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Assistierte Reproduktion

Hilfe bei unerfülltem Kinderwunsch

Der Wunsch nach Nachkommen ist ein elementares Bedürfnis der meisten Menschen. Allerdings bleibt dieses bei jedem sechsten bis siebten Paar zunächst unerfüllt. Dank der modernen Reproduktionsmedizin haben viele Paare dennoch eine realistische Aussicht auf ein eigenes Kind.
Katharina Holl
03.02.2019  08:00 Uhr

Ein Meilenstein in der Entwicklung der Reproduktionsmedizin war die Geburt des ersten per In-vitro-Fertilisation (IVF) gezeugten Babys Louise Brown vor mittlerweile 40 Jahren in Großbritannien. Seither haben sich die theoretischen und praktischen Erkenntnisse auf diesem Gebiet vervielfacht, sodass heute zahlreiche Techniken zur Verfügung stehen. Die bedeutsamsten werden hier vorgestellt.

Laut WHO-Definition besteht ein unerfüllter Kinderwunsch, wenn trotz regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs über mindestens zwölf Monate hinweg keine Schwangerschaft eintritt (1). Ist dieser Zeitraum überschritten, sollte der Arzt den Paaren zu einer Abklärung der Ursachen raten.

Man schätzt, dass die Ursachen für eine eingeschränkte Fertilität zu jeweils 30 Prozent beim Mann, bei der Frau und bei beiden Partnern liegen. In 10 Prozent der Fälle kann keine Ursache ermittelt werden (Tabelle 1) (2).

Geschlecht Mögliche Ursachen
Mann Fehlbildungen oder verletzungsbedingte Schädigung der Hoden, Entzündungen der Hoden, Nebenhoden oder Prostata, Krampfadern im Hoden (Varikozele), hormonelle Störungen, Mumps in der Kindheit
Frau Schädigungen der Eierstöcke oder der Eileiter, hormonelle Funktionsstörungen, Entzündungen der Eierstöcke und/oder Eileiter, die zum ­Verkleben und damit zur Undurchlässigkeit führen können (Adnexitis), Endometriose (Vorhandensein von Gebärmutterschleimhaut außerhalb des Uterus), Myome (gutartige Tumoren der Uterusmuskulatur), polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO)

Bei beiden Geschlechtern können zudem Autoimmunerkrankungen, Schilddrüsenfehlfunktion, Chlamydien-Infektion, Umweltnoxen, Ernährungsaspekte, Arzneimittel, Bestrahlung (zum Beispiel bei onkologischen Therapien), Drogen, Alkohol und nicht zuletzt psychische Faktoren eine Rolle spielen.

Bei der Erstberatung wird idealerweise bei beiden Partnern eine umfassende Anamnese einschließlich Familienanamnese erhoben. Zudem erfolgt eine körperliche Untersuchung mit Ultraschall der Geschlechtsorgane. Anatomische Ursachen wie Varikozelen (Krampfadern im Hodensack) beim Mann oder Myome, verklebte Eileiter oder Endometriose-Herde bei der Frau können in vielen Fällen chirurgisch behoben werden. Bei der Frau ist dies unter Umständen bei einer Laparoskopie (Bauchspiegelung) möglich.

Diagnostik beim Mann

Beim Mann erfolgt die Untersuchung der Spermaqualität mithilfe eines Spermiogramms. Hierzu werden im Ejakulat, das nach drei- bis fünftägiger Karenzzeit durch Masturbation gewonnen wird, Anzahl, Morphologie und Mobilität der Spermien bestimmt. Die Auswertung sollte nach den aktuellen WHO-Kriterien erfolgen (3).

Weiterhin ist zu beachten, dass ein Spermiogramm immer nur eine Momentaufnahme darstellt und daher bei auffälligen Werten nach acht bis zwölf Wochen wiederholt werden muss. Sind keine oder nur extrem wenige Spermien im Ejakulat vorhanden, kann der Arzt mittels Punktion der Hoden abklären, ob grundsätzlich eine Produktion von Spermien stattfindet.

Parallel zum Spermiogramm werden in der Regel die Hormone aus dem Blut bestimmt: freies Testosteron, Luteinisierendes Hormon (LH), Follikel-stimulierendes Hormon (FSH) und Prolaktin.

