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Festtag der Hamburger Pharmazie

26.05.2003  00:00 Uhr

Festtag der Hamburger Pharmazie

von Christiane Berg, Hamburg

Die Hamburger Studenten, wissenschaftlichen Mitarbeiter und Hochschullehrer identifizieren sich mit ihrem Institut. Das zeigte auch der vierte Tag der Pharmazie am 21. Mai, auf dem es gewohnt „akademisch festlich“, aber auch fröhlich zuging.

Bereits traditionell wurden an diesem für das Pharmazeutische Institut besonderen Feiertag jedoch nicht nur die Zeugnisse des Zweiten Abschnittes der Pharmazeutischen Prüfung übergeben sowie der GlaxoSmithKline-Wissenschaftspreis verliehen. Den „Tag der Pharmazie im Jahr der Chemie“ prägte die sehr seltene Verleihung der Ehrendoktorwürde an Professor Dr. phil. Gerwalt Zinner, Braunschweig.

Blühendes Fach

„Wir sind stolz darauf, mit Ihnen eine Persönlichkeit zu ehren, die durch ihr Lebenswerk der Chemie und der Pharmazie weltweit entscheidende Impulse gegeben hat und die untrennbare Verknüpfung der beiden Fächer repräsentiert“, betonte der Dekan des Fachbereiches Chemie der Universität Hamburg, Professor Dr. Johannes Thiem, bei der Verlesung der Urkunde. „Stolz sind wir auch auf die Hamburger Pharmazie“, führte er im Folgenden weiter aus. Thiem sprach von überaus „engagierten Professoren, engagierten Mitarbeitern, engagierten Studenten“ und einem „blühenden Fach“.

Zuvor hatte auch der Vizepräsident der Universität Hamburg, Professor Dr. Holger Fischer, der Hamburger Pharmazie seine „große Wertschätzung und seinen hohen Respekt“ ausgesprochen. Die Hochschullandschaft sei dramatisch im Umbruch begriffen. Das Hochschulmodernisierungsgesetz, aber auch die Ergebnisse der Arbeit der Dohnanyi-Kommission werden einschneidende Veränderungen mit sich bringen, die nicht nur positiv zu betrachten sind, prognostizierte er.

Erfolgreiche Forschung

Fischer zeigte sich erstaunt, dass die Hamburger Öffentlichkeit von diesen Vorgängen überraschend wenig Notiz nimmt, ist sie doch mittelbar oder unmittelbar zum Beispiel durch eine noch stärkere Reduzierung der Studienplätze betroffen. Vom Tag der Pharmazie, so Fischer, erhoffe er sich somit auch eine gewisse PR. Wichtig für die Pharmazie, so der Uni-Vizepräsident weiter, scheine ihm darüber hinaus ein hohes Maß an Interdisziplinarität zu sein. Die enge Zusammenarbeit mit Biologen, Medizinern, Physikern sowie Vertretern weiterer Disziplinen müsse daher weiter selbstverständlich bleiben.

Fischer hob die große Konkurrenz nicht zuletzt bei dem Erwerb von Drittmitteln hervor, der sich erfolgreiche Wissenschaftler ausgesetzt sehen. Die der Universität in den vergangenen Jahren auferlegten Sparverpflichtungen trügen nicht gerade zu einer günstigen Ausgangsposition für die Hamburger Forscher bei. Gerade die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten hätten dennoch erfreuliche Ergebnisse vorzuweisen. Ihre Leistungen schlügen sich nicht nur in zahlreichen Publikationen, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene nieder. Diese Kooperationen hätten zu erfolgreichen Produkten mit Marktreife geführt. Fischer: „Einen besseren Beweis für relevante Forschung kann eine wissenschaftliche Einrichtung nicht erbringen“.

