Herbstimpfungen sind Herzensangelegenheit |
Die zurückliegende Grippesaison verlief ziemlich heftig. »Es gab überdurchschnittlich viele Hospitalisierungen und Todesfälle in den vulnerablen Gruppen«, berichtete Kardiologe Dechend. Das Robert-Koch-Institut registrierte denn auch mit 407.472 Grippeerkrankungen einen Höchststand seit der Jahrtausendwende. Selbst in der besonders stark ausgeprägten Saison 2022/2023 wurden rund 100.000 Erkrankungen weniger registriert.
»Da ist es sehr bedauerlich bis besorgniserregend, dass sich hierzulande immer weniger Menschen gegen Influenza impfen lassen. In der Saison 2023/2024 waren es nur 38 Prozent der Erwachsenen ab 60 Jahren. Wir waren nie gut im europäischen Vergleich und lagen schon immer deutlich unter dem 75-Prozent-Ziel der Weltgesundheitsorganisation. Aber im Vergleich zu den Vor-Pandemie-Zeiten werden die Impfquoten immer schlechter«, prangerte er die spärlichen Durchimpfungsraten an.
Der Experte hofft nun auf einen gewissen Ködereffekt: »Ich setze auf Aufklärung. Das Wissen über die kardioprotektive Wirkung könnte die Menschen leichter von deren Nutzen überzeugen.« Zynische Werbeslogans wie in Großbritannien («If you don’t like the vaccine, try the disease«) seien hierzulande indes undenkbar. Dabei sei die »Influenzaimpfung gelebte Sekundärprotektion, weil sie nicht nur alveolären Schutz bietet«.
Die Impfquoten gegen die Covid-19-Infektion liegen noch niedriger. So hat sich im vergangenen Herbst nur jeder Fünfte über 65 Jahren gegen das SARS-CoV-2-Virus impfen lassen. Dabei wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, sich dagegen impfen zu lassen, sagte Professor Dr. Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund bei der gleichen Veranstaltung. »Vor dem Jahreswechsel ist SARS-CoV-2 besonders aktiv und für etwa 25 Prozent aller akuten Atemwegsinfekte verantwortlich. Die Inzidenzen erreichen bezüglich Covid-19 vor dem Jahreswechsel ihren Höhepunkt, während die Influenza erst etwa im Januar/Februar an Fahrt aufnimmt.« Er hält deshalb den Oktober für die Covid-19-Impfung für ideal, die Influenzaimmunisierung würde er auf den November legen.
Wer sich für die Impfung gegen Influenza, Covid-19 und Pneumokokken bei einem Termin entscheidet, bekommt zwei in einen Arm. / © Imago Images/Levine-Roberts
»Es muss uns gelingen, die Coronaimpfung aus der Pandemie herauszuheben und sie als alljährliche Auffrischimpfung zu etablieren. Bislang ist das Thema Coronapandemie noch zu politisch aufgeladen«, meinte Watzl. Eine Option sieht er in der vermehrten Nutzung von Parallelimpfungen. Die Koadministration bei einem Termin empfiehlt die STIKO seit zwei Jahren explizit bezüglich der Impfungen gegen Influenza, Covid-19 und Pneumokokken.
Was die Schutzimpfungen gegen Grippe und Covid-19 in der Apotheke betrifft, gibt es eine Neuerung in der Leitlinie der Bundesapothekerkammer: Nun soll dokumentiert werden, in welchen Arm welcher Impfstoff injiziert wurde. Der Hintergrund: Bei einer