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Tausch, Defektur, Importe

Sachsen erleichtert Arzneimittelabgabe

Während auf Bundesebene der erste Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen für Aufsehen und Kritik sorgt, geht Sachsen in dieser Sache eigene Wege und erleichtert seinen Apotheken kurzfristig das Lieferengpassmanagement. Falls die Lösungen fruchten, will der Freistaat sie dauerhaft erlauben – zur Not auch ohne den Bund.
Cornelia Dölger
15.02.2023  15:00 Uhr

Pragmatische Lösungen für das Lieferengpassmanagement sind nötig wie nie – aber wie sollen Apothekerinnen und Apotheker diese nutzen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie damit gegen geltendes Recht verstoßen? Bekanntlich ist die Arzneimittelabgabe und -herstellung streng reglementiert, was in Zeiten von Dauerengpässen wichtiger Arzneimittel die Lage noch verkomplizieren dürfte.

In Sachsen hat dieses Dilemma die dortige Sächsische Landesapothekerkammer (SLAK) auf den Plan gerufen. Auf ihre Anregung hin haben das Sozialministerium und die Landesdirektion Sachsen (LDS) als zuständige Behörde schon Ende vergangenen Jahres eine Vereinbarung getroffen, die Apotheken die Arzneimittelabgabe in Engpasszeiten erleichtern soll. Passieren soll dies, indem Bundesrecht so großzügig ausgelegt wird, dass Apotheken für das Lieferengpassmanagement kurzfristig und unbürokratisch mehr Spielraum bekommen. Mit einer offiziellen Mitteilung dazu, die die SLAK am Montag per Rundschreiben an ihre Mitglieder verschickte, gibt es jetzt auch die nötige Rechtssicherheit für die Erleichterungen.

Bundesrecht unbürokratisch ausgelegt

Mit ihrer schriftlichen Stellungnahme hätten Ministerium und LDS »nochmals in schriftlicher Form klar zum Ausdruck gebracht, welche Vorschriften des zugrundeliegenden Rechts unbürokratisch ausgelegt werden können«, erklärte das Ministerium auf PZ-Anfrage. Dies dürfte »zu einem Mehr an Rechtssicherheit für die sächsischen Apothekerinnen und Apotheker beitragen«. Ziel der Vereinbarung sei, mit diesen »sinnvollen und schnell wirkenden Maßnahmen auf Landesebene« die Arzneimittelversorgung der sächsischen Bevölkerung sicherzustellen.

Konkret geben Ministerium und LDS den sächsischen Apotheken drei Möglichkeiten an die Hand:

  • Defektur: Apotheken dürfen auch größere Mengen eines Arzneimittels von bis zu einhundert abgabefertigen Packungen pro Tag erlaubnisfrei herstellen und ohne Zulassung in den Verkehr bringen, wenn ein ansonsten industriell gefertigtes Medikament nicht verfügbar ist. Für die Defektur nach § 8 ApBetrO muss eigentlich eine regelmäßige Verordnung vorliegen. Es wird demnach aber akzeptiert, dass die auf der BfArM-Internetseite eingestellte Information zur eingeschränkten Verfügbarkeit des betreffenden Arzneimittels mit der häufigen ärztlichen Verordnung gleichgesetzt werden kann. Grundlage könne in der derzeitigen Ausnahmesituation zudem die häufige Nachfrage von Patienten einer Defekturherstellung sein. Die Apotheke sollte demnach jedoch in der Lage sein, die Lieferdefekte des entsprechenden Fertigarzneimittels nachzuweisen.
  • Importe: » Apotheken dürfen Arzneimittel auch aus dem Ausland nach Deutschland verbringen oder einführen sowie daran anschließend hier in den Verkehr bringen. Die Einfuhr von Arzneimitteln nach § 73 Absatz 3 AMG kann auf vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge erfolgen. In der gegenwärtigen Ausnahmesituation wird toleriert, dass die Auslegung des Begriffes › geringe Menge ‹ entsprechend der Nachfrage angepasst wird. Allerdings muss die vorrätig gehaltene Menge des eingeführten Arzneimittels dem Betrieb der Apotheke angemessen sein. «

Es wird zudem darauf hingewiesen, dass die Apotheker, die ein solches eingeführtes Arzneimittel abgeben, für aufgrund der Anwendung dieses Arzneimittels entstandene Schäden haftbar gemacht werden können, da die Gefährdungshaftung des Herstellers in diesem Fall nicht greife. »Daher muss der/die Apotheker/in Qualität und Identität des Arzneimittels garantieren sowie Arzt und Patient über ein bekanntes Risiko informieren«, heißt es in dem Schreiben.

Die Sächsische Apothekerkammer erhofft sich, dass die Erleichterungen den Druck aus der Situation nehmen. »Wir wünschen uns für die Apothekerinnen und Apotheker, dass die neuen Regelungen ihnen mehr Beinfreiheit verschaffen«, so eine Sprecherin zur PZ. Darüber hinaus sei wünschenswert, dass die Erleichterungen verstetigt werden – ein Vorstoß, der beim sächsischen Sozialministerium auf offene Ohren stößt. Sollten sich die Maßnahmen als erfolgreich erweisen, werde das Ministerium prüfen, ob sie verstetigt werden könnten, bestätigte das Ministerium gegenüber der PZ. »Bei den allermeisten Maßnahmen sollte dies sogar ohne eine Änderung des zugrundeliegenden Bundesrechts möglich sein.«

 

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