Vorsicht vor der Prohormon-Falle |
01.03.2004 00:00 Uhr |
Die Versuchung ist groß: Immer wieder greifen Athleten zu Produkten, die ihre Leistung und Ausdauer steigern sollen. Besonders aus dem Ausland bezogene Nahrungsergänzungsmittel können risikoreiche, mitunter gesundheitsgefährdende Stoffe enthalten. Substanzen mit hormoneller Wirkung fallen in Deutschland unter das Arzneimittelgesetz und haben in Nahrungsergänzungsmitteln nichts zu suchen.
Breiten- und vor allem Leistungssportlern werden viele Präparate angeboten, die ihre sportliche Leistung fördern sollen. Nur selten halten diese, was sie versprechen. Dagegen ist die Gefahr groß, dass besonders „wirksamen“ Produkten nicht deklarierte Leistungsförderer beigemengt sind, die unter Umständen gefährliche Nebenwirkungen haben können. Bei allgemeinen sportlichen Aktivitäten bedarf es keiner besonderen Ernährung. Leistungssportler und Bodybuilder, die am Aufbau zusätzlicher Muskelmasse interessiert sind, müssen jedoch auf eine angepasste Zufuhr von essenziellen und semiessenziellen Nährstoffen achten.
In diesem Beitrag wird die Bewertung der häufigsten im Leistungssport und Bodybuilding eingesetzten Supplemente fortgesetzt. Wie im Titelbeitrag in PZ 8/04 werden die Stoffe in alphabetischer Reihenfolge besprochen.Kreatin
Der Einnahme von Kreatin wird ein positiver Effekt auf Kraft und Muskelmasse nachgesagt. Die maximale Kraftleistung könne unter Kreatinsubstitution länger aufrecht erhalten und der Zeitpunkt der Ermüdung hinausgezögert werden, so lautet die Hypothese.
Verschiedene Studien konnten einen Effekt auf die Schnellkraft bestätigen. Eine proteinanabole Wirkung konnte nicht nachgewiesen werden. Verstärkte intrazelluläre Wassereinlagerung bewirkte eine Vergrößerung des Zellvolumens. Ausdauersportler profitierten nicht von der Einnahme.
Kreatin ist eine körpereigene Substanz , die aus den Aminosäuren Arginin, Glycin und Methionin biosynthetisiert wird. In den proximalen Nierentubuli entsteht durch Übertragung der Guanidino-Gruppe von Arginin auf Glycin Ornithin und Guanidinoacetat. Letzteres wird nach seinem Transport in die Leber zu Kreatin methyliert und über den Blutkreislauf an die Gewebe verteilt, wobei sich die größte Menge im Muskel befindet. Täglich wird etwa 1 g synthetisiert. Die gleiche Menge wird zusätzlich mit der Nahrung aufgenommen. Überschüssiges Kreatin wird als Kreatinin über die Nieren ausgeschieden. Der Körper speichert rund 120 g Kreatin in der Skelettmuskulatur, davon liegen 60 Prozent als Phosphat vor, das an der anaeroben Energiebereitstellung beteiligt ist. Der Kreatingehalt des Muskels ist zum größten Teil für die Intensität und Dauer der Maximalbelastung entscheidend.
Kreatin ist unerlässlich bei der Bildung von Adenosintriphosphat (ATP), dem „Treibstoff“ der Muskeln: ohne ATP kein Antrieb und keine Kraftentfaltung. Durch Spaltung dieser Substanz entsteht Energie für die Muskelkontraktion. Die in der Muskulatur verfügbare ATP-Menge ist jedoch begrenzt und reicht nur für wenige Kontraktionen aus. ATP wird aber schon während seines Abbaus mit Hilfe von Kreatinphosphat nachgebildet. Unter anaeroben Bedingungen spaltet die Muskelzelle das Kreatinphosphat und überträgt die Phosphatgruppe auf Adenosindiphosphat (ADP).
