Indolimine aus Darmbakterien und das Krebsrisiko |
Sven Siebenand |
28.10.2022 16:30 Uhr |
Das Darmmikrobiom gilt mittlerweile als gesicherter Umweltfaktor in der Ätiologie von Krebs. / Foto: Adobe Stock/Alex
Schon längere Zeit ist man sicher, dass einige Bakterien die Darmgesundheit negativ beeinflussen, indem sie bestimmte Stoffwechselprodukte ausschütten. Escherichia-coli-Bakterien können beispielsweise die genotoxische Substanz Colibactin bilden. Colibactin-produzierende Bakterien wurden bereits in Modellen mit der Entwicklung von Darmkrebs in Verbindung gebracht.
Um herauszufinden, ob weitere Mikroben im Darm die Bildung von Darmtumoren durch ihre Stoffwechselprodukte begünstigen, untersuchte ein Team um Dr. Yiyun Cao von der Yale University in New Haven, USA, Stuhlproben. Im Fachjournal »Science« sind die Ergebnisse aktuell publiziert worden.
Die Forscher entdeckten eine Klasse von Genotoxinen, die Indolimine, die von der Bakterienspezies Morganella (M.) morganii produziert wird. Indolimine sind in der Lage, DNA-Doppelstrangbrüche zu verursachen. Für die Indolimin-Produktion sei das bakterielle Gen AAT essenziell, erklärt Dr. Julian Heuberger von der Berliner Charité. Bakterien mit mutiertem AAT-Gen würden keine entsprechende genotoxische Wirkung zeigen.
Beim Vergleich einer M. morganii-Mutante, die keine Indolimine produziert, mit den Indolimin-produzierenden M. morganii im Mausmodell fanden Cao und Kollegen heraus, dass die Indolimin-produzierende Variante die Tumorbildung im Darm begünstigt.
Welchen Nutzen hat das neue Wissen in der Praxis? Laut Heuberger zeigt die Arbeit, dass das individuelle Mikrobiom wichtige Informationen für einen Krankheitsverlauf liefern könnte. Aber: »M. morganii zu beseitigen, würde bestehende Karzinome nicht verändern.« Inwieweit das Bakterium eine Prädisposition zur Tumorentstehung fördere oder gar selbst eine darstelle, sei noch nicht ausreichend untersucht.
Dr. Gregor Gorkiewicz, Professor für Medizinische Mikrobiomforschung der Medizinischen Universität Graz, sagt: »Grundsätzlich eröffnet die Arbeit neue Perspektiven vor allem in der Prävention.« Denkbar seien sogenannte Biotherapeutika zur Prävention, also therapeutisch zugeführte sehr spezifische Darmmikroben, die Genotoxin-produzierende Stämme verdrängen können. »Bis dato existieren diese aber nicht.«