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Schneller Therapiebeginn zählt

18.11.2002  00:00 Uhr
Herpes zoster

Schneller Therapiebeginn zählt

von Hannelore Gießen, München

Jeder fünfte Mensch erkrankt irgendwann in seinem Leben an einem Herpes zoster. Gefürchtet sind vor allem Komplikationen und Folgeerkrankungen an Haut, Augen und Nervensystem. Auf einer Konsensus-Konferenz legten Experten kürzlich die Leitlinien für eine optimale Behandlung fest.

Prinzipiell kann die Gürtelrose Menschen aller Altersklassen treffen. Doch das Risiko nimmt ab dem 50. Lebensjahr stark zu, erläuterte Professor Dr. Gerd Gross von der Dermatologischen Klinik in Rostock bei einem Fachpressegespräch der Berlin-Chemie in München. Ebenso steigt dann die Zahl komplizierter Verläufe, bei denen auch Gesicht und Augen betroffen sind und sich eine postzosterische Neuralgie manifestieren kann.

Doch im Gegensatz zu vielen anderen Viruserkrankungen ist Herpes zoster behandelbar. Mit einer frühzeitigen systemischen antiviralen Therapie können Hautveränderungen früher abheilen. In vielen Fällen werden zudem die quälenden Zosterschmerzen sowie andere Komplikationen verhindert. Der Erfolg jeder antiviralen Therapie sei jedoch vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns abhängig, betonte der Dermatologe. Die systemische Therapie muss spätestens 72 Stunden nach Auftreten der Hautsymptomatik eingeleitet werden. Wirkspiegel der antiviralen Substanz müssen rasch erreicht und mindestens über sieben Tage aufrecht erhalten werden. Eine lokale antivirale Behandlung gilt nach Meinung der Experten heute als obsolet.

Von Windpocken zum Zoster

Varicella zoster, ein Virus aus der Herpes-Gruppe, verursacht die meist harmlose Kinderkrankheit Windpocken. Ab dem zwölften Lebensjahr haben 90 Prozent aller Jugendlichen Antikörper gegen das Virus gebildet, 30 Prozent der Infektionen verlaufen inapparent. Nach überstandener Infektion zieht sich der Erreger in einen Spinalnerv zurück. Lässt mit steigendem Lebensalter die zelluläre Immunität nach, kann es zum Ausbruch eines Herpes zoster kommen. Zu Beginn sei die Erkrankung jedoch oft sehr schwierig zu diagnostizieren, erklärte der Dermatologe. Im Gegensatz zu Herpes-simplex-Infektionen, an denen man mehrmals erkranken könne, tritt eine Gürtelrose jedoch nur einmal auf.

Ein Zoster lässt sich heute behandeln wie eine bakterielle Infektion, lautete die Botschaft von Professor Dr. Peter Wutzler von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er ist Vorsitzender der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie. In Deutschland sind zurzeit vier unterschiedliche systemische Virustatika zur Behandlung der Gürtelrose zugelassen: Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin. Alle Substanzen sind in Bezug auf ihre Wirksamkeit bei Herpes zoster der Haut nahezu gleichwertig einzustufen, betonte der Infektiologe. Brivudin, Famciclovir und Valaciclovir verkürzen jedoch signifikant besser als Aciclovir akuten Zoster-assoziierten Schmerz.

Als erster Wirkstoff gegen Viruserkrankungen kam Aciclovir auf den Markt - vor etwa zwölf Jahren einen Quantensprung in der Therapie. Valaciclovir und Famciclovir sind Ester der Muttersubstanz, und wesentlich besser bioverfügbar. Chemisch nicht verwandt ist Brivudin. Das Virustatikum, seit zwei Jahren auf dem Markt, hat gegenüber Aciclovir und dessen Abkömmlingen einen Vorteil: Es muss auf Grund der längeren Halbwertszeit nur einmal täglich verabreicht werden.

Der Konsensus

Eine systemische antivirale Therapie ist dringend indiziert, wenn mit einem komplizierten Heilungsverlauf gerechnet werden muss: Dazu gehört jeder Zoster bei Patienten ab dem 50. Lebensjahr, ein Zoster im Kopf- und Halsbereich, unabhängig vom Alter des Patienten sowie ein schwerer Zoster am Stamm oder den Extremitäten.

Selbstverständlich muss auch ein Zoster bei immundefizienten Patienten sowie bei Patienten mit schwerer Dermatitis atopica antiviral behandelt werden. Eine Gürtelrose bei Kindern und Jugendlichen, die Salicylate oder Corticosteroide als Dauertherapie erhalten, ist ebenfalls eine dringende Indikation für die Gabe eines Virustatikums. Als relative Indikation für eine antivirale Therapie wird ein Zoster an Stamm oder Extremitäten bei Patienten unter 50 Jahren eingestuft.

Eine Gürtelrose ist eine schmerzhafte Erkrankung. Bei einem normalen Heilungsverlauf klingen Hauterscheinungen und Schmerzen nach 10 bis 14 Tagen ab. Allerdings kann sich der Schmerz chronifizieren. Professor Dr. Sawko Wassilew vom Klinikum Krefeld definierte einen über drei Monate anhaltenden Zosterschmerz als Schmerzkrankheit, die heute adäquat behandelt werden muss. Da es bislang keine spezifische Schmerztherapie für die postzosterische Neuralgie gibt, wird das WHO-Stufenschema angewandt. Reicht das nicht aus, empfahl Wassilew frühzeitig einen Schmerztherapeuten zuzuziehen.

 

Die Leitlinien finden Sie unter www.awmf-online.de.

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