Kreatinphosphat stellt eine Energiereserve dar, die jederzeit schnell verfügbar ist, um ATP zu regenerieren. Je höher der Kreatingehalt in der Zelle, desto mehr ATP kann nachgebildet werden und umso mehr „Treibstoff“ steht zur Verfügung. Geht der Vorrat an Kreatin und seinem Phosphat zur Neige, ist der Muskel darauf angewiesen, dass ATP aus dem Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel neu gebildet wird. Dies dauert jedoch wesentlich länger als die Bereitstellung von ATP aus Kreatinphosphat.
Studien am Menschen haben die Einschätzung bestätigen können, dass die Kreatingabe die Muskelkraft positiv beeinflusst. Dies gilt besonders für Sportarten wie Sprint, Weit- und Hochsprung und ähnliche Disziplinen, die in Intervallen kurzzeitig höchste Schnellkraftleistungen erfordern. Eine Erhöhung der Proteinsynthese und damit eine Zunahme der Muskelmasse ist nicht belegt; lediglich durch verstärkte intrazelluläre Wassereinlagerung kommt es vermutlich zur Vergrößerung des Zellvolumens.
Die Gabe von viermal täglich 5 g Kreatin über fünf Tage führte zu einer 20-prozentigen Zunahme des Kreatingehalts im Muskel, ergab eine Studie an aktiven Sportlern. Als Erhaltungsdosis reichten 2 g täglich über einen Zeitraum von 21 Tagen. Eine weitere Zufuhr konnte den Kreatingehalt nicht mehr erhöhen. Am meisten Kreatin wurde an den ersten beiden Tagen aufgenommen, die Speicherkapazität war nach fünf Tagen durch Sättigung voll ausgeschöpft.
Eine als risikolos angesehene, jedoch länger dauernde Alternative, den Kreatinpool zu erhöhen, besteht in der Einnahme von 3 g pro Tag über 28 Tage mit anschließender Erhaltungsdosis von 2 g an 21 Tagen.
Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der EU (SCF) rät, nach einem Zyklus mit einer Aufladedosis von 10 bis 20 g und einer Erhaltungsdosis von 2 bis 3 g eine mindestens vierwöchige Einnahmepause einzuhalten. Vor der kontinuierlichen Einnahme extrem hoher Dosen wird eindringlich gewarnt, da wissenschaftliche Studien über Langzeiteffekte fehlen. Als Nebenwirkungen einer Dauereinnahme wurden bislang eine reduzierte endogene Kreatinsynthese, vermehrte Wassereinlagerung, reduzierte intrazelluläre Verfügbarkeit von Magnesium und ein erhöhter Muskeltonus beobachtet. Auf Grund der Nierenbelastung durch die erhöhte Ausscheidung von Kreatinin trat in einem Fall eine interstitielle Nephritis mit Tubulusschaden auf.
Dosisabhängig wurden neben den leistungsfördernden (ergogenen) auch pharmakologische Wirkungen nachgewiesen. In einer 2000 publizierten Studie wurde die Konzentration von Wachstumshormon (STH, somatotropes Hormon) bei sechs Probanden nach einmaliger Einnahme von 30 g Kreatin im Vergleich zu Kontrollbedingungen untersucht. Die STH-Konzentration stieg signifikant um 83 +/- 45 Prozent an, variierte interindividuell jedoch erheblich. Die Hormonwerte erreichten ihr Maximum innerhalb von zwei bis sechs Stunden, während die maximale Kreatinkonzentration bereits eine Stunde nach der Applikation erreicht war. Inwieweit die erhöhte Wachstumshormonfreisetzung die Zellalterung und -regeneration beeinflusst, müssten weitere Studien mit größerer Probandenzahl zeigen.
Da sich die Zellen des zentralen und peripheren Nervensystems durch einen besonders hohen ATP-Umsatz auszeichnen, könnte der Einsatz von Kreatin möglicherweise auch bei neurodegenerativen und neuromuskulären Erkrankungen wie der Muskeldystrophie vom Duchenne-Typ, der Amyotrophen Lateralsklerose sowie Morbus Parkinson und Multipler Sklerose hilfreich sein. Ferner erregte eine Tierstudie Aufmerksamkeit, wonach Kreatin auch vor Alzheimer-Demenz schützen könnte, indem es die Bildung von b-Amyloid-Plaques und Glutamat verhindere.
