Hilft ein spezielles Mikrobiom sehr alten Menschen? |
Theo Dingermann |
02.08.2021 12:30 Uhr |
In Japan leben besonders viele über Hundertjährige. Schon lange wird postuliert, dass dies mit der Ernährung zu tun hat. / Foto: Getty Images/Eri Miura
Wieso erreichen einige Menschen ein erstaunlich hohes Alter? Diese Frage ist von enormer Reichweite, denn wer will nicht lange leben, zumindest bei guter Gesundheit? Gleichzeitig jedoch ist die Frage enorm komplex. Nun wird dieses Puzzle durch die Ergebnisse einer in »Nature« publizierten Arbeit japanischer und US-amerikanischer Forscher um Yuko Sato, um einen kleinen Baustein ergänzt.
Ziel ihrer Forschung war das Mikrobiom. Das experimentelle Design beruhte auf der Charakterisierung der Mikrobiota von Japanern dreier Altersgruppen: Sehr alte Menschen (> 100 Jahre; 160 Probanden), ältere Menschen (85 bis 89 Jahre; 112 Probanden) und jüngere Menschen (21 bis 55 Jahre; 47 Probanden). Wäre es möglich, dass sich die Mikrobiota dieser drei Alterskollektive charakteristisch unterscheiden? Und stimmt die Vermutung, dass die Zusammensetzung der Darmmikrobiota bei Hundertjährigen mit der extremen Langlebigkeit zusammenhängt? Wenn sich dies bestätigen würde, bliebe noch die Frage nach dem genauen Mechanismus.
Die Hypothese der Wissenschaftler bestätigte sich tatsächlich. Ihnen gelang es zu zeigen, dass die Gruppe der sehr alten Menschen ein charakteristisches Darmmikrobiom besitzt, in dem Mikroorganismen angereichert sind, die bestimmte sekundäre Gallensäuren synthetisieren. Zu diesen speziellen Gallensäuren gehörten Iso-, 3-Oxo-, Allo-, 3-Oxoallo- und Isoallo-Lithocholsäure (LCA).
Denkbar wäre es, dass diese speziellen Gallensäuren zur Langlebigkeit dadurch beitragen, dass sie das Wachstum von Darmpathogenen hemmen. Das könnte dazu führen, dass diese Menschen weniger anfällig sind für altersbedingte chronische Krankheiten und Infektionen als ältere und jüngere Menschen.
Die Autoren identifizieren eine Reihe von Bakterien, die für die Produktion der sekundären Gallensäuren verantwortlich sind. Vor allem Spezies der Odoribacteraceae erwiesen sich als effektive Produzenten von Isoallo-Lithocholsäure (IsoalloLCA). Dies ließ sich in vitro und in vivo zeigen. Darüber hinaus charakterisierten sie auch die Biosynthese von IsoalloLCA. Hier spielen die Enzyme 5α-Reduktase (5AR) und 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3βHSDH) eine entscheidende Rolle.
IsoalloLCA entfaltet eine starke antimikrobielle Wirkung gegen grampositive (aber nicht gramnegative) multiresistente Krankheitserreger, einschließlich Clostridioides difficile und Enterococcus faecium. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der spezifische Gallensäurestoffwechsel an der Verringerung des Risikos einer pathobiontischen Infektion beteiligt sein könnte und dass dieser Stoffwechsel möglicherweise zur Aufrechterhaltung der intestinalen Homöostase beiträgt.
Da liegt es auf der Hand zu spekulieren, dass es möglich sein könnte, die besonderen Eigenschaften der in dieser Studie identifizierten Bakterienstämme zur Metabolisierung von Gallensäuren zu nutzen, um den Gallensäurepool positiv zu manipulieren. Allerdings, so die Wissenschaftler, sind weitere Studien erforderlich, um den Zusammenhang zwischen den speziellen Gallensäuren und Langlebigkeit zu bestätigen.