Dem Schnupfen ein Schnippchen schlagen |
08.09.2003 00:00 Uhr |
Mit Beginn des kühlen regnerischen Herbstwetters geben sich schniefende und hustende Apothekenkunden Tag für Tag die Klinke in die Hand. Sie suchen Rat und Hilfe, wie sie den lästigen Symptomen zu Leibe rücken können. 866 Millionen Euro ließen sich die Deutschen im Jahr 2001 ihre Husten- und Erkältungsmittel kosten; nicht zu vergessen 289 Millionen Euro, die sie für Phytopharmaka ausgaben.
Durchschnittlich zwei- bis viermal im Jahr legen Erkältungen einen Erwachsenen lahm. Dass Kälte das Schnupfenrisiko steigert, ist eine uralte, fast universelle Weisheit. So schlägt sich im deutschen Wort »Erkältung« und im italienischen »raffreddore« nieder, wer für das Übel verantwortlich sein soll. Das Hindi-Wort »sardi« steht für »abkühlen« ebenso wie für »Erkältung«. Wissenschaftlich untermauert wurde der Zusammenhang zwischen Kälte und Erkältung jedoch nie.
Dass die Erkrankungswelle im Winter ihren Höhepunkt erreicht, lässt sich nicht mit den tiefen Temperaturen erklären. Die Menschen halten sich einfach öfter in geschlossenen Räumen auf und rücken näher zusammen. Zudem strapazieren das herbstliche Schmuddelwetter und die geringe Luftfeuchtigkeit in beheizten Zimmern die körpereigene Abwehr, insbesondere die Bastionen, die die Atemwege schützen.
Die wahren Übeltäter, die den Menschen im Lauf seines Lebens durchschnittlich insgesamt etwa ein Jahr lang ans Bett fesseln, sind Viren. Heute sind mehr als 200 Typen bekannt, darunter Parainfluenza-, Corona-, und Respiratory-syncytial (RS)-, seltener Adeno- und Rheoviren. Enteroviren schlagen vermehrt im Sommer zu. Hinter gut einem Drittel der banalen Infekte stecken unbekannte Erreger (22). Immer wieder kommen Wissenschaftler bislang unentdeckten Stämmen auf die Spur; so brachten holländische Forscher die Metapneumoviren aus der Familie der Paramyxoviren ans Licht (1).
Die größte Schlagkraft auf dem Sektor Husten und Schnupfen besitzen zweifelsohne die Rhinoviren. Fast die Hälfte aller Erkältungen geht auf ihr Konto. Sie gehören der Familie der Picornaviren an und treten in mehr als 100 genetischen Varianten auf. Spezialisten teilen sie in zwei Hauptgruppen ein, die sich über ihre Rezeptoren unterscheiden (2).
Doch auch andere Ursachen, beispielsweise die Einnahme bestimmter Medikamente, kann Symptome auslösen, die den Laien an eine Erkältung denken lassen. Hier ist der Spürsinn des Apothekers gefragt (Tabelle 1).
Tabelle 1: Abgrenzung von möglicher Selbstmedikation und erforderlichem Arztbesuch; nach (11)
Arzneistoffe, die Erkältungssymptome
auslösen können
Arztbesuch empfehlenswert
beziehungsweise nötigSchnupfen:
Von Doxepin, Clonidin, Dihydralazin und Methyldopa wurde berichtet, dass Patienten über eine verstopfte Nase klagen.
Virenzeit – Leidenszeit
Wenn ein Schnupfenpatient niest, schießen wie bei einer Schrotflinte Tausende von infizierten Tröpfchen mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h mehrere Meter weit aus der Nase. Minutenlang schweben diese Tröpfchen in der Luft, die ausgestoßenen Mikropartikel sogar tagelang. Die Vermutung, dass Patienten ihre Erkältung über die Luft weiterreichen, liegt also nahe. Doch weit gefehlt.