Fazit: Eine befristete Kreatingabe kann die Muskelkraft besonders bei kurzzeitigen Spitzenbelastungen günstig beeinflussen. Kreatin-haltige Nahrungsergänzungsmittel sind in Deutschland verkehrsfähig. Etliche Produkte mussten jedoch aus dem Verkehr gezogen werden, da sie Prohormone enthielten. Ferner wurden Verunreinigungen mit Dicyandiamid, Dihydrotriazin und Kreatinin, die aus einem ineffizienten Herstellungsprozess herrühren, beanstandet.
Inzwischen werden im Internet Kreatinkonzentrate mit Guanidinoacetat und S-Adenosyl-L-Methionin als Methylgruppendonator angeboten. Eine forcierte endogene Synthese von Kreatin konnte nicht wissenschaftlich belegt werden. Stattdessen hatten einige Probanden erhöhte Homocysteinwerte. Von der Einnahme solcher oder ähnlicher, mit Betain als Methylgruppendonator kombinierten Produkten ist abzuraten.
Magnesium
Magnesium ist als Mineral von immenser Bedeutung für alle enzymatischen Reaktionen, die der Energiegewinnung und dem Aufbau von körpereigener Substanz dienen. Das Erdalkalimetall hat bei allen energetischen Prozessen eine Schlüsselfunktion, da es als Aktivator und Bestandteil vieler Enzyme sowohl den Kohlenhydrat- als auch den Proteinstoffwechsel katalysiert.
Fazit: Magnesium-Mangel kann die Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Regeneration stark beeinträchtigen. Vermehrte Muskelarbeit, forcierter Eiweißstoffwechsel und gesteigerter Energieumsatz erhöhen den Bedarf. Eine Supplementierung ist daher sinnvoll.
Mittelkettige Triglyzeride
MCT-Fette (Middle chain triglycerides) sind aus Fettsäuren aufgebaut, die eine Länge von sechs bis zwölf Kohlenstoffatomen haben. Sie werden ohne vorherige Aufspaltung direkt durch die Darmwand resorbiert. Sie gelangen über die Pfortader in die Leber und werden hier unmittelbar zur Energiegewinnung herangezogen. MCT-Fette liefern weniger Energie als langkettige Fettsäuren (LCT-Fette): 8,3 kcal/g versus 9,2 kcal/g. Man kann die „normalen“ Fette jedoch nur bedingt durch MCT-Fette ersetzen. Der Verzehr von MCT-Fetten kann Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auslösen. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass der Bedarf an essenziellen Fettsäuren durch die zusätzliche Gabe Linol- und Linolensäure-reicher Öle gedeckt wird.
Fazit: Für Patienten mit gestörter Gallensekretion, Pankreasinsuffizenz und Morbus Crohn ist eine Supplementierung mit MCT-Fetten durchaus sinnvoll, für Sportler und Diätwillige jedoch eher suspekt.
Ornithin-a-Ketoglutarat
OKG wird bei Verbrennungen und Mangelernährung eingesetzt, um eine Katabolie zu verhindern. In diesen Fällen wurde eine Stickstoffretention festgestellt. Der Einsatz von OKG im Leistungssport ist umstritten. In Deutschland ist es als Nahrungsergänzungsmittel nicht verkehrsfähig.
Orotsäure
Orotsäure kommt in natürlicher Form in der Milch vor. Dabei enthält die Kolostralmilch (Erstmilch nach der Geburt) die höchste Konzentration. Orotsäure übernimmt neben der Förderung des Zellwachstums auch wichtige Funktionen im Stoffwechselprozess. Sie galt lange Zeit als eine Substanz, die der menschliche Körper nicht herstellen kann und wurde deshalb auch als Vitamin B13 bezeichnet. Inzwischen weiß man, dass der Körper das Molekül selbst bilden kann.
Fazit: Der Einsatz im Sport zum Zweck der Leistungssteigerung und zur Beschleunigung der Regeneration bringt keine Vorteile.