Exzellente Ergebnisse

Fischer hob die „große gestalterische Phantasie sowie das erstaunlich geringe Getöse“ der Hamburger Pharmazie auch bei der raschen Umsetzung der neuen Approbationsordnung hervor. Nicht zuletzt die sehr guten Ergebnisse in der Lehre ließen sich aus dem öffentlich zugänglichen Vergleich der Studienzeiten und der Ergebnisse des Ersten Abschnittes der Pharmazeutischen Prüfung ablesen. Zudem weise Hamburg im so genannten Ranking einen beachtlichen Platz auf und schneide von allen in die Untersuchung einbezogenen universitären Fächern mit am besten ab. Bei der Studienberatung und der Zahl der Promotionen sowie bei der Betreuung der Studenten durch ihre Lehrer liege das Fach in der Spitzengruppe. Aufgrund der finanziellen Unterausstattung habe die Pharmazie nur in wenigen Bereichen, so zum Beispiel in der Bibliotheks- und PC-Ausstattung, Defizite aufzuweisen.

Das hervorragende Engagement bei der Umsetzung der novellierten Approbationsordnung und der schwierigen Etablierung der Klinischen Pharmazie als neues Ausbildungsfach hob in seinem Grußwort auch der Geschäftsführer der Apothekerkammer Hamburg, Dr. Reinhardt Hanpft, hervor. Hanpft betonte, dass der Wandel des apothekerlichen Berufsbildes diese Weiterentwicklung zwingend erfordert. Daher begrüße er es um so mehr, dass sich die Hamburger Pharmazie dieser Herausforderung stellt.

Auf der Höhe der Zeit

Mit Verweis auf große Gefahren für die wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und somit den Verbraucherschutz zeigte auch Hanpft sich besorgt über die existenzielle Krise, in der sich das deutsche Apothekenwesen und damit der überwiegende Teil der gesamten Apothekerschaft befindet. Nachdem das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) in bislang nicht gekannter Weise in die Erträge der Apotheken eingegriffen hat, ständen mit dem Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums für ein Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) nunmehr die Grundfesten des Apothekensystems zur Disposition.

Bei allen Hiobsbotschaften warne er jedoch vor Panik- und Weltuntergangsstimmung und rate zu überlegtem und besonnenem Vorgehen, so Hanpft. „Egal, wie sich die Strukturen unseres Gesundheitswesens entwickeln, Apotheker werden immer gebraucht, wenn sie denn in ihrem Metier kompetent und auf der Höhe der Zeit sind“, zeigte der Kammer-Geschäftsführer, der die Grüße des Vorstandes und des Präsidenten, Hans-Jochen Gelberg überbrachte, überzeugt.

Exzellent sein und bleiben

Professor Dr. Hans-Jürgen Duchstein, neben Privat-Dozent Dr. Conrad Kunick federführender Organisator des Tages der Pharmazie, bestätigte bei der feierlichen Übergabe der Zeugnisse des Zweiten Abschnittes der Pharmazeutischen Prüfung, dass sich in Zeiten der wirtschaftlichen Krise, von denen auch das Gesundheitswesen und im besonderen Maße die Apotheken betroffen ist, alle den Herausforderungen stellen müssen. „Das bedeutet, exzellent zu sein, sich nicht zurückzulehnen, weiter zu arbeiten wie bisher und auch Fort- und Weiterbildung ernst zu nehmen“, so Duchstein an die Studenten gewandt. „Sie sind nicht am Ziel, sondern stehen am Anfang“, mahnte er.

Zu Engagement auch in der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft rief DPhG-Präsident Professor Dr. Theodor Dingermann die scheidenden Studenten auf. „Wie sind ein wissenschaftliches Fach mit einer starken wissenschaftlichen Basis. Diese Basis gilt es zu stärken“, unterstrich er. In Zeiten, in denen der gesamte Berufsstand bedroht ist, sei „es gut, dass eine wissenschaftliche Gesellschaft aufstehen und sagen kann, dass das Arzneimittel nicht als Sündenbock für alles herhalten darf, sondern eines der wertvollsten Güter ist, die wir haben“.