Diagnostik bei der Frau

Zu Beginn steht in aller Regel ein Zyklusmonitoring. Dabei werden während eines Menstruationszyklus wiederholt die relevanten Hormonwerte im Blut ermittelt (Estradiol, Progesteron, LH, FSH, Androgene, Prolaktin). Parallel dazu wird mittels vaginalem Ultraschall die Größe und Reifung der Follikel beurteilt. Auf diese Weise kann man feststellen, ob eine Ovulation stattfindet. Aufschlussreich können auch die von der Patientin über mehrere Zyklen hinweg dokumentierte Basaltemperatur sowie die Konsistenz des Zervixschleims sein.

Die ovarielle Reserve, das heißt die verbliebene Zahl der für eine Befruchtung zur Verfügung stehenden Follikel, kann annäherungsweise mittels Ultraschalluntersuchung sowie Bestimmung des Anti-Müller-Hormons (AMH) im Blut bestimmt werden. Das AMH wird in den Follikeln der Eierstöcke produziert, sodass hier ein direkter Zusammenhang besteht.

Die Durchgängigkeit der Eileiter wird bei einer Laparoskopie überprüft. Da dies einen invasiven Eingriff erfordert, kommt zunehmend ein nicht-invasives Verfahren mithilfe von Kontrastmittel zum Einsatz.

Sind ausreichend mobile Spermien vorhanden und findet sich auch bei der Frau zunächst keine Ursache, kann der sogenannte Postkoitaltest (»Morning-After-Test«) Aufschluss darüber geben, ob genügend Spermien den Zervixschleim in Richtung Uterus und Eileiter passieren können. Hierzu wird die Konsistenz vor sowie acht bis 24 Stunden nach einem Geschlechtsverkehr beurteilt und die Zahl der befruchtungsfähigen Spermien im Zervixschleim erfasst. Die Aussagekraft dieses Tests ist jedoch umstritten (4). Art und Umfang der Diagnostik hängen stark von der individuellen Konstellation ab. Überdiagnostik, insbesondere belastende Eingriffe, sollte naturgemäß vermieden werden. Eine entsprechende S2k-Leitlinie ist in Vorbereitung (5).

Medikamentöse Ansätze

Ein erster Ansatz besteht darin, mögliche Ursachen der eingeschränkten Fertilität abzustellen. Neben den erwähnten chirurgischen Maßnahmen können Hormonstörungen medikamentös behandelt werden. Eine Hyperprolaktinämie kann mit Dopamin-Agonisten wie Bromocriptin, ein signifikant erniedrigter Testosteronwertmittels Substitution korrigiert werden. Ferner kann die Einnahme von L-Thyroxin zum Ausgleich einer Schilddrüsenunterfunktion erforderlich sein.

Ein polyzystisches Ovarialsyndrom (PCO) ist gekennzeichnet durch Zyklusunregelmäßigkeiten, erhöhte Androgenwerte, eine erhöhte LH/FSH-Ratio und die namensgebenden Zysten an den Ovarien. Oft geht es mit Akne, übermäßiger Körperbehaarung, Übergewicht sowie einer Insulinresistenz einher. Beim PCO werden unterstützend Clomifen oder Metformin eingesetzt (Off-Label-Use), wobei Letzteres für die Fertilität vorteilhafter zu sein scheint (6).

Bei Ovulationsstörungen mit nachgewiesener Estrogenproduktion und niedrigen bis normalen FSH-Spiegeln kann zunächst ein Therapieversuch mit dem selektiven Estrogenrezeptormodulator (SERM) Clomifen gestartet werden. Die Therapie erfolgt vom fünften Zyklustag an für fünf Tage mit der niedrigsten effektiven Dosis. Ziel ist es, einen Eisprung auszulösen. Ein Nachteil der Therapie mit Clomifen sind die häufigen Mehrlingsschwangerschaften, die mit einem größeren Komplikationsrisiko einhergehen (7).

Reicht eine rein medikamentöse Behandlung nicht aus, können dem Paar verschiedene Techniken der assistierten Reproduktion angeboten werden.