Phosphatidylserin
Phosphatidylserin (PS) ist ein Glycerophosphatid, das am Phosphorsäurerest mit Serin verestert ist. Diese Verbindungen wurden früher als Kephaline bezeichnet, da sie vor allem als Membranlipide der Hirnsubstanz und im Nervengewebe gefunden wurden. Die Kephaline haben die gleichen Wirkungen wie die Lecithine und stellen Precursoren für hormonelle Funktionen dar.
Phosphatidylserin wird in geringen Mengen biosynthetisiert. Es reguliert den Flüssigkeitshaushalt der Zelle und hat zerebrale Regulatorfunktionen beim Informationsaustausch zwischen den Neuronen. Der gesunde, junge Mensch kann normalerweise ausreichende Mengen an Phosphatidylserin biosynthetisieren. Anders ist dies bei einem Mangel an L-Methionin, Folsäure, Vitamin B12 und essenziellen Fettsäuren sowie im Dauerstress. Dies gilt nicht nur für physischen, sondern insbesondere für geistigen und psychischen Stress. Hier könnte die Supplementierung Abhilfe schaffen.
Niedrige Werte von Phosphatidylserin im Gehirn werden mitunter mit verschlechterter mentaler Funktion und Depressionen in Zusammenhang gebracht. Diese Symptome findet man häufig bei älteren Menschen, die oft eine unzureichende Versorgung mit diesen Nährstoffen haben.
In einer Doppelblindstudie an Sportlern untersuchte man den Einfluss von Phosphatidylserin auf den Hormonspiegel. Die Verumgruppe erhielt zwei Wochen lang täglich 800 mg Phosphatidylserin, die andere Placebo. Unmittelbar nach dem Training wurden der Cortison- und der Testosteronspiegel gemessen sowie die mentale Situation erfasst. Die Verumgruppe wies durchgängig einen deutlich geringeren Cortisonwert auf. Das Absinken des Testosteronspiegels nach dem Training war stark verringert, und die Trainingsmentalität wurde als verbessert empfunden.
Fazit: Aus der Untersuchung wird gefolgert, dass die Supplementierung mit Phosphatidylserin die Regeneration nach dem Training fördern und somit auch vor Übertraining schützen könne. Da jedoch weder Dauer noch Probandenzahl ausreichend waren, müssten weitere Studien diesen Schluss bestätigen.
Prohormone
Eine große Gefahr für den Verbraucher stellen Stoffe dar, die eindeutig den Arzneimitteln mit pharmakologischer Wirkung zuzuordnen sind, aber national und international nicht als Arzneimittel erfasst werden. Hierzu zählen die Androgen-Prohormone. Diese Produkte sind in Deutschland weder als Arznei- noch als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig, der Verkauf ist strafbar.
Der Prohormon-Boom wurde durch Dehydroepiandrosteron (DHEA) ausgelöst. Später wurde die Testosteron-Vorläufersubstanz Androstendion intensiv als Mittel für Muskelwachstum, Leistungssteigerung und Verbesserung des Sexuallebens sowie des Wohlbefindens beworben. DHEA wird in den USA inzwischen sogar in Duty Free Shops auf Flughäfen als Life Style Droge gegen das Altern angeboten. Mittlerweile gibt es eine ganze Flut von Prohormonen auf dem amerikanischen Markt.
Ausgelöst durch den Fall Dieter Baumann wurden Nahrungsergänzungsmittel im Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln untersucht. Dabei wurden die verbotenen Steroidhormone auch in ausdrücklich als dopingmittelfrei gekennzeichneten Präparaten in geringen Mengen als Verunreinigung gefunden. Hierbei handelte es sich überwiegend um Kreatin- und Tribulus-terrestris-Produkte.
Dehydroepiandrosteron gilt als Hauptvertreter der schwach wirksamen Androgene der Nebennierenrinde und bildet sich als Zwischenstufe bei der Biosynthese von Testosteron und Estrogen. DHEA wird vom Körper altersabhängig sezerniert. Der größere Teil des im Blut zirkulierenden Steroids stammt aus der Nebennierenrinde, nur ein kleiner Teil aus den Hoden. Relativ wenig DHEA wird in der Körperperipherie, zum Beispiel in der Muskulatur, in Testosteron umgewandelt. Insgesamt schüttet der männlich Körper weniger DHEA aus als der weibliche.
