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Dexamethason bei Covid-19

Immunreaktion nur vorübergehend beeinträchtigt

Dexamethason ist Therapiestandard bei Covid-19-Patienten, die invasiv beatmet werden müssen. Das wirft die Frage auf, ob das Glucocorticoid mit dem Aufbau eines Immunschutzes durch die Infektion interferiert. Nur marginal, so das Ergebnis einer aktuellen Studie.
Theo Dingermann
13.03.2023  12:30 Uhr

Bis heute sind systemisch applizierte Corticosteroide eine der wenigen therapeutischen Optionen, die zur Verfügung stehen, um bei schwerem Covid-19 die überschießende Immunreaktion zu kontrollieren. Wie sich dies auf die Langzeitimmunität der Patienten auswirkt, hat eine Gruppe um Dr. Charlotte Thibeault von der Abteilung für Infektiologie und Pneumonologie der Berliner Charité untersucht. In einer Arbeit, die jetzt in »JCI Insight« publiziert wurde, widmete sie sich folgenden Fragen:

Wie hoch sind die Konzentrationen von SARS-CoV-2-Spike-spezifischen T-Zellen, Antikörpern und neutralisierenden Antikörpern bei Patienten während der akuten Krankheitsphase bis zu sechs Monate nach Auftreten der Symptome,

  1. die leicht bis mittelschwer an Covid-19 erkrankt waren,
  2. die vor der Einführung von Dexamethason als Standardtherapie bei schweren Covid-19-Verläufen schwer erkrankt waren und somit nicht mit Dexamethason behandelt wurden, und
  3. die schwer an Covid-19 erkrankt waren und mit Dexamethason behandelt wurden?

Transiente Effekte auf das Immunsystem

Die Forschenden beobachteten im Zusammenhang mit einer Dexamethason-Behandlung während der akuten Phase der Krankheit eine von der Norm abweichende Entwicklung der Konzentrationen von C-reaktivem Protein (CRP), Procalcitonin (PCT), Interleukin-6 (IL-6), Lactatdehydrogenase (LDH) und neutrophilen Granulozyten. Diese Ergebnisse bestätigen frühere Studien, wonach Dexamethason bei Covid-19-Patienten mit akutem Atemnotsyndrom eine Neutrophilensuppression vermittelt. Zudem zeigen die Daten unter einer Dexamethason-Behandlung während der akuten Krankheitsphase und danach bis zu drei Monate vorübergehend geringere Konzentrationen an CD4+-T-Zellen, die auf das SARS-CoV-2-Spike-Protein reagieren.

Die Wirkung von Dexamethason auf CD8+-T-Zellen war in der Studie weniger tiefgreifend. Bei diesem Teilergebnis mahnen die Forschenden aber Vorsicht an, da eventuell für diese Analysen nicht das beste Analysenmaterial verwendet wurde.

Darüber hinaus beobachteten die Forschenden auch niedrigere RBD-bindende IgG-Spiegel und weniger neutralisierende Antikörper in Verbindung mit einer Dexamethason-Behandlung bis zu einem Monat nach der Infektion.

Somit bestätigen die Daten einen immunsuppressiven Effekt durch eine Dexamethason-Behandlung auf die T-Zell- und B-Zell-Immunität während und kurz nach der Behandlung bei schwer betroffenen Covid-19-Patienten. Erfreulicherweise gleicht sich jedoch dieser Effekt sechs Monate nach der Infektion wieder aus.

Bei leicht und schwer betroffenen Covid-19-Patienten wurde in der akuten Phase eine unterschiedliche Entwicklung der Marker für Entzündungen und Gewebeschäden beobachtet. Verlief die Krankheit milde, zeigte sich eine kurzlebigere adaptive Immunantwort im Vergleich zu Patienten, die schwer an Covid-19 erkrankt waren, was auch früher bereits beschrieben wurde.

Bemerkenswert ist zudem, dass ab dem dritten Monat bei 40 Prozent der leicht betroffenen Patienten keine neutralisierenden Antikörper gegen die Delta-Variante nachweisbar waren. Daraus leiten die Autoren ab, dass solchen Patienten eine Impfung zu einem frühen Zeitpunkt nach Erkrankung zu empfohlen werden sollte.

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