben sich Just zufolge etwa 100 Apotheken registriert – erhalte zwei Mal am Tag eine E-Mail mit neuen Suchanfragen aus dem ganzen Bundesgebiet. Pro Woche und Apotheke seien maximal fünf Suchanfragen möglich, pro PZN maximal drei anfragbare Packungen. Kann ein Teilnehmer eine Suchanfrage bedienen, klickt er dies in der Maske an. Beide Teilnehmer bekommen dann ihre gegenseitigen Kontaktdaten und organisieren eigenständig, ob und wie ein Austausch durchgeführt werden kann. Ist der Tausch vollzogen, löscht der Anfragende die Suchanfrage.
Um die Tauschbörse nutzen zu können, können die Apotheken Mitglied bei »Just check it« werden, müssen es aber nicht. »Die Tauschbörse halten wir für so wichtig, dass wir diese allen Apotheken in Deutschland kostenlos anbieten«, betont Just, der laut Unternehmenswebsite seit gut 15 Jahren als Manager und Berater in der Gesundheitsbranche tätig ist. Als Berater und Impulsgeber stünden dem Unternehmen zehn Apotheken zur Verfügung, mit denen man eng zusammenarbeite. »Wir geben keine neue Dienstleistung frei ohne die kritische Prüfung dieses Expertenkreises«, so Just.
So viel zum technischen Ablauf. Allerdings: Ist dieser organisierte Arzneimitteltausch mit Blick auf die oben beschriebene Rechtslage zulässig? Just dazu: »Die Modalitäten des Austausches regeln die Apotheken direkt untereinander«, das Unternehmen nehme keinerlei Einfluss, heißt es in der Mitteilung. Geschäftsführer Just ergänzt gegenüber der PZ: »Die Rechtssicherheit des Austausches liegt ausschließlich in der Verantwortung der daran beteiligten Apotheker.« Die Plattform fungiere allein als technischer Vermittler, »wir stellen lediglich die Technik zur effizienten Kontaktaufnahme zur Verfügung. Ob und was die Apotheken dann untereinander vereinbaren, wie der Arzneimitteltausch erfolgt, wissen und beeinflussen wir nicht«, so Just. Auch was die Kostenverrechnung der getauschten Arzneimittel angeht, bleibt der Dienstleister demnach komplett außen vor. Geld verdient »Just check it« übrigens mit weiteren digitalen Serviceleistungen (zum Beispiel Großhandels-Services), für die sich Apotheken registrieren können und dafür dann einen Monatsbeitrag zwischen 99 (für eine Apotheke) und 169 Euro (für bis zu vier Apotheken) bezahlen. Die Tauschbörse, betont Just, solle aber für alle Apotheken kostenlos bleiben.
Aus Sicht des Geschäftsführers ist mit Blick auf die kleinen tauschbaren Mengen auch keine Großhandelslizenz für Apotheken nötig. »Die Börse ist von uns entworfen worden, um adhoc Anfragen für dringend benötigte Arzneimittel für Patienten bedienen zu können, nicht, um große Mengen zu verschieben«, so Just.