Ammoniumbituminosulfonat statt Ammoniumsulfobitol |
28.02.2000 00:00 Uhr |
Mitteilungen der Chinosol-Fabrik, Seelze, zufolge wurde die Gewinnung der zur Herstellung von Tumenol-Ammonium erforderlichen Schieferöle aus der Grube Messel bei Frankfurt am Main eingestellt (1). Die Restbestände der Rezeptursubstanz seien bereits abverkauft worden. Für das im DAC monographierte Ammoniumsulfobitol sind deshalb keine Bezugsquellen mehr bekannt.
Die Substanz wurde wegen ihrer schwach antiseptischen und antiekzematösen Wirkung bei entzündlichen Hauterkrankungen in unterschiedlichen Zubereitungen angewendet. Vielleicht am bekanntesten war hierunter die im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) bereits gestrichene Arningsche Lösung (2, 3).
Im NRF (4) sind zwei Rezepturen betroffen, die wässrige und die ethanolhaltige Ammoniumsulfobitol-Zinkoxidschüttelmixtur (NRF-Vorschriften 11.2. und 11.4.). Diese Rezepturen müssten entweder gestrichen oder dem hierüber bereits gefassten Votum der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker folgend in dermatologisch geeigneter Form reformuliert werden. Als Ersatz für das wissenschaftlich ohnehin weniger gut dokumentierte Ammoniumsulfobitol (Tumenol-Ammonium) bietet sich die ähnlich beschaffene Ph.-Eur.-Substanz Ammoniumbituminosulfonat (Ichthammolum; Ichthyol-Ammonium, dunkel) an. Für helles Ammoniumbituminosulfonat (Leukichthol) liegt noch keine Arzneibuch- oder DAC-Vorschrift vor. Innerhalb der sulfonierten Schieferschwelöle bestehen zwar unter anderem bezüglich des Schwefelgehaltes in der Zusammensetzung und in der Beurteilung durch die im Zusammenhang mit der Nachzulassung von Human- und Tierarzneimitteln zuständigen Kommissionen (5, 6) deutliche Unterschiede. Zudem fehlen dermatologische Studien zur Wirksamkeit in Zinkoxidschüttelmixturen. Aber auch Ammoniumbituminosulfonat wird häufig in Konzentrationen zwischen 2 und 10 Prozent (7) in Form von Zinkoxidschüttelmixturen verordnet. Bei Verschreibungen darf der Austausch von Ammoniumsulfobitol durch Ammoniumbituminosulfonat nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.
Anlässlich der mit einem solchen Eingriff in die Rezepturformel verbundenen Aktualisierung bietet sich eine Überprüfung der in den NRF-Vorschriften bisher vorgeschriebenen Grundlagen, Lotio alba und Lotio alba spirituosa, in ihrer seit Jahrzehnten unveränderten Zusammensetzung (2, 4) an. Diese Suspensionen sind unter anderem wegen zu geringer antimikrobieller Wirksamkeit der wässrigen Rezeptur (8), der raschen Sedimentation der Feststoffe (7) und bestimmter Eigenschaften des enthaltenen Talkums kritisiert worden.
Dermatogen nehmen jedoch diese (vermeintlichen) Mängel in Kauf, um möglichst überschaubar zusammengesetzte und lokal gut verträgliche Schüttelmixturen rezeptieren zu können (7). Ein Austausch des Glycerol gegen das antimikrobiell wirkende Propylenglycol (8) und Cetylstearylalkohol-haltige Zusätze (4, 7, 9, 10) zur physikalischen Stabilisierung würden das irritative und kontaktallergene Potenzial erhöhen. Die gesundheitlichen Risiken durch Talkum begründen bei bestimmungsgemäßer Anwendung kaum ernsthafte Bedenken (11, 12). Seine mikrobiologische Qualität muss jedoch möglichst durch geeignete Sterilisationsmaßnahmen (4) in der Apotheke sichergestellt werden, da die mikrobiologische Reinheitsforderung der Arzneibuchmonographie für die cutane Anwendung nicht streng genug ist. Dies gilt trotz der antimikrobiellen Aktivität, die einige der Bestandteile (Ethanol, Zinkoxid, Ammoniumbituminosulfonat) haben. Talkum soll die Haftfähigkeit auf der Haut verbessern (7), vergleichende Untersuchungen zur Praxistauglichkeit Talkum-haltiger und Talkum-freier (9, 13) Rezepturen sind den Verfassern jedoch nicht bekannt.
Literatur
Heike Fischer, Dr. Holger Reimann,
Neues Rezeptur-Formularium (NRF),
Pharmazeutisches Laboratorium,
Carl-Mannich-Straße 20,
D65760 Eschborn
Die sulfonierten Schieferöle werden gelegentlich in Verbindung mit Steinkohlenteer und seinen Produkten und mit den Holzteeren genannt. Dies mag an ihrer zum Teil dunklen Farbe, dem charakteristischen Geruch, der zähflüssigen Beschaffenheit, ihrer Anwendung in der Ekzembehandlung und vergleichbaren Problemen bei der rezepturmäßigen Verarbeitung liegen. Umso wichtiger ist es, diese drei Stoffgruppen hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung und der völlig unterschiedlichen pharmakologisch-toxikologischen Beurteilung klar zu trennen.
Anmerkungen Monographien sind für den veterinärmedizinischen Bereich mit positivem Aufbereitungsergebnis für Ammoniumbituminosulfonat, dunkel, und Ammoniumbituminosulfonat, hell, sowie für Ammoniumsulfobitol publiziert worden (6). Die für den Humanbereich zuständige Kommission B 7 hat zunächst Monographie-Entwürfe für die Gruppe der sulfonierten Schieferöle als Grundlage für Stellungnahmen der beteiligten Kreise vorveröffentlicht (5), eine positive Beurteilung hatte allein Ammoniumbituminosulfonat, dunkel. Später sind dort auch Indikationen für die Stoffe Ammoniumbituminosulfonat, hell, (Leukichthol) und Natriumbituminosulfonat positiv bewertet worden (14), ohne dass es vor Auflösung der Kommission im Jahre 1994 zu weiteren Publikationen oder Vorpublikationen gekommen wäre. Mit Ausnahme für die betroffenen pharmazeutischen Unternehmer ist der interne Diskussionsstand in den Aufbereitungskommissionen keine frei zugängliche Information.
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