Zwar werden die Erreger auch über Husten und Niesen verteilt, doch als die eigentlichen Überträger enttarnten Wissenschaftler die Hände (3). Aus unterschiedlichen Experimenten schlossen sie, dass sich Viren vor allem über Handkontakt – nicht unbedingt Hautkontakt – verbreiten. Denn die Erreger halten sich, eingeschlossen in Sekrettröpfchen, auf beinahe allen glatten Oberflächen einschließlich der Haut mehrere Stunden lang. Dagegen überleben sie in Baumwolltaschentüchern nur verhältnismäßig kurz.
Sobald sich die winzigen Übeltäter in den Epithelien des Nasen-Rachen-Raums und des Bronchialbaums einnisten und mit der Replikation beginnen, setzt der Körper alle Hebel in Bewegung, um den Feind so rasch wie möglich zu vernichten. Gewinnt der Eindringling, treten nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis Tagen die typischen Symptome auf –und zwar ganz plötzlich. Dabei richten die Viren selbst weniger Schaden an als vielmehr die permanenten Attacken des Immunsystems. Die infizierten Zellen senden ein Signal aus, das weiße Blutkörperchen anlockt. In der Folge tummeln sich zahlreiche Botenstoffe wie Zytokine, Histamin, Prostaglandine und Leukotriene in den Schleimhäuten der Atemwege. Die Folgen: Entzündung, Schwellung und Sekretproduktion.
Üblicherweise beginnt eine Erkältung mit einem Kratzen in der Kehle und einer Halsentzündung. Am zweiten und dritten Tag schwellen die Schleimhäute der Nase und der Nebenhöhlen an und verstopfen. Gleichzeitig sondern sie reichlich klare Flüssigkeit aus Wasser, Proteinen, abgestorbenen Zellen und einer Menge Viren ab. Im weiteren Verlauf verdickt sich das Sekret und wird klebriger, bis nach vier oder fünf Tagen die Schleimhäute von selbst wieder abschwellen. Manche Patienten quält ein lästiger, hartnäckiger Husten, hervorgerufen durch eine Entzündung der oberen Atemwege. Kopf- und Gliederschmerzen oder eine Konjunktivitis können hinzukommen. Selten fesseln Fieber und Schüttelfrost den Patienten ans Bett.
Die Symptome können entweder einzeln oder zusammen auftreten – je nachdem, welchen Part des Respirationstraktes die Viren besiedeln. Mediziner unterscheiden Katarrhe der Nasenschleimhaut (Rhinitis), des Rachens (Pharyngitis), des Kehlkopfs (Laryngitis) oder der tiefen Atemwege (Bronchitis, Tracheitis). In der Regel erreicht das Leiden seinen Höhepunkt am dritten Tag; nach etwa einer Woche ist der Spuk vorbei. Bei einem Drittel der Betroffenen zieht sich eine Erkältung allerdings bis zu 14 Tage hin (4, 10).
Dem Immunsystem entwischt
Ein Leben lang muss sich der Organismus mit Erkältungsviren auseinander setzen. Denn nach überstandener Leidenszeit entwickelt sich zwar eine Immunität gegen spezifische einzelne Typen, die jedoch nicht vor dem Angriff der restlichen Erkältungsviren schützt. Zudem lässt die erworbene Immunität im Alter wieder nach. Jetzt bekommen bekannte Erreger eine neue Chance.
Darüber hinaus sind viele in der Lage, ihre Oberflächenstruktur zu verändern. Auf diese Weise täuschen sie das Immunsystem und lassen maßgeschneiderte Antikörper ins Leere laufen. Logisch, dass es beinahe unmöglich ist, breit wirksame Impfstoffe gegen die vielfältigen Verwandlungskünstler zu entwickeln. Kürzlich ist es gelungen, Antikörper zu entwickeln, die sich gegen das Glykoprotein-F beider Subtypen des RS-Virus richten (5).