Reproduktionsmedizin: Insemination

Eine intrauterine Insemination (IUI) kommt beispielsweise bei einer geringgradig eingeschränkten männlichen Fertilität oder einer ungünstigen Konsistenz des Zervixschleims, aber auch bei einer heterologen Insemination (Verwendung einer Samenspende) zum Einsatz. Dabei wird Sperma mittels eines Katethers direkt in den Uterus eingebracht. Vorher wird das durch Masturbation gewonnene Ejakulat aufbereitet, um die Konzentration befruchtungsfähiger Spermien zu erhöhen. Dieser Eingriff ist in der Regel völlig schmerzfrei. Die IUI kann im Spontanzyklus erfolgen, wobei der Zeitpunkt der Ovulation mittels Ultraschall prognostiziert wird.

Erfolg versprechender, weil besser planbar ist eine gezielte Steuerung der Ovulation. Hierzu wird die Follikelproduktion stimuliert: entweder mit Clomifen (oral) oder – heute gebräuchlicher – mit subkutan injizierten Gonadotropinen, zum Beispiel 50 bis 100 I.E. Follitropin beta oder 75 bis 150 I.E. humanes Menopausen-Gonadotropin (Menotropin; Tabelle 2).

Wirkstoff Handelsname (Beispiel) Darreichungsform Art der Anwendung
Gonadotropine
Follitropin alfa Gonal-f Injektionslösung im Fertigpen, Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung subkutan
Follitropin beta Puregon Injektionslösung in Fertigpen oder Durchstechflaschen subkutan
Follitropin delta Rekovelle Injektionslösung in Fertigpen oder Durchstechflaschen subkutan
Menotropin Menopur, Menogon HP Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung subkutan
Lutropin alfa Luveris Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung subkutan
Choriongonadotropin (hCG) Brevactid 5000 I.E. Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung intramuskulär (off-label subkutan)
Choriogonadotropin alfa Ovitrelle Injektionslösung in Fertigspritze subkutan
GnRH-Agonisten
Triptorelinacetat Decapeptyl IVF Injektionslösung in Fertigspritze subkutan
Leuprorelinacetat Enantone-Gyn Monatsdepot Retardmikrokapseln und ­Suspensionsmittel subkutan
Goserelinacetat Zoladex-GYN Fertigspritze mit Implantat subkutan
Nafarelinacetat Synarela Nasenspray Lösung zum Einsprühen in die Nase nasal
GnRH-Antagonisten
Cetrorelix Cetrotide Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung subkutan
Ganirelix Orgalutran Injektionslösung in Fertigspritze subkutan

Ziel ist die Reifung möglichst nur eines einzigen Graaf’schen Follikels. Bei einer Follikelgröße von 17 bis 20 mm wird dann die Ovulation mittels Injektion von hCG (humanes Choriongonadotropin, 5000 bis 10 000 I.E.) ausgelöst. Die Insemination erfolgt in der Regel 24 Stunden später. Auch hier besteht ein Risiko für Mehrlingsschwangerschaften, falls mehrere Follikel gleichzeitig heranreifen.

Die Erfolgsaussichten hängen von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem dem Alter der Frau und der Beweglichkeit der Spermien. Sie betragen bei Frauen unter 40 Jahren durchschnittlich 12,4 Prozent (8). Zum Vergleich: Die natürliche Schwangerschaftsrate pro Zyklus beträgt bei fertilen Paaren je nach Quelle circa 20 bis 25 Prozent.

Generell gilt, dass sowohl die natürlichen Schwangerschaftsraten als auch die Erfolgsraten bei der assistierten Reproduktion mit steigendem Alter der Frau sinken, besonders rapide ab 35 Jahren. Tendenziell wird die IUI daher für junge Paare mit einer mäßig eingeschränkten Fertilität in Betracht gezogen (9). Den eher geringen Erfolgsaussichten vor allem bei älteren Frauen stehen als Pluspunkte die mildere ovarielle Stimulation sowie das Vermeiden eines invasiven Eingriffs gegenüber.

In-vitro-Fertilisation

Waren mehrere Inseminationen erfolglos oder liegt beispielsweise eine mangelnde Durchgängigkeit der Eileiter vor, die eine normale Konzeption ausschließt, kommt die In-vitro-Fertilistion (IVF) zum Einsatz.

