Herzentzündung nicht häufiger als bei anderen Impfungen |
Christina Hohmann-Jeddi |
12.04.2022 18:00 Uhr |
Junge Männer sind die einzige Bevölkerungsgruppe, bei der nach einer Covid-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff das Risiko für eine Myoperikarditis etwas höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. / Foto: Adobe Stock/andriano_cz
Das Risiko der mRNA-basierten Coronaimpfstoffe, Myo- und Perikaditis auszulösen, hat für einige Aufregung gesorgt. Um das Risiko auch im Vergleich mit anderen Impfstoffen besser abschätzen zu können, hat ein Team um Ryan Ruiyang Ling von der Yong Loo Lin School of Medicine in Singapur eine systematische Metaanalyse mit 22 Studien durchgeführt, von denen sich die Hälfte mit Covid-19-Impfstoffen befasste. Insgesamt wurden Daten zu 405 Millionen Impfungen berücksichtigt. Die Ergebnisse der Analyse hat das Team jetzt im Fachjournal »The Lancet Respiratory Medicine« veröffentlicht.
Demnach traten insgesamt etwa 33,3 Fälle von Myo- oder Perikarditis pro eine Million Impfungen auf. Bei den Covid-19-Impfstoffen lag die Rate bei 18,2 auf eine Million Impfdosen und bei den Nicht-Covid-19-Impfstoffen bei 56,0. Der Unterschied war aber den Autoren zufolge nicht statistisch signifikant.
Ein Impfstoff fiel besonders auf: Bei einem Lebendimpfstoff gegen Pocken betrug die Myo- und Perikarditis-Rate 132,1 auf eine Million Impfungen. Die betreffenden Untersuchungen wurden in den USA in der Vergangenheit bei Militärangehörigen (also in der Mehrheit jungen Männern) gemacht, was ein Grund für die hohe Rate sein könnte. In Deutschland wird seit 1983 nicht mehr standardmäßig gegen Pocken geimpft.
Bei den Coronaimpfstoffen bestätigte sich das bisher Bekannte: Die mRNA-Impfstoffe waren mit einem höheren Risiko für Myo- und Perikarditis (22,6 Fälle/1 Million Dosen) assoziiert als die anderen Impfstofftypen (7,9 Fälle/1 Million Dosen). Männer waren mit einer Rate von 23 Fälle/1 Million Dosen häufiger betroffen als Frauen (5,1 Fälle/1 Million Dosen). Das Risiko sank zudem mit steigendem Alter. Bei jungen Männern unter 30 Jahren lag es mit 59,7 Fälle auf 1 Million Dosen von allen Subgruppen am höchsten.
Insgesamt unterscheide sich ihrer Analyse zufolge das Myoperikarditis-Risiko der neuen mRNA-Impfstoff nicht von dem der traditionellen Impfstoffe gegen andere Erreger, folgern die Autoren um Ling. »Das Risiko dieser sehr seltenen Nebenwirkung sollte gegen das Myoperikarditis-Risiko durch eine Coronainfektion abgewogen werden«, sagt Mitautor Dr. Kollengode Ramanathan vom National University Hospital in Singapur in einer Pressemitteilung des Journals. Die Ergebnisse sollten Vertrauen in die Sicherheit der Covid-19-Impfstofe geben.
In einem begleitenden Kommentar ordnet Professor Dr. Margaret Ryan von der University of California San Diego das absolute Risiko für die Herzentzündungen nach Coronaimpfung ein. Dieses sei – mit Ausnahme der jungen Männer – nicht höher, als es in einer nicht geimpften Population zu erwarten wäre. Auch ohne Impfung träten in der Bevölkerung etwa 9,5 bis 21,6 Fälle von Myoperikarditis auf eine Million Personen pro Monat auf. Es sei wichtig, die der Impfnebenwirkung zugrundeliegenden Pathomechanismen zu erforschen, um die Sicherheit von Vakzinen in Zukunft noch zu verbessern.
Ryan weist zudem darauf hin, dass das Myoperikarditis-Risiko außer bei den Covid-19-Impfstoffen bei anderen Impfstoffen wenig untersucht sei. Das Team aus Singapur konnte von dem Jahr 1945 an nur fünf Studien zu Herzentzündungen nach Impfung für Impfstoffe finden, die nicht gegen SARS-CoV-2 oder gegen Pocken gerichtet waren. Dies müsse bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden. Auch das Team um Ling schreibt, dass die starke Aufmerksamkeit auf die Sicherheit der neu zugelassenen Covid-19-Impfstoffe zu einer relativen Untererfassung der Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen nach Nicht-Covid-19-Impfungen geführt haben könnte.
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