Auf dem Sektor der antiviralen Therapie tut sich für den Erkältungspatienten in praxi nicht allzu viel. Neue Hoffnungsträger sind Kapsid-bindende Wirkstoffe (2, 8). So hindert Pleconaril Rhinoviren daran, am Rezeptor ICAM-1 anzudocken. Zudem hemmt die Substanz in vitro die Replikation der meisten Rhino- und Enteroviren, indem sie das Uncoating der Erreger unterbindet. Pleconaril befindet sich derzeit in der Phase II klinischer Studien. Auch Tremacamra – ein biotechnisch hergestellter ICAM-1-Rezeptor in löslicher Form – blockiert die Rezeptorbindungsstellen von Rhinoviren. Appliziert wird das Präparat direkt in die Nase. Ob sich dieser Ansatz auch in der Praxis behaupten kann, müssen weitere Studien erst noch untermauern (23).
Andere antivirale Ansätze, beispielsweise mit Protease-Hemmern, die die Vermehrung der Schnupfenviren stoppen sollen, stecken noch im experimentellen Stadium.
Schon länger versuchen Wissenschaftler, die Erreger mit intranasal appliziertem alpha-2-Interferon aufzuhalten (6, 7). Besonders viel verspricht sich ein amerikanischer Forscher von der Kombination aus intranasal appliziertem alpha-2-Interferon, peroralem Chlorpheniramin und Ibuprofen (9). Während das Interferon die Erreger in Schach hält, bekommen das Antihistaminikum und das Antiphlogistikum die Entzündungsmediatoren in den Griff.
Freie Bahn für die Atemluft
Bislang bleibt nichts anderes übrig, als eine Erkältung symptomatisch zu therapieren und so die Krankheitszeit zu verkürzen oder wenigstens erträglicher zu gestalten (10, 11). Hierzu stehen neben allopathischen Medikamenten auch zahlreiche Homöopathika parat (Tabelle 2).
Tabelle 2: Hilfe durch Homöopathie (20, 21)
Symptome, BefindlichkeitMittel, Dosierung* beginnender grippaler Infekt mit Niesen, Halskratzen, Frösteln, kalten Füßen oder Händen*) bei Besserung seltener geben oder Mittel absetzen
Die Behandlung eines Schnupfens verlangt als wichtigstes Therapieprinzip die Wiederherstellung der Ventilation und Drainage der Nasennebenhöhlen. Vor allem Nasentropfen oder -sprays mit Sympathomimetika, idealerweise den langwirksamen Imidazolinderivaten Oxymetazolin und Xylometazolin, schwellen die Schleimhäute ab und lassen die Patienten wieder frei atmen. Wichtig: Sympathomimetika dürfen nicht länger als eine Woche in die Nase geträufelt werden. Peroral eingesetzt, haben sie ein beachtliches Kontraindikationsspektrum. So müssen Patienten mit KHK, Hypertonie und Hyperthyreose die Finger davon lassen.
Auch Antiphlogistika wie Acetylsalicylsäure und Ibuprofen lassen wieder mehr Luft durch die Nasenhaupt- und -nebenhöhlen strömen. Vermutlich sorgen sie durch ihre antiödematöse Wirkung für einen freieren Atem. Wissenschaftlich gesicherte Kenntnisse fehlen noch. Für Phenylephrin liegt laut Monographie nur ein Wirksamkeitsnachweis für die lokale, nicht aber für die perorale Anwendung vor. Antihistaminika sind kritisch zu bewerten und nur bei einem nicht stillbaren Fließschnupfen indiziert. Ephedrin beurteilt eine Monographie negativ.
Isotonische Kochsalzlösung oder Meerwasserduschen helfen trockenen Schleimhäuten, sich zu regenerieren. Weniger gut geeignet sind lipophile Mittel wie Nasenöle.