Der eigentlichen IVF geht eine Phase der ovariellen Stimulation voraus, die im Gegensatz zur Insemination jedoch das Ziel hat, eine große Anzahl an Follikeln zur Reifung zu bringen (circa zehn bis 15 Follikel). Die Follikelreifung wird mittels Ultraschall überwacht. Haben ausreichend viele Follikel eine entsprechende Größe erreicht, wird medikamentös die Ovulation ausgelöst. Der exakte Zeitpunkt der Auslösung ist entscheidend, da die Punktion der Follikel 35 bis 36 Stunden später erfolgen muss.

Bei einem ambulanten Eingriff werden die Follikel mit einer Nadel unter Ultraschallkontrolle transvaginal punktiert und die Flüssigkeit abgesaugt (Abbildung 1, unten links). In den meisten Zentren erfolgt der zehn- bis 15-minütige Eingriff unter Kurznarkose mit Maskenbeatmung.

Neben den Risiken, die durch die ovarielle Stimulation bedingt sind, treten nach dem Eingriff oft leichte bis mäßige Schmerzen auf, die jedoch meist gut mit Paracetamol oder Ibuprofen kontrollierbar sind. Aufgrund der Invasivität besteht prinzipiell ein Infektionsrisiko.

Die durch die Punktion gewonnenen Oozyten werden im Reagenzglas mit den aufbereiteten Spermien versetzt (Abbildung 1, oben links). Im Anschluss werden die so entstandenen Embryonen in Nährflüssigkeit weiter kultiviert. Der Transfer der Embryonen erfolgt in der Regel nach drei (Mehrzeller) oder fünf Tagen (Blastozyste). Dabei sind die Erfolgsraten eines Blastozystentransfers etwas höher, doch es werden auch mehr Eizellen benötigt. Die Prozedur des Embryotransfers ist in der Regel schmerzfrei.

Gemäß Embryonenschutzgesetz dürfen in Deutschland maximal drei Embryonen rückübertragen werden (10). Gerade bei frühen Versuchen werden in der Regel nur zwei, bei jüngeren Frauen tendenziell sogar nur ein Embryo transferiert. Gemäß neuerer Statistiken erhöht eine größere Anzahl an transferierten Embryonen nicht die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft, wohl aber die einer Mehrlingsschwangerschaft (11).

Konnten mehr Eizellen gewonnen werden, als in einem Zyklus rücktransferiert werden sollen, können die überzähligen Zellen nach Zusammenführen mit den Spermien im Vorkernstadium kryokonserviert werden. Zu diesem Zeitpunkt hat noch keine Vereinigung der Zellkerne und somit keine Befruchtung stattgefunden (10). Kryokonservierte Zellen können für spätere IVF-Versuche verwendet werden.

Eine Schwangerschaft ist in der Regel frühestens zwölf bis 14 Tage nach Punktion mittels Bluttest auf hCG nachweisbar. Für die Beratung der Frau ist es wichtig zu wissen, dass das zur Auslösung der Ovulation exogen zugeführte hCG bis zu zehn Tage im Urin nachweisbar ist. Ein während dieser Zeit zu Hause durchgeführter Urintest ist daher nicht aussagekräftig.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion

Bei stärker eingeschränktem Spermiogramm reichen Anzahl und Mobilität der Spermien für eine Befruchtung der Eizelle im Reagenzglas unter Umständen nicht aus. Dann kommt zusätzlich die Technik der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) zum Einsatz. Hierbei wird ein qualitativ hochwertiges Spermium mittels einer feinen Hohlnadel direkt in die Eizelle injiziert, um eine höhere Befruchtungsrate zu erzielen (Abbildung 1, B).

Das Sperma wird auch hier in der Regel mittels Masturbation zum Zeitpunkt der Punktion erhalten. Nur in seltenen Fällen, wenn im Ejakulat überhaupt keine Spermien vorhanden sind, ist eine Punktion zur Gewinnung reifer Spermien aus dem Nebenhoden (mikrochirurgische epididymale Spermienaspiration, MESA) oder von Hodengewebe (testikuläre Spermienextraktion, TESE) erforderlich.

