Interferon-Antwort erklärt milde Omikron-Verläufe |
Aufgrund der wichtigen Funktion des Interferonsystems besitzen viele Viren, so auch SARS-CoV-2, Mechanismen, um es zu stören, berichtete Binder. Im Vergleich zu anderen Viren könne das Coronavirus sehr rasch mehrere Antagonisten produzieren, die effizient das Interferonsystem hemmen, sodass kaum Interferon von infizierten Zellen produziert würde.
Wie schnell das Interferonsystem funktioniere, könne dafür verantwortlich sein, dass Kinder in der Regel milde oder asymptomatische Coronainfektionen haben, erklärte der Biologe. Denn in einer eigenen Arbeit im Fachjournal »Nature Biotechnology« konnte ein Team um Binder und Kollegen von der Charité zeigen, dass Kinder in den Zielzellen des Virus, den Epithelzellen der oberen Atemwege, eine höhere Expressionsrate der beiden Sensormoleküle RIG-I und MAD5, die Virus-RNA erkennen, aufweisen als Erwachsene.
Das Expressionslevel hänge stark vom Alter ab. Das Interferonsystem von Kindern sei somit deutlich sensitiver und könne früher Alarm schlagen. Entsprechend stark falle die Interferonproduktion aus, die eine effektive Immunreaktion koordiniere und damit helfe, die Infektion zu beenden, bevor sie in die Lunge gelangt. Bei Erwachsenen mit einem weniger sensitiven Sensorsystem funktioniere dies nicht immer, sagte Binder.
Ein deutsch-britisches Forscherteam zeigt jetzt auch, dass die Interferonantwort eine mögliche Ursache für die milderen Krankheitsverläufe bei der Omikron-Variante sein könnte. In Zellversuchen habe sich gezeigt, dass Omikron im Vergleich zur Vorgängervariante Delta die Interferonantwort weniger gut eindämmen kann, berichten Forscher und Forscherinnen des Uniklinikums Frankfurt am Main und der britischen University of Kent im Fachjournal »Cell Research«.
»Offenbar kann Omikron im Gegensatz zu Delta nicht verhindern, dass die befallenen Zellen Interferon produzieren und ausschütten«, sagte Professor Dr. Martin Michaelis von der School of Bioscience der University of Kent in einer begleitenden Mitteilung.
Bei der stark mutierten Omikron-Variante sind neben dem Spike-Protein auch Proteine verändert, die bekanntermaßen am Antagonismus der Interferonantwort beteiligt sind: Dies sind NSP3, NSP6 und NSP14 sowie das Nukleokapsid- und Membran-Protein.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.