Sekretolytika wie Ambroxol und Bromhexin verbessern wohl die Viskosität des Schleims und erhöhen den Sekrettransport. Sie sollen auch antientzündlich und antiviral wirken, denn sie steigern den Übergang von Immunglobulin-A aus dem Blut ins Bronchialsekret und kurbeln auf diese Weise die lokale Immunantwort an. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen jedoch. Für Acetylcystein ist die Schleim verflüssigende Wirkung ebenfalls eher in vitro als in vivo nachgewiesen.
Gegen trockenen Reizhusten helfen Antitussiva. Hier bewertet eine Monographie die Wirkstoffe Clobutinol, Pentoxyverin und Dropropizin positiv. Die Literatur belegt zudem die Wirksamkeit von Pipazetat und Dextromethorphan. Codein, Dihydrocodein und Noscapin sind verschreibungspflichtig, Hydrocodon untersteht der Betäubungsmittelverordnung. Prinzipiell sind Hustenblocker dafür gedacht, einen ruhigen Nachtschlaf zu gewährleisten. Wenn sich eine schwangere oder stillende Frau die Seele aus dem Leib hustet, muss sie einen Mediziner zu Rate ziehen und darf sich nicht selbst behandeln – genau wie Patienten, die chronisch husten.
Alle zentral wirksamen Antitussiva können sich negativ auf die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit auswirken. Patienten, die trotzdem Auto fahren wollen, sollten deshalb aufmerksam in sich hineinhorchen, wenn sie die Mittel zum ersten Mal einnehmen.
Halsschmerzen lassen sich relativ schwer therapieren. Die Literatur charakterisiert Chlorhexidin und Dequaliniumchlorid als antimikrobiell, Lidocain und Polidocanol als lokal anästhesierend. Gegen die Qual im Hals helfen Lutschtabletten; Sprays bieten sich hauptsächlich bei Beschwerden im vorderen Rachen an. Neueren Studien zufolge soll Ambroxol auch lokal anästhesierend und antioxidativ wirken. Es blockiert die neuronalen Natriumkanäle in den sensorischen Nervenenden. Deshalb eignen sich Lutschpastillen, die den Wirkstoff im Mund- und Rachenraum lokal freisetzen, auch bei Halsschmerzen.
Gegen Kopf- und Gliederschmerzen kommen ASS, Paracetamol und Ibuprofen an. Phenazon und Propyphenazon zählen auf Grund ihrer Nebenwirkungen zu den Mitteln zweiter Wahl. Hoch dosiertes Zink beeinflusste in einer kleineren Studie Dauer und Schwere von Erkältungssymptomen deutlich positiv (18).
Prinzipiell gilt, dass Monopräparate zu bevorzugen und Tabletten mit 250 ml Wasser einzunehmen sind. Damit Zäpfchen besser gleiten, reicht es aus, sie leicht anzufeuchten; wer sie »eincremt«, erschwert damit die Resorption des Wirkstoffs.
Nach wie vor stufen Fachleute Vielkomponenten-Gemische in teuer vermarkteten Grippemitteln sehr kritisch ein. Nach dem Motto »Weniger ist mehr« nützt eine begrenzte Anzahl ausgewählter Arzneistoffe, die sich gezielt gegen Einzelsymptome richten, mehr als eine Schrotschusstherapie mit einem reich bestückten Wirkstoff-Mix (11).
Was Pflanzenkraft schafft
Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach aus dem Jahr 2002 gaben 70 Prozent der Befragten an, Naturheilmittel würden ihnen bei Erkältungen helfen.
Pflanzliche Extrakte bieten als natürliche Vielstoffgemische den Vorteil eines breiten Wirkspektrums. Dabei beeinflussen gut gewählte, pflanzliche Kombinationen auf Grund ihrer synergistischen und komplementären Effekte den Verlauf von Erkältungssymptomen günstig. Phytopharmaka sind im Allgemeinen gut verträglich; manchmal machen ätherische Öle empfindlichen Mägen zu schaffen. Wer in seiner Empfehlung nur auf sicher bewährte Präparate zurückgreifen möchte, orientiert sich am besten an standardisierten Fertigprodukten, die ihre Qualität in klinischen Untersuchungen bewiesen haben.
