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CAR-T-Zellen

Hochwirksame individualisierte Krebstherapie

In der EU sind fünf CAR-T-Zelltherapien als Immunonkologika zugelassen. Sie haben unterschiedliche Indikationen und Zielantigene. Die teuren Gentherapien sind hochwirksam, haben aber auch Risiken. Das machte Dr. Sina Oppermann beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran deutlich.
Christina Hohmann-Jeddi
31.05.2022  11:00 Uhr

»Leukämien sind bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems, an denen jedes Jahr in Deutschland etwa 13.700 Personen erkranken«, sagte Oppermann. Diese Erkrankungen seien schlecht zu behandeln und aggressiv. Einen Fortschritt in der Therapie stellen die sogenannten CAR-T-Zelltherapien dar, von denen seit 2018 inzwischen fünf zugelassen sind.

»Bei CAR-T-Zellen handelt es sich um eine lebende Zelltherapie«, sagte die Pharmazeutin, die am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg die Gruppe für Translationale Pädiatrische Pharmakologie innerhalb der Abteilung Pädiatrische Onkologie leitet. Zugelassen ist im Prinzip ein Prozess, denn das Therapeutikum wird aus den Immunzellen des Patienten für diesen individuell hergestellt. Hierfür wird dem Patienten in speziellen Zentren Blut abgenommen, die T-Lymphozyten daraus isoliert und diese gentechnisch so verändert, dass sie einen speziellen Rezeptor (CAR) exprimieren, der an die entarteten Blutzellen bindet. Die veränderten, vermehrungsfähigen T-Zellen werden dem Patienten zurückinfundiert und können im Körper die entarteten Blutzellen angreifen und in die Apoptose schicken.

Drei Domänen des CAR

»CAR steht für chimärer Antigenrezeptor«, erklärte Oppermann. Dieser bestehe aus mehreren Domänen: Die Bindedomäne, die das gewünschte Zielantigen erkennt, ist mit einer Transmembrandomäne verbunden, die das Protein in der Membran verankert und auf die schließlich die Signaldomäne folgt. Letztere sorgt für die Aktivierung der T-Zelle bei Kontakt mit dem Zielantigen. Da die Therapien der ersten Generation noch nicht für eine ausreichende Aktivierung der T-Zellen sorgten, wurden in die CAR für die zweite Generation noch kostimulierende Faktoren eingefügt, berichtete die Referentin.

Die fünf zugelassenen Therapien unterscheiden sich in ihren Zielantigenen und den kostimulierenden Faktoren. Tisagen-Lecleucel (Kymriah®), Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®), Brexucabtagen autoleucel (Tecartus®) und Lisocabtagen maraleucel (Breyanzi®) richten sich jeweils gegen das Oberflächenprotein CD19 auf B-Zellen. Indikationen sind die akute lymphatische Leukämie, das diffuse großzelllige B-Zell-Lymphom sowie das Mantelzell-Lymphom. Idecabtagen vicleucel (Abecma®) ist gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf Plasmazellen gerichtet, die beim Multiplen Myelom entartet sind.

»Die Therapien haben beeindruckende Ansprechraten, sie haben aber auch massive Nebenwirkungen«, sagte Oppermann. So entwickelte die Mehrheit der Behandelten ein Zytokinfreisetzungssyndrom. Dies entstehe, wenn die CAR-T-Zellen »tun, was sie tun sollen«, informierte Oppermann. Bei Kontakt mit Krebszellen setzten sie Zytokine frei, was weitere Immunzellen anlocke und zu einer weiteren Zytokinfreisetzung führe, die letztlich Organe schädigen könne. Behandelbar sei das Syndrom mit dem IL-6-Antagonisten Tocilizumab.

Aufgrund der möglichen Komplikationen würden Patienten in der Regel etwa zehn Tage auf Station und mindestens vier Wochen ambulant nachbetreut. Da die Rate der Komplikationen bei Breyanzi geringer sei als bei den anderen Präparaten, könne dieses eingeschränkt ambulant angewendet werden.

Prinzipiell ließen sich CAR-T-Zellen gegen jede Tumorart entwickeln, wenn diese ein geeignetes Antigen aufweise. Geforscht wird derzeit an Therapien gegen solide Tumoren, zum Beispiel mit den potenziellen Zielantigenen Claudin-6 , HER-2 (Brust- oder Glioblastome) und GPC-3 (Leberzellkarzinome). Auch für die Indikationen HIV-Infektion und Autoimmunerkrankungen liefen Studien mit CAR-T-Zellen.

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