Das Prohormon aktiviert die 5a-Steroidreduktase, die Testosteron zu Dihydrotestosteron (DHT) reduziert. Diese Substanz hat beim erwachsenen Mann eher nachteilige Wirkungen wie Prostatavergrößerung, Haarausfall und Akne. Da DHEA leicht in Estrogen umgewandelt wird und damit dessen Spiegel nachhaltig erhöhen kann, ist es dem Aufbau fett- und wasserfreier Muskelmasse nicht förderlich. DHEA (INN: Prasteron) zur intramuskulären Injektion ist als Medikament gegen Wechseljahrsbeschwerden bei Frauen im Klimakterium im Handel (Gynodian® Depot; verschreibungspflichtig). Die Bioverfügbarkeit nach peroraler Gabe ist wissenschaftlich nicht belegt.
Alle Veröffentlichungen über Androstendion basieren auf wissenschaftlichen Arbeiten, die 1960 in der DDR angefertigt wurden. Ab 1982 setzte man das Präparat als Dopingmittel ein. Eine Woche vor den Meisterschaften wurden alle dem Doping-Komitee bekannten Steroide mit anaboler Wirkung abgesetzt und gegen Androstendion ausgetauscht, um die anabolikafreie Phase bis zum Test zu überbrücken. Das Hormon wurde nasal appliziert, da die perorale Wirksamkeit auf Grund der fehlenden Alkylgruppe an C17 begrenzt ist. Das gilt für fast alle Prohormone mit Steroidgerüst. Nach Gabe von Androstendion steigt der Testosteronspiegel kurzfristig an. Dabei wird das natürliche Gleichgewicht von Testosteron und Epitestosteron jedoch nicht gestört, da das Prohormon schnell eliminiert wird. Praktisch für die gedopten Athleten: So ließ sich die Leistung aufrecht erhalten, ohne mit einem positiven Dopingtest aufzufallen.
Androstendion wirkt wesentlich stärker androgen und anabol als DHEA, jedoch schwächer als Testosteron. Es bewirkt einen negativen Feedback-Mechanismus, der auch durch Supplementierung ausgelöst werden könnte. Möglicherweise verdrängt es das stärker androgen und anabol wirkende Testosteron von den Rezeptoren. Die Rezeptorendichte könnte herunterreguliert werden.
Um den Testosteronspiegel nachhaltig zu beeinflussen, müsste man die Substanz wegen ihrer sehr kurzen Halbwertszeit mehrmals täglich verabreichen. Die Folge wäre ein Wirkungsverlust und damit ein Teufelskreis wie bei anderen dokumentierten Anabolika. Jedoch gibt es kaum wissenschaftliche Studien.
Fazit: Androstendion wirkt weder kraftsteigernd noch fördert es das Muskelwachstum. Die Nebenwirkungen sind schwerer als vermutet. Bei Patienten, die das Prohormon erhielten, sanken die HDL-Cholesterolwerte, und sie litten unter Gynäkomastie, starker Akne, Prostatavergrößerung und Haarausfall.
Kurz nach dem Comeback von Androstendion tauchte mit Androstendiol ein weiterer Testosteron-Precursor auf dem Markt auf. Auch diese Substanz ist im Plasma allenfalls in Spuren nachweisbar. Androstendiol entsteht als Zwischenstufe bei der Umwandlung von DHEA in Testosteron und ist wie Androstendion ein direkter Vorläufer von Testosteron. Auch zu dieser Substanz fehlen wissenschaftlich fundierte Daten. Alle postulierten Wirkungen basieren nicht auf seriösen Arbeiten, sondern sind rein spekulativ.
Prohormone der neueren Generation wie Norandrostendion und Norandrostendiol werden nicht in Testosteron, sondern in Nortestosteron umgewandelt. Da dieses keine Methylgruppe an C19 hat, kann es der Körper weder direkt zu Estrogen noch zu DHT umbauen. Die Konvertierung der Prohormone wird durch die Aktivität der 17b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase und 3b-Hydroxysteroid-Dehydrogenase in der Leber limitiert.