Gegen Husten steht eine breite Palette an Drogen bereit, die antitussiv, sekretolytisch, sekretomotorisch, bronchospasmolytisch, antiphlogistisch, antiviral oder antibakteriell wirken. Quälenden Hustenreiz lindern Schleimstoffdrogen wie Malve, Sonnentau, Eibischwurzeln oder Isländisch Moos, aber auch Thymian. Mucilaginosa ziehen einen Schutzfilm über die Schleimhaut von Mund und Rachen und schirmen so die sensiblen Hustenrezeptoren von exogenen Reizen ab.
Hausmittel – Hilfe auf physikalischem Weg (nach 4, 17)Inhalationen bei Husten und Schnupfen
Wickel
Halswickel bei Entzündungen, verschleimten Atemwegen im Hals, geschwollenen Lymphknoten: Leinentuch in kaltes Wasser tauchen, auswringen und um den Hals winden. Darüber ein trockenes Leinentuch schlingen und mit einem Wolltuch abschließen. Wickel 60 Minuten belassen. Bei einer akuten Entzündung bis zu sechsmal am Tag. Achtung: Wärme nur bei chronischer Entzündung.
Brustwickel bei Husten: Leinentuch in kaltes (bei krampfartigem Husten in warmes) Wasser eintauchen, auswringen und um die Brust wickeln/einschlagen. Der Wickel soll von der Achselhöhle bis zu den Rippenbögen reichen. Darüber trockenes Leinentuch decken und mit einem trockenen Wolltuch abschließen. Achtung: Nicht zu streng wickeln! Nach etwa 90 Minuten, wenn der Schweiß ausbricht, entfernen. Danach noch eine Stunde im Bett ruhen. Anwendung: ein- bis zweimal täglich.
Wadenwickel bei Fieber: Zwei Leinen- oder Handtücher in kaltes Wasser tauchen, auswringen, um beide Unterschenkel winden. Die Wickel sollen von der Kniekehle bis zum Fußknöchel reichen. Darüber trockenes Leinentuch legen (kein Wolltuch, weil es zu stark wärmt). Die Tücher bleiben so lange auf der Haut, bis sie sich erwärmt haben (jetzt leiten sie keine Wärme mehr ab).
Zwiebelwickel bei Hals- und Ohrenschmerzen: Fünf große Gemüsezwiebeln klein hacken und ohne Öl in der Pfanne erwärmen. Das angetrocknete, handwarme Gemüse in ein Tuch schlagen, um den Hals/die Ohren wickeln und mit einem Schal fixieren.
Fußbad bei beginnender Erkältung
Füße in eine Wanne mit 39 °C heißem Wasser stellen; nach 8 bis 12 Minuten für 3 Sekunden in kaltes Wasser tauchen. Gut abtrocknen, warme Socken überziehen und 20 Minuten ins Bett legen.
Als Schleimlöser bei akutem, produktiven Husten agieren ätherische Öle aus Sternanis, Anis, Fenchel, Eukalyptus und Thymian oder Saponindrogen wie Efeu, Primel und Senegawurzel. Saponindrogen steigern zusätzlich die Aktivität des Flimmerepithels und kurbeln die Zilienbewegung über eine Reizung des Nervus vagus an. Wer seinen Hustentee süßt, erregt parasympatholytische Rezeptoren der Mundschleimhaut und bringt dadurch die Bronchialsekretion zusätzlich in Gang.
Standardisiertes Myrtol nimmt dem Schnupfen den Schrecken. In der Fachliteratur gut dokumentiert sind auch Campher, Cineol, Menthol und Eukalyptusöl. Die fixe Kombination der Extrakte aus Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Eisenkraut, Holunderblüten und Ampferkraut bringt bei verstopfter Nase die Sekretolyse in Schwung.
