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Jetzt erst recht

04.10.2004  00:00 Uhr

Deutscher Apothekertag 2004

Jetzt erst recht

Die deutschen Apotheker trotzen den für sie einschneidenden Veränderungen im Gesundheitswesen mit einer zusätzlichen pharmazeutischen Offensive, sagte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertags in München. „Die Qualität der Arzneimittelversorgung in Deutschland ist im weltweiten Vergleich nach wie vor hervorragend.“

Damit das so bleibt, dürfe die soziale Marktwirtschaft nicht völlig liberalisiert werden, auch wenn die Globalisierung einen starken Reformdruck auf die einzelnen Länder ausübt. Das Beispiel USA zeige die dann unausweichliche Folgen: Weniger Personal in den Apotheken, um Kosten zu sparen – und damit nahezu keine Möglichkeit, den Patienten zu beraten. „Will das der Bürger in Deutschland? Ich bin sicher, er will es nicht“, bekräftigte Friese.

Er warnte ebenfalls davor, bei der europäischen Harmonisierung des Universitätsstudiums den freiberuflichen, selbstständigen Apotheker zu einem angestellten Bachelor in Apothekenketten zu schmälern. Die deutsche Regierung sollte nicht unnötig und vorschnell Konzepte einiger Nachbarstaaten übernehmen, wie bereits die Erlaubnis des Versandhandels. In der aktuellen Diskussion um die regionale Versorgung von Krankenhäusern hofft Friese nun auf die Einsicht der Politiker. Eine zentrale Arzneimittelversorgung durch einen „Teleapotheker“ könne auch nicht in ihrem Sinne sein. „Das vom Apotheker losgelöste Arzneimittel ist eine nicht hinnehmbare Entwicklung!“, stellte Friese im Namen der Apothekerschaft fest und erntete dafür den Beifall der Anwesenden.

Den Patienten sieht Friese weiterhin als Verbündeten der Apotheker, er bevorzuge die wohnortnahe Apotheke etwa gegenüber dem Versandhandel. An ihm werde die ABDA auch weiterhin ihre Konzepte ausrichten. Die 3,5 Millionen Kundenkontakte täglich schaffen Vertrauensverhältnisse, die gerade im Umgang mit Kranken notwendig sind. Die Politik hingegen beachte zu wenig die soziale Kompetenz der Apotheker, verunsichere darüber hinaus mit zahlreichen Reformen weiterhin die Patienten.

Sinnvolle Reformen unterstützen

„Der Arzneimittelbereich ist belastungsmäßig ausgepresst“, stellt Friese fest. Überdies liegen die Einsparungen im Pharmabereich auch „voll im Plan“. So habe die öffentliche Apotheke im Jahr 2003 weit über eine Milliarde Euro eingespart, 2004 werde die Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) allein durch das neue Kombimodell und damit die Apotheken 500 Millionen Euro weniger Ausgaben haben. „Die Arzneimittelrechnung der GKV wird in 2004 vermutlich um gut drei Milliarden Euro niedriger ausfallen als in 2003“, prognostizierte Friese. Mit einem durchschnittlichen Beitragssatz von 14,2 Prozent seien die gesetzlich Krankenversicherten jedoch noch weit von den versprochenen 13,6 Prozent entfernt, kritisierte der ABDA-Präsident. Jetzt gelte es, die Einnahmeseite der Krankenkassen anzugehen. Die anstehende Finanzreform müsse allerdings tatsächlich Probleme dort lösen, wo sie entstanden sind, müsse nachhaltig und den Menschen vermittelbar sein.

An den notwendigen Reformen werde sich die ABDA weiterhin konstruktiv beteiligen, sagte Friese und rief junge Apothekerinnen und Apotheker zur Mitarbeit auf. Dabei werde die ABDA ihre Positionen und Argumente auch auf europäischer Ebene verstärkt einbringen, und zwar über ihre eigene Europavertretung, den Zusammenschluss der Apotheker in der EU (ZAEU) sowie über Europaabgeordnete. „Für mich stellt sich die Frage, ob die EU nicht zunehmend geeignet ist, uns letztlich vor der deutschen Politik zu schützen“, so Friese. Denn hierzulande würden derzeit sämtliche regulierten Verhältnisse und Strukturen in Frage gestellt. Sinnlosen Reformbestrebungen müssten jedoch widersprochen und Bewährtes behalten werden können, ohne rückständig und als „ewig gestrig“ zu gelten. „Wir haben viel Neues gewagt und natürlich wollen wir weiterhin Neues wagen, aber doch nur, wo es tatsachlich Sinn macht – und schon gar nicht um jeden Preis.“

Was die Zukunft bringt

Friese riet allen Apothekern, nicht aus der Verunsicherung heraus vorschnell Kooperationen einzugehen. Dachmarken und Franchisesysteme von Nichtapothekern bezeichnete der ABDA-Präsident als höchst gefährlich und „drohenden Einstieg in die freiwillige Fremdbestimmung“. Stattdessen riet er zu Hilfsangeboten aus dem Berufsstand für Abrechnung, Einkauf oder Marketing.