Nortestosteron ist unter Leistungssportlern als Nandrolon bekannt. Dies ist der Wirkstoff des wohl am besten wissenschaftlich dokumentierten Anabolikums Deca-Durabolin®, das zur Osteoporose-Behandlung zugelassen ist.
Fazit: Wissenschaftliche Daten zu Resorptionsquoten, Bioverfügbarkeit und Risiken von Norandrostendion und -diol bei peroraler Verabreichung liegen nicht vor. Mit Ausnahme von DHEA gibt es kaum Daten über die Nebenwirkungen von Prohormonen, da diese Stoffe nur von geringem Interesse für die Medizin sind. Um physiologisch relevante Konzentrationen im Blut zu erreichen, nehmen Kraftsportler große Mengen ein (1 bis 5 g und mehr pro Tag), was gesundheitlich bedenklich ist.
Inzwischen werden auch Kombinationen verschiedener Prohormone mit pflanzlichen Extrakten wie Chrysin und Methoxyisoflavonoiden angeboten. Die neuesten Produkte aus den USA haben zudem eine verbesserte Galenik. So gibt es zum Beispiel sublingual zu applizierende Prohormonpräparate mit Liposomentechnik oder Cyclodextrin als Matrix, die den First-pass-Effekt in der Leber umgehen sollen. Über die Wirksamkeit und Nebenwirkungen dieser Präparate liegen keine wissenschaftlichen Daten vor.
Das größte Problem stellt laut Dr. Nick Evans, Sportmediziner aus Los Angeles, jedoch die falsche Deklarierung solcher Produkte dar. Sehr häufig enthalten Prohormonpräparate andere Substanzen als angegeben, zum Beispiel nicht verkehrsfähige Anabolika oder Anabolika aus der Tiermast. So enthielten 10 Prozent aller Nahrungsergänzungsmittel, die über das Internet bezogen wurden, nicht deklarierte anabole Steroide. Dieses Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2001 bestätigte kürzlich eine aktuelle Untersuchung. Etliche Produkte, die mit Androstendiol deklariert waren, enthielten Testosteron und Boldenon, ein in der Veterinärmedizin verwendetes anaboles Steroid (eingetragenes Warenzeichen Equipoise).
Zurzeit erregt ein Designersteroid die Gemüter in der Sportszene. Tetrahydrogestrinon (THG) ähnelt in seiner chemischen Struktur den Anabolika Gestrinon und Trenbolon. Die Substanz ist nach derzeitigem Wissensstand weder toxikologisch noch klinisch untersucht. Auch THG wird von einer Firma angeboten, die überwiegend Nahrungsergänzungsmittel vertreibt.
Das verschreibungspflichtige Anabolikum Dianabol® mit dem Wirkstoff Metandienon, einem Methyltestosteron-Derivat, wurde bereits 1982 vom Hersteller Ciba Geigy wegen schwerwiegender Nebenwirkungen mit Todesfolge bei missbräuchlicher Anwendung weltweit vom Markt genommen. Die Substanz wird jedoch weiterhin von „Waschküchenchemikern“ produziert und als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Schwarzmarkt über das Internet angeboten.
Laut Dr. Hans Geyer vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln wurde im Zusammenhang mit einem aktuellen Dopingfall Metandienon in drei verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln gefunden. Die Produkte stammen aus den USA, wurden über eine Vertreiberfirma mit Sitz in England über das Internet angeboten und ohne Zollprobleme mit regulärer Post einer deutschen Adresse zugestellt. Es handelte sich um Hartgelatinekapseln mit pulvrigem Inhalt. Mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie und Hochdruckflüssigkeitschromatographie mit UV-Detektion wurde in allen drei Produkten ein hoher Metandienon-Wert nachgewiesen. Deklariert wurden die Präparate mit den nicht international anerkannten Verkehrsbezeichnungen „AD-4-Complex Nutrients“, „MetX Synergistic Blend“ und „1-T-Matrix“.