Bei manchen Patienten haben sich Enzyme pflanzlicher Herkunft bewährt: Bromelain und Papain fördern die Proteolyse von Eiweißtrümmern und Mikrothromben im entzündeten Gewebe und sollen auf diese Weise die Entzündung der Nasenschleimhaut besiegen. Dem geschundenen Hals tun Eibischwurzel, Kamillenblüten, Ackerschachtelhalmkraut, Schafgarbenkraut, Walnussblättern, Eichenrinde und Löwenzahnkraut gut. Bei Heiserkeit, Wundgefühl und Schluckbeschwerden helfen Kamille, Salbei, Minz- oder Thymianöl (15).
Relativ neu im mitteleuropäischen Therapiespektrum ist Umckaloabo-Extrakt aus der südafrikanischen Pflanze Pelargonium reniforme/sidoides. Die Inhaltsstoffe sollen die Schleimhautzellen mit einem Schutzfilm überziehen und dadurch verhindern, dass sich Schädlinge festsetzen. Angeblich mobilisieren sie auch Immunzellen, wirken direkt antibakteriell gegen eine Reihe von Keimen und lösen zähen Schleim. Allerdings fehlen randomisierte, kontrollierte Studien. Einige Experten warnen sogar vor dem Gebrauch dieses »Wundermittels«, weil die im Extrakt enthaltenen Cumarine das Risiko von Blutungen bergen (16).
Erkältungspatienten Nummer eins
Bei Kleinkindern lohnt es sich kaum, die Taschentücher wegzupacken. 10- bis 12-mal im Jahr muss sich der Nachwuchs mit Schnupfen und Co. herumschlagen. Dies beginnt mit etwa sechs Monaten, wenn Babys zu krabbeln beginnen und der mütterliche Nestschutz schwindet. Die Erkrankungshäufigkeit gipfelt mit drei bis fünf Jahren – wohl auf Grund des engen sozialen Kontakts im Kindergarten.
Der Grund für die Dauer-Rotznase: Dem kindlichen Immunsystem fehlt die nötige Reife, um die permanenten Attacken abwehren zu können. Das Neugeborene kommt mit einem niedrigen Spiegel an T-Helferzellen vom Subtyp 1 (Th1) zur Welt, während Th2-Zellen überwiegen, die am Allergiegeschehen beteiligt sind. Um den Kampf gegen Viren, Bakterien und Pilze für sich zu entscheiden, braucht der Körper jedoch genügend Th1-Zellen (14, 13). Diese Th1-Kompetenz erwirbt ein Kind, wenn es sein Immunsystem frühzeitig hart trainiert – mit Infektionen der oberen Luftwege.
Prinzipiell sind es die gleichen Symptome wie beim Erwachsenen, die Kinder heimsuchen – nur dass sie sich oft klarer ausprägen und meist heftiger ausfallen. So steigt die Quecksilbersäule des Fieberthermometers rasch an, während Erwachsene kaum und oder nur schwach fiebern.
Bei einer Erkältung empfiehlt es sich, die kleinen Patienten möglichst viel an die frische Luft zu scheuchen. So ist bei Kindern, die nicht fiebern, die Scheu vor ausgiebigen Spaziergängen fehl am Platz. Bei Außentemperaturen über 7 Grad Celsius können die Fenster auch nachts offen bleiben.
Schnupfenqual bei Babys
Schnupfen bei Kindern ist lästig, bei Säuglingen nicht ganz unproblematisch. So hindert eine verstopfte Nase viele Babys daran, ausreichend zu trinken oder zu essen. Hier halten altersgerecht dosierte, abschwellende Nasentropfen oder isotonische Kochsalzlösung das Riechorgan frei. Wegen der Aspirationsgefahr empfehlen sich ölige Zubereitungen im ersten Lebensjahr weniger.