Die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der IVF/ICSI hängt vorwiegend vom Alter der Oozyten ab und reicht von 10 Prozent bei Frauen über 43 Jahren bis zu 45 Prozent bei Frauen unter 35 Jahren (11).

Vor der IVF nötig: ovarielle Stimulation

Bei fast allen Verfahren der assistierten Reproduktion erfolgt eine ovarielle Stimulation. Hierbei kommen Parenteralia zum Einsatz, die einen hohen Beratungsbedarf haben. Der Therapieplan wird für jede Patientin individuell festgelegt (Abbildung 2) und je nach Follikelwachstum und Verträglichkeit während des Zyklus angepasst.

Für die eigentliche ovarielle Stimulation werden Gonadotropine verwendet, meist rekombinant hergestelltes FSH (Follitropin alfa oder beta) (Tabelle 2). Auch das ältere humane Menopausen-Gonadotropin (rekombinant hergestellt, Menotropin) wird nach wie vor eingesetzt, da es gut wirksam ist. Es ist eine Mischung aus FSH und LH.

Die Gonadotropine kann die Patientin abends selbst subkutan injizieren. In der Regel wird die Dosis im Verlauf des Zyklus gesteigert. Bei den patientenfreundlichen Fertigpens kann die Dosis in Internationalen Einheiten individuell eingestellt werden. Der Apotheker sollte darauf hinweisen, dass für jede Injektion eine neue Pennadel zu verwenden ist. Nach der Injektion sollte der Pen für etwa drei Sekunden belassen werden, bevor er herausgezogen wird.

Für alle subkutanen Injektionen eignen sich die Stellen rechts und links unterhalb des Bauchnabels sowie der seitliche Oberschenkel am besten. Wichtig ist, die Körperregion möglichst beizubehalten, jedoch jeweils die genaue Einstichstelle zu wechseln.

Verschiedene Protokolle

Vom Grundsatz sind vier Stimulationsprotokolle zu unterscheiden (Abbildung 2, oben). Beim häufig verwendeten »langen Protokoll« spritzt das medizinische Personal der Frau bereits zwischen Tag 21 und 23 des Vorzyklus einen GnRH-Agonisten als Depotpräparat (Goserelin, Tabelle 2), um die GnRH-Sekretion zu unterdrücken. Nach Eintritt der Wirkung erfolgt dann die beschriebene Stimulation der Ovarien zur Follikelbildung.

Das lange Protokoll ist gut planbar, da es aufgrund der zuverlässigen Verhinderung einer Ovulation verhältnismäßig wenige Kontrollen erfordert. Bei normaler Ovarialfunktion ist die Stimulation stark. Das Risiko einer Überstimulation ist daher höher als bei anderen Protokollen (Kasten). Bei älteren Frauen oder Low-Respondern kann die Funktion der Ovarien durch die anhaltende Down-Regulation der GnRH- Sekretion jedoch so stark abgeschwächt sein, dass nicht ausreichend Follikel produziert werden.

Beim »kurzen Protokoll« beginnt die Down-Regulation erst zu Beginn des Stimulationszyklus. Hier müssen die GnRH-Agonisten täglich verabreicht werden. Zur Auswahl stehen anwendungsbereite Fertigspritzen, zum Beispiel mit Triptorelin, sowie Nasensprays, zum Beispiel mit Nafarelin (Tabelle 2). Auch hier kann die Injektion morgens in die Bauchdecke erfolgen, wobei in den Produktinformationen teilweise der Oberschenkel als zu bevorzugende Injektionsstelle genannt wird (12). Vom Nasenspray wird in der Regel morgens und abends jeweils ein Sprühstoß in jedes Nasenloch verabreicht (13).

Das kurze Protokoll ist aufgrund der kurz wirksamen Präparate etwas besser steuerbar. Durch den Flare-up- Effekt zu Beginn der Wirkung der GnRH-Agonisten – eine anfängliche Stimulation der GnRH-Sekretion, die nach einiger Zeit in eine komplette Unterdrückung übergeht – lässt sich bei Low-Respondern eine ausreichende Stimulation erreichen.