Fazit: Bei der vom Vertreiber angegebenen Dosierung werden Metandienon-Mengen von 25 bis 43 mg pro Tag erreicht. Die therapeutischen Dosierungsempfehlungen lagen ursprünglich bei 10 bis 15 mg und wurden später wegen häufiger Nebenwirkungen auf 5 mg täglich herunterkorrigiert. Die Erhaltungsdosis lag bei 1 bis 2 mg. Als Nebenwirkungen wurden Cholestase, Gynäkomastie, Hemmung der Spermatogenese, psychische Veränderungen und ein erhöhtes Herzinfarktrisiko angegeben. Auf Grund der Methylierung in C17 ist der Stoff, wie alle anderen in C17-Stellung alkylierten Steroide, selbst in niedrigen Dosierungen potenziell leberschädigend.
Proteinkonzentrate
Eine Erhöhung der Proteinzufuhr durch Proteinsupplemente kann in der Diätphase empfehlenswert sein. Um ein Produkt als sportgerechtes diätetisches Lebensmittel einstufen zu können, sollte dieses ein ausgewogenes Aminosäurenmuster aufweisen.
Da nur soviel Körperprotein synthetisiert werden kann, wie die defizitärste Aminosäure zulässt, führen abweichende oder minderwertige Proteingemische zu Imbalancen. Die Proteinbiosynthese ist zudem eng mit Vitamin B6 verbunden; daher sollten Eiweißprodukte für Sportler 0,02 mg Vitamin B6 pro Gramm Protein beinhalten. So kann der Leistungssportler, der sich einer Reduktionsdiät während des Trainings unterzieht, einen Nutzen aus den Supplementen ziehen. Der durchschnittliche Sportler deckt seinen Proteinbedarf in der Regel über den größeren Nährstoffkonsum.
Smilax
Smilax enthält Steroidsaponine, die aus den Wurzeln verschiedener Smilax-Arten gewonnen werden. Diese Steroidsaponine sollen als natürliche Testosteronquelle dienen und in der Langzeittheraphie den Testosteronspiegel anheben. Wissenschaftlich ist dies nicht untermauert.
Tribulus terrestris
Tribulus terrestris, der Erdburzeldorn, gehört zu den Zygophyllaceen und ist im Mittelmeerraum sowie in Asien beheimatet. Auch in Afrika ist er als eine für Weidetiere gefährliche Giftpflanze bekannt.
Tigogenin und Diosgenin, zwei Aglyka der in Tribulus terrestris enthaltenen Steroidsaponine, werden traditionell in Bulgarien zur Steigerung der Libido und neuerdings auch von Kraftsportlern zur Leistungssteigerung genutzt. Der verwendete Pflanzenextrakt enthält neben den Steroidsaponinen Ruscogenin, Gitogenin und Chlorogenin sowie die Flavonoide Quercetin als Glykosid, ein Kämpferöl-3-rutinosid und ein Kämpferöl-3-glucosid, Tribulosid und Rutosid. In den klettenartigen Früchten wurden ferner Lignanamide nachgewiesen.
Die Früchte sind in der Ayurveda-Medizin als Diuretikum und Mittel gegen Urolithiasis bekannt. Hinweise auf eine Wirkung als Aphrodisiakum und zur Leistungssteigerung sind in der wissenschaftlichen Literatur jedoch kaum zu finden. Nur in einer Untersuchung an Schafböcken wurden eine Steigerung des Blut-Testosterongehalts und eine Stimulierung der Hodenreifung beschrieben. Darauf stützen sich alle Werbeaussagen und Informationen in der einschlägigen Literatur.
Beworben werden schnellerer Muskelaufbau und Kraftsteigerung durch erhöhten Testosteronspiegel. Außerdem soll das Mittel gegen Impotenz bei Männern und Unfruchtbarkeit bei Frauen durch vermehrte Ausschüttung von Luteinisierendem Hormon wirken. Auf etwaige Nebenwirkungen wird nicht hingewiesen. So wurde bei Schafen und Ziegen, die das Kraut in größeren Mengen gefressen hatten, eine hepatogen bedingte Photosensibilisierung beobachtet. Die ikterogene Wirkung wird den Steroidsaponinen zugeschrieben. Intoxikationen beim Menschen sind nicht auszuschließen.