Bei Husten eignen sich im Kindesalter vor allem Pflanzenpräparate. Synthetische Blocker wie Pentoxyverin oder Clobutinol garantieren bereits Säuglingen ab vier Monaten eine ruhige Nacht. Zähen Schleim lockern Ambroxol oder Bromhexin, aber auch pflanzliche Sekretolytika. In der Pädiatrie empfehlen sich wegen des geringeren Saponingehalts eher Primelblüten als -wurzeln (15). Auf Guaifenesin sollte man wegen eventueller Magenunverträglichkeit und der Gefahr einer Bronchokonstriktion verzichten.
Achtung bei der Verwendung von ätherischen Ölen: Der Schleim in den Bronchien kann sich so stark verflüssigen, dass es die Kleinen oft nicht schaffen, ihn abzuhusten. Campher, Menthol, Minzöl und andere stark riechende Öle bergen zudem die Gefahr eines reflektorischen Glottiskrampfes oder eines Bronchospasmus bis hin zum Atemstillstand und sind daher bei Säuglingen und Kleinkindern kontraindiziert. Im Zusammenhang mit ätherischen Ölen berichten Experten auch über Überempfindlichkeitsreaktionen.
Ob es den kleinen Patienten, die schlimm husten, tatsächlich hilft, viel zu trinken, bleibt in Fachkreisen umstritten. Gegner merken an, es würde lediglich der Harnfluss steigen und nicht mehr Sekret fließen. Zudem würden besonders junge Kinder, die ständig trinken, erbrechen während sie husten.
Weil Babys und Kleinkinder keine Bonbons lutschen können, bereiten Schluckbeschwerden besondere Probleme – vor allem, weil sie das Essen quält. Die Mutter muss ausprobieren, ob ihr kranker Liebling eher eine heiße Suppe vorzieht oder Eis und Joghurt favorisiert. Ältere Kinder dürfen gegen Halsschmerzen Pastillen aus Spitzwegerich oder Isländischem Moos lutschen oder mit Salbeitee gurgeln. Isländisches Moos regt zudem leicht den Appetit an und bringt den einen oder anderen kleinen Nahrungsverweigerer wieder zum Essen.
Weil Fieber im Allgemeinen eine sinnvolle Reaktion des Organismus darstellt, sollte es nicht sofort gesenkt werden – außer bei Kindern, die zu Krämpfen neigen. Gegen die Hitze im Leib bieten sich Paracetamol oder Ibuprofen an; wer die sanfte Tour bevorzugt, probiert Lindenblüten, Holunder und Mädesüßblüten aus. Unter 12 Jahren heißt es Hände weg von ASS, da das gefürchtete Reye-Syndrom droht.
Ernste Komplikationen selten
Zwar zählt eine Erkältung zu den gutartigen Infektionen, die meist ohne Komplikationen verlaufen – ganz ausschließen lassen sie sich jedoch nicht. Die seltenen Probleme treten überwiegend an den Atemwegen auf. Zu den typischen Folgen gehören Nasennebenhöhlenentzündung und schwere Bronchitis, seltener Lungen- und Rippenfellentzündungen. Auch kann es zur Mittelohrentzündung kommen. Wichtig ist es, einen banalen Infekt von einer echten Grippe (Influenza) zu unterscheiden (Tabelle 3).
Tabelle 3: Abgrenzung von Influenza und grippalem Infekt; nach (11)
MerkmalGrippeGrippaler Infekt Erreger Influenza-Viren der Typen A, B und C mehr als 200 verschiedene Erreger, zum Beispiel Rhino-, Corona-, RS- und Enteroviren Befallenes Organ Respirationstrakt Respirationstrakt Symptome Schnupfen, Husten, Heiserkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, hohes Fieber Schnupfen, Husten, Heiserkeit, Kopf- und Gliederschmerzen Krankheitsverlauf plötzlicher Beginn eines schweren Krankheitsempfinden mit Abgeschlagenheit, Schwäche, Benommenheit
Sportler sollten einen grippalen Infekt nicht auf die leichte Schulter nehmen: Denn manche Viren machen sich am Herzmuskel zu schaffen und lösen eine Myokarditis aus, die gerade junge Leute oft nicht bemerken. Sie fühlen sich nach der Erkältung wieder topfit und trainieren weiter wie zuvor. Manche bezahlen ihren Eifer mit dem Leben.
