Hinweise auf Mutationen durch Molnupiravir |
Theo Dingermann |
06.02.2023 18:00 Uhr |
Allerdings betont auch Professor Dr. Ravindra Gupta, klinischer Mikrobiologe an der University of Cambridge, gegenüber »Science«, dass die aktuellen britischen und australischen Studien nicht beweisen, dass Molnupiravir die Entstehung gefährlicher neuer SARS-CoV-2-Varianten verursacht. Er argumentiert aber, dass der Einsatz des Medikaments aus einem anderen Grund das Risiko nicht mehr wert sein könnte: wegen seines begrenzten Nutzens.
Denn gemäß einem zweiten Bericht, der am 28. Januar in »The Lancet« erschien, bietet Molnupiravir zumindest bei Personen, die gegen Covid-19 geimpft waren, nur begrenzte Vorteile. Hier hatten Professor Dr. Christopher C Butler von der University of Oxford und Kollegen Daten von 26.411 geimpften Studienteilnehmern ausgewertet, von denen etwa die Hälfte mit Molnupiravir behandelt worden war. Sie konnten zeigen, dass der Wirkstoff zwar die Schwere der Symptome reduzierte und die Genesungszeiten der Patienten verkürzte, dass die Behandlung jedoch die Häufigkeit von Covid-19-assoziierten Krankenhauseinweisungen oder Todesfällen bei Erwachsenen mit hohem Risiko nicht verringerte.
Betrachtet man die heute verfügbaren pharmazeutischen Optionen gegen Covid-19, kann man mit Blick auf die Impfstoffe begründet von einem pharmazeutischen Wunder sprechen. Das gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der kurzen Entwicklungszeit der hoch wirksamen RNA-basierten Impfstoffe, die entscheidend zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen haben.
Auch bei der Entwicklung von Arzneistoffen zur Behandlung von Covid-19-Patienten sind beachtliche Erfolge erzielt worden, wobei die Breite an verfügbaren Therapieoptionen nicht annährend mit dem Angebot an Impfstoffen mithalten kann. Dies liegt zum einen daran, dass die monoklonalen Antikörper gegen SARS-CoV-2 wegen der Virusmutationen ihre Wirksamkeit erheblich bis ganz eingebüßt haben. Zum anderen steht bislang nur eine begrenzte Zahl von maßgeschneiderten Virostatika zur Verfügung: Mit den beiden Polymerase-Inhibitoren Remdesivir (Veklury®) und Molnupiravir (Lagevrio®) sowie der Kombination aus den beiden Protease-Inhibitoren Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid™) ist die Liste der verfügbaren Arzneistoffe mehr als übersichtlich.
Sie könnte bald sogar noch kürzer werden. Denn die starken Hinweise darauf, dass Molnupiravir die Evolution von pathogenen SARS-CoV-2-Varianten beschleunigen könnte, machen es aus pharmazeutisch-medizinischer Sicht sinnvoll, den Einsatz des ursprünglich als Grippemittel konzipierten Virostatikums stark einzuschränken oder gar auszusetzen. Dies gilt umso mehr, als mit Paxlovid ein Medikament mit deutlich geringerem Gefahrenpotenzial und besserer klinischer Wirksamkeit zur Verfügung steht. Zudem besitzt Paxlovid eine EU-Zulassung, die Lagevrio – wohl aus gutem Grund – noch immer nicht erhalten hat, obwohl es auch in der EU verordnet werden kann. Die Trias Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität muss auch bei den Arzneimitteln gegen SARS-CoV-2 die Grundlage für den klinischen Einsatz sein.
Professor Dr. Manfred Manfred Schubert-Zsilavecz
Mitglied der erweiterten Chefredaktion
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.