Fazit: Da weder die behaupteten Wirkungen belegt, noch die unerwünschten Wirkungen widerlegt sind, kann nicht zur Einnahme von Tribulus terrestris-Präparaten geraten werden. Einige Produkte sind bei Untersuchungen an der Sporthochschule Köln durch Verunreinigungen mit anabolen Steroiden aufgefallen.
Vanadylsulfat
Als „Steroid-Alternative mit insulinähnlicher Wirkung“ wird auch Vanadylsulfat angepriesen. Die Wirkungsweise soll der von Chrompicolinat entsprechen. Vanadylsulfat soll Muskeln „auf natürliche Weise“ ohne schädliche Nebenwirkungen aufbauen. Wissenschaftliche Studien werden nicht genannt.
Vanadium ist ein Spurenelement, das in menschlichen Geweben in einer Konzentration von 0,1 ppm enthalten ist und über die Nahrung in Mengen von 0,1 bis 1 mg pro Tag aufgenommen wird. Mangelerscheinungen und toxische Grenze sind nicht bekannt. Vanadiumvergiftungen bei Metallarbeitern führten zu Haarausfall und brüchigen Nägeln. Die Intoxikation löst einen Cystinmangel aus. Cystin ist als schwefelhaltige Aminosäure nicht nur Bestandteil von Haaren und Fingernägeln, sondern auch für die Glutathionbildung und damit für die Entgiftung von reaktiven Sauerstoffspezies von Bedeutung.
Fazit: Für Vanadylsulfat, das zum Muskelaufbau für Kraftsportler angepriesen wird, sind weder Wirkung noch Unbedenklichkeit in der Langzeitanwendung bewiesen. Vor der Einnahme muss dringendst gewarnt werden. In Deutschland ist es nicht verkehrsfähig.
Vitamin B6 (Pyridoxin)
Pyridoxin stellt die Vorstufe des biologisch aktiven Pyridoxalphosphats dar, das ein wichtiges Coenzym für eine Reihe von Enzymen ist. Für den Sportler ist in erster Linie die Beteiligung am Aminosäuren-Stoffwechsel interessant, bei dem es insbesondere für Transaminierungsreaktionen unentbehrlich ist.
Zur Vermeidung eines Abbaus von körpereigenem Eiweiß, zur Förderung der Regeneration und Aufrechterhaltung der Proteinsynthese in der Muskulatur kann der Bedarf in der Diät bei schwerem Körpertraining auf das Fünffache ansteigen. Der Pyridoxin-Bedarf hängt vom Proteinumsatz ab und steigt mit der Eiweißzufuhr. Der Bedarf an Vitamin B6 für ein Gramm Nahrungsprotein wird auf 0,02 mg geschätzt.
Fazit: Die Supplementierung ist sinnvoll. Um die Effizienz bei eiweißreicher Kost zu erhöhen, wird ein hoch dosiertes Komplexpräparat mit den Vitaminen B6, B12 und Folsäure empfohlen.
Vitamin B12 (Cyanocobalamin)
Vitamin B12 wird im Körper in die Wirkformen 5-Desoxy-adenosyl-cobalamin und Methylcobalamin umgewandelt. Diese sind als Coenzyme für Wachstum und Blutbildung erforderlich. Cyanocobalamin wird parenteral appliziert.
Fazit: Über einen sportspezifischen Mehrbedarf an Vitamin B12 ist relativ wenig bekannt. In der einschlägigen Literatur wird ihm durch Beteiligung an der Nucleinsäure-Biosynthese eine anabole Wirkung zugeschrieben. Dibencozide ist ein Vitamin B12-Derivat, das peroral gut resorbiert wird. Viele Kraftsportler sind von der anabolen Wirkung dieser Substanz überzeugt. Wissenschaftliche Studien sind nicht bekannt.
Literatur
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