Ehrendoktorwürde verliehen

Langanhaltenden Beifall fand die sehr bewegte Laudatio „Akademische Festlichkeit“ des ehemaligen Schülers und jetzigen Geschäftsführenden Direktor des Institutes für Pharmazie, Professor Dr. Detlef Geffken, zur Verleihung der Ehrendoktorwürde des Fachbereiches Chemie der Universität Hamburg an Professor Dr. phil. Gerwalt Zinner, Braunschweig. Geffken würdigte in seiner Rede den „Menschen Gerwalt Zinner und seine wissenschaftlichen Verdienste als Gesamtwerk“.

Der „Mensch Zinner“ zeichne sich nicht nur durch „herausragende wissenschaftliche Begabung und hohe Vortragskunst“, sondern auch durch „ungewöhnliche Kreativität, Wissbegier, Disziplin und Konzentrationsfähigkeit auf das Wesentliche“ aus. Seit Zinner 1965 nach Erlangung zahlreicher akademischer Grade als Ordinarius und Direktor des Institutes für Pharmazeutische Chemie an die TU Braunschweig berufen worden, habe er dieses Institut, obwohl ihn weitere ehrenvolle Rufe erreichten, bis zu seiner Emeritierung 1991 „mit großzügiger und unverwechselbarer Hand“ geführt, die Studenten mit seiner Großen Vorlesung beigeistert und mit vorbildlichem Einsatz und steter Aufgeschlossenheit ihr wissenschaftliches Interesse geweckt und gefördert.

Schöpferische Unruhe

Geffken verwies auf 57 Doktoranden und fünf Habilitanden, die Zinner zur Promotion und zur Erlangung des akademischen Grades eines Privat-Dozenten mit Lehrberechtigung an Hochschulen und Universitäten führte. „Dankbar“, so Geffken, erinnere er sich an die „prägenden Studien-, Promotions- und Habilitationsjahre am Braunschweiger Institut, in dem der Geist der Toleranz, der Freiheit sowie der schöpferischen Unruhe und fürsorgenden Begleitung waltete“.

Das wissenschaftliche Werk Zinners habe in herausragender Weise zum Verständnis der Eigenschaften labiler Bindungsklassen mit Stickstoff-Sauerstoff-, Stickstoff-Schwefel- und Stickstoff-Stickstoff-Bindungen beigetragen und zukunftsweisend sowohl die organische Synthese als auch die Wirkstoffchemie befruchtet. Mit schöpferischer Phantasie und hoher Experimentierkunst habe Zinner das komplexe Reaktionsverhalten des Hydroxylamins und Hydrazins entschlüsselt und eine große Vielzahl neuer, für Chemie, Pharmazie und Medizin gleichermaßen bedeutsamer Substanzklassen und reaktiver Intermediate erschlossen. Zinner-Reaktion und Zinner`s Procedure: Geffken verwies auf bekannte originelle und leistungsfähige Methoden, die rasch Eingang in das Syntheserepertoire des organischen Praktikers fanden und heute des Namen des Braunschweiger Wissenschaftlers tragen.

Horizonte eröffnet

Tiefgründige Studien zum Redoxverhalten und zum Aminierungspotenzial sowie zur Umlagerungstendenz von Acyloxyaminen habe Zinner auch mit der Frage nach deren Eignung als Bausteine in der Synthese heterocyclischer Systeme verknüpft und dabei mit dem 1,2,4-Oxadiazolidin-3,5-dion einen Körper gefunden, der später als Strukturmotiv des pharmakologisch aktiven Naturstoffs Quisqualinsäure erkannt wurde und heute als bioisostere Carboxylgruppe bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe und Agropharmaka Bedeutung genießt.

Gerwalt Zinner habe der Chemie des Hydroxylamins und des Hydralazins weite Horizonte eröffnet und sich um deren nutzbringende Anwendung in der Organischen Chemie verdient gemacht. Als leidenschaftliche Forscherpersönlichkeit und akademischer Lehrer hat er den hohen Rang der universitären Grundlagenforschung eindrucksvoll belegt und mit seinem Beispiel Maßstäbe gesetzt, hieß es in Hamburg. Top

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