Herz und Kreislauf im Klimastress |
Bilder aus dem All zeigen es: An vielen Orten der Erde ist der Himmel auch nachts hell erleuchtet. Das kann den Schlaf beeinträchtigen und das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in die Höhe schnellen lassen. Darauf deuten aktuelle Daten aus Hongkong hin.
Für ein gesundes Herz-Kreislauf-System ist ein ungestörter zirkadianer Rhythmus Voraussetzung, erläutern Dr. Shengzhi Sun und Kollegen von der Boston University School of Public Health (12). Ist es während der Nacht zu hell, wird zu wenig Melatonin gebildet, und der Körper kommt nicht ausreichend zur Ruhe.
Eine prospektive Kohortenstudie mit fast 60.000 Senioren in Hongkong, die über elf Jahre beobachtet wurden, untersuchte, ob nächtliche Lichtverschmutzung auch eine KHK begünstigt (13). Anhand von Satellitendaten wurde die nächtliche Helligkeit der Wohnorte der Teilnehmer erfasst und mit der Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen und Sterbefällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen korreliert. Tatsächlich hatten Senioren, die in Regionen mit hoher nächtlicher Helligkeit lebten, ein um 23 Prozent höheres Risiko für Krankenhauseinweisungen und ein um 29 Prozent höheres Sterberisiko aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verglichen mit Personen aus dunkleren Wohngebieten.
Ob die Lichtverschmutzung die Ursache für die kardiovaskulären Ereignisse ist, kann aus den Daten noch nicht abgeleitet werden. Weitere Studien, die die individuelle nächtliche Lichtexposition und die Schlafqualität der Probanden berücksichtigen, sind erforderlich, um den vermuteten Zusammenhang weiter zu untersuchen.
Lärm durch Luft-, Straßen- und Schienenverkehr korreliert direkt mit einer erhöhten Zahl von Erkrankungen und Todesfällen. Eine Metaanalyse im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergab, dass Verkehrslärm ab 50 Dezibel das Risiko für eine KHK deutlich erhöht (14). Nimmt der Lärm jeweils um weitere 10 Dezibel zu, steigt auch das Erkrankungsrisiko um 8 Prozent. Insbesondere Verkehrslärm in der Nacht führt zu Schlafstörungen, erhöht den Spiegel von Stresshormonen und löst oxidative Prozesse aus. Diese Faktoren können eine vaskuläre Dysfunktion und Bluthochdruck fördern, was wiederum das kardiovaskuläre Risiko in die Höhe treibt.
Zu viel Lärm, zu viel Licht: Wer schlecht schläft, hat ein höheres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. / Foto: Getty Images/Westend61
In einer früheren Studie beschallten Forscher 75 gesunde Männer und Frauen nachts zu Hause mit Fluglärm von durchschnittlich 60 Dezibel (15). Sie setzten zwei Gruppen 30 oder 60 nächtlichen Überflügen aus, während die Kontrollgruppe ohne Lärm schlafen durfte. Die Forscher filmten die Probanden mit einer Infrarotkamera und ermittelten mit Ultraschallgeräten die Gefäßfunktion. Dabei zeigte sich, dass Lärm unter anderem durch bestimmte Funktionsstörungen des Kreislaufs Bluthochdruck auslösen kann. Etwa 3 Prozent der nächtlichen kardiovaskulären Todesfälle sei auf Fluglärm zurückzuführen, folgerten die Studienautoren. »Für mich war es überraschend, dass sich Lärm bereits nach wenigen Tagen negativ auf die Gesundheit auswirkt«, kommentiert Münzel die Studie.
»Wir wissen schon länger, dass Fluglärm Bluthochdruck, Herzinfarkte und auch Schlaganfälle auslösen kann, kannten aber die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen nicht.« Die Studie habe gezeigt, dass bereits eine Nacht mit Fluglärm eine Endotheldysfunktion, erhöhte Stresshormonspiegel und eine verminderte Schlafqualität auslösen könne. Diese Effekte seien bei Patienten mit bereits etablierter KHK noch ausgeprägter als bei gesunden Probanden, erklärt der Experte.