In der aktuellen Diskussion steht vor allem auch die elektronische Gesundheitskarte, die zum 1. Januar 2006 eingeführt werden soll. Für die ABDA waren und sind hier zwei Punkte von besonderer Bedeutung, erklärte Friese. Laut den Verhandlungsergebnissen können die Krankenkassen erst nach der Abrechnung auf das elektronische Rezept zugreifen, was eine Steuerung der Arzneimittelabgabe durch die GKV vereitelt. Zum anderen wollte die Dachorganisation neben dem elektronischen Rezept auch die freiwillige Arzneidokumentation auf der Gesundheitskarte ermöglichen. Entscheidet sich der Versicherte für einen solchen Arzneimittelpass, erreiche die Arzneimittelberatung und die pharmazeutische Begleitung seiner Gesamtmedikation einen „neuen Standard“, so Friese. Innerhalb von Millisekunden werden eventuelle Arzneimittelprobleme am Computer angezeigt, die der Apotheker gemeinsam mit dem Patienten beziehungsweise mit dem Arzt begegnen kann. „Interpretation und Kommunikation von Arzneimittelproblemen werden zukünftig ein ganz beherrschendes Element unserer Berufsausübung sein“, gab sich Friese überzeugt. Neben der Freundlichkeit bei der Bedienung und der Servicebereitschaft müssten die Apotheker stets weiter an der pharmazeutischen Kompetenz arbeiten und diese erfahrbar machen. „Im Mittelpunkt aller Reformen müssen immer die Versorgungsqualität und die Arzneimittelsicherheit stehen!“

Abschließend rief der ABDA-Präsident zur Einheit des Berufsstandes nach innen auf. Denn nur so könne die Dachorganisation erfolgreich die politischen Interessen der Apotheker nach außen vertreten. Um Identifikationsprobleme einzelner Apotheker mit der ABDA zu beheben, sollten die Landesapothekerkammern und -verbände der Basis die Beschlüsse auf Bundesebene stärker erläutern und ihren Mitgliedern näher bringen.

„Was die Perspektive für den Beruf der Apothekerin und des Apothekers wie für die Institution Apotheke angeht, so haben wir allen Grund, selbstbewusst und optimistisch in die Zukunft zu schauen“, resümierte Friese. Schließlich arbeiten Apotheker in einem Wachstumsmarkt, Patienten wünschten verstärkt eine sichere Arzneimittelanwendung sowie eine Individualbetreuung, die die ortsnahe Apotheke bieten könnte. „Sicherheit, Freiheit, Information, menschliche Zuwendung, Qualität und unabhängige Beratung. Im Arzneimittelbereich geht das nicht ohne uns.“

 

Kommentar: Verantwortung übernehmen Vor dem Hintergrund, dass die soziale Bedeutung des Apothekers von der Bevölkerung anerkannt, von der Politik aber nicht ausreichend bedacht wird, nahm der Deutsche Apothekertag 2004 eine besondere Stellung ein. Es galt die Auswirkungen des Beitragssatzsicherungsgesetzes aus dem Jahr 2003 und die des seit dem 1. Januar 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) zu kommunizieren. Und zwar nicht nur die Auswirkungen auf die Apotheken, sondern auch auf die Gesellschaft, besonderes auf die Patienten. Dabei war es auch wichtig, der Öffentlichkeit und der Politik deutlich zu machen, dass der Berufsstand reformwillig war und ist. Viele Neuerungen, die mit dem GMG eingeführt wurden, wie zum Beispiel die neue Arzneimittelpreisverordnung, wurden von der Apothekerschaft initiiert. Der Vorwurf der Politik, die Apotheker würden ihrer Tradition nachhängen, ist einfach falsch. Andererseits ist es auch legitim, wenn die Apothekerschaft die Politik fragt, welchen Nutzen gesetzlich verordnete strukturelle Änderungen haben sollen.

Für die Zukunft und die Glaubwürdigkeit des Berufsstandes ist es außerordentlich wichtig, dass allmählich auch die jüngere Generation in den Gremien mitarbeitet und Verantwortung übernimmt, um ihren Elan und ihre Kreativität in die berufspolitische Arbeit einfließen zu lassen. Die diesjährige Hauptversammlung der deutschen Apotheker in München bot dazu eine echte Chance.

Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur

 

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