In der Regel brauchen sich Eltern keine ernsthaften Sorgen um ihre ständig schniefenden Sprösslinge zu machen. Dennoch sollten sie bei einem protrahierten Verlauf unbedingt ärztlichen Rat einholen. Die fachliche Diagnose schließt aus, dass hinter dem vermeintlich banalen Infekt eine Influenza, eine Mononucleosis infektiosa oder eine Pseudoviren-Infektion (Psittacosis, Mycoplasma pneumoniae) steckt. Wenn sich der Kehlkopf entzündet, könnte eine lebensbedrohliche Epiglottitis vorliegen. Bei Pseudokrupp ist der Rat des Arztes ebenfalls zwingend nötig. In beiden Fälle schwellen die Schleimhäute so stark an, dass die Kinder akut zu ersticken drohen.
RS-Viren – ein für ältere Kinder und Erwachsene eher harmloser Stamm – rufen beim Säugling häufig eine schwere Bronchiolitis oder Bronchopneumonie hervor. Ständige Infekte durch Rhinoviren können in die akute Exazerbation eines Asthma bronchiale münden (19). Bakterielle Infektionen gehören prinzipiell in die Hand des Pädiaters (12). Sonst endet so manche verschleppte Streptokokken-Angina mit rheumatischem Fieber, kardialen Problemen oder einem nephritischen Syndrom. Eine rezidivierende Otitis media auf Grund einer Pneumokokken-Infektion bezahlen Kinder nicht selten mit einem permanenten Hörschaden bis zum Hörverlust.
Ob Antibiotika helfen, kann nur der Arzt entscheiden. Prinzipiell angezeigt sind sie bei Otitis media des Kleinkindes, komplizierter Sinusitis und bakterieller, diagnostisch gesicherter Pneumonie (Labor, Röntgen des Thorax). Hingegen verhindert die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums nur selten Komplikationen der tiefen Atemwege. Risikopatienten mit chronisch-obstruktiven Lungen- und Herzkreislauferkrankungen oder Immundefizienz sowie Personen unter immunsuppressiver Therapie benötigen frühzeitig eine antibakterielle Behandlung (22).
Ständige Begleiter
Erkältungskrankheiten sind weit verbreitet und begleiten den Menschen von der Wiege bis zur Bahre. In 95 Prozent der Fälle sind Viren die Ursache. Da die Medizin dagegen nach wie vor kaum etwas ausrichten kann, lassen sich lediglich die Symptome wirksam behandeln. Dabei sollten Husten, Schnupfen oder Heiserkeit gezielt therapiert werden. Reich bestückte Kombipräparate, die »ins Blaue zielen«, sind nicht empfehlenswert.
Trotz seiner Banalität darf man einen grippalen Infekt nicht zu sehr auf die leichte Schulter nehmen. Bedrohliche Komplikationen sind zwar selten, doch die Augen verschließen dürfen wir vor ihnen nicht.
Literatur
Die Autorin
Sabine Schellerer studierte in München Pharmazie und erhielt 1993 ihre Approbation. Von 1995 bis 2000 arbeitete sie am Institut für Rechtsmedizin der Universität München an ihrer Promotion und war während dieser Zeit auch in öffentlichen Apotheken tätig. Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung zur Fachzeitschriftenredakteurin sowie Praktika in mehreren Verlagen. Seit Mitte letzten Jahres ist Dr. Schellerer freiberuflich als Wissenschafts- und Medizinjournalistin tätig.
Anschrift der Verfasserin:
Dr. Sabine Schellerer
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