Für Low-Responder eignet sich auch das »Ultrashort-Protokoll«, bei dem die Down-Regulation nur vom zweiten bis vierten Zyklustag erfolgt. Hierdurch wird die Chance auf eine ausreichende Stimulation erhöht. Jedoch wird die Ovulation weniger zuverlässig unterdrückt, sodass engmaschigere Ultraschallkontrollen erforderlich sind.

Beim zunehmend häufiger ein gesetzten »Antagonisten-Protokoll« kommen GnRH-Antagonisten wie Ce trorelix oder Ganirelix zum Einsatz (Tabelle 2). Diese werden entweder ab etwa Tag 5 bis 7 der Stimulation oder ab einer bestimmten Follikelgröße ebenfalls morgens injiziert. Das Risiko einer Überstimulation ist eher gering und die Down-Regulation sehr gut steuerbar. Dieses Protokoll kommt zum Beispiel bei Frauen mit PCO zum Einsatz, die ein hohes Risiko für eine Überstimulation haben.

Die ovarielle Stimulation wird in der Regel gut toleriert. Häufige Nebenwirkungen sind neben Reaktionen an der Injektionsstelle Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Ödeme. Diese Nebenwirkungen können auch bei einem Überstimulationssyndrom auftreten.

Der Eisprung wird meist exakt 36 Stunden vor dem geplanten Eingriff mit 5000 bis 10 000 Einheiten Choriongonadotropin (hCG) ausgelöst (14).

Unterstützung der Lutealphase

In der zweiten Zyklushälfte, das heißt nach der Punktion, müssen in aller Regel bis in die Schwangerschaft hinein Arzneimittel verabreicht werden, die Aufbau und Erhalt der Uterusschleimhaut und somit die Einnistung und den Schwangerschaftserhalt unterstützen.

Zum Einsatz kommen erneut hCG-Injektionen, die jedoch ein höheres Überstimulationsrisiko mit sich bringen, oder oral verabreichte Gestagene, zum Beispiel Dydrogesteron (Beispiel: Duphaston®). Die vaginale Applikation von Progesteron wird aufgrund geringerer Nebenwirkungen (Müdigkeit, Ödeme, Übelkeit, Reflux) bevorzugt. Teilweise kommen auch Weichkapseln (beispielsweise Utrogestan®) vaginal zum Einsatz, was oft für Verwirrung sorgt und daher in der Beratung erklärt werden sollte.

Manchmal werden zur Unterdrückung von Blutungen zusätzlich Estradiolpräparate verordnet. Generell sollte das Apothekenteam die Frau darüber aufklären, dass diese Arzneimittel nicht für die assistierte Reproduktion zugelassen sind und die Dosen oft sehr viel höher sind als in der Packungsbeilage angegeben. Erklärungsbedürftig ist auch, dass als Kontraindikation »Schwangerschaft« aufgeführt wird.

Weitere Präparate, die häufig verordnet werden, sind L-Thyroxin, da die Schilddrüsenfunktion für die Fertilität eine wichtige Rolle spielt, sowie Metformin. Dieses bietet Studien zufolge einen Benefit für Frauen mit PCO (15). Diese Erkrankung geht mit Störungen im Glucosestoffwechsel einher. Die Anwendung erfolgt off-label.

Was kann der Apotheker noch tun?

Neben der Beratung zur richtigen Anwendung der Arzneimittel, für die umfangreiches Informationsmaterial erhältlich ist, kann der Apotheker weitere Hinweise für die Therapie geben. So sollte die Frau bereits vor Beginn der Behandlung Folsäure substituieren. Ebenso ist es angebracht, auf einen weitestgehenden oder vollständigen Verzicht auf Alkohol und Nikotin sowie einen gesunden Lebensstil hinzuweisen. Starkes Über- oder Untergewicht kann die Fertilität in signifikanter Weise negativ beeinflussen. Insbesondere übergewichtige Patientinnen mit PCO sollten abnehmen.

Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass ein unerfüllter Kinderwunsch finanziell und psychisch extrem belastend ist und vielfach noch immer als Tabuthema behandelt wird. Hier kann der Apotheker Angebote zur psychologischen Begleitung sowie Kontakte zu Selbsthilfegruppen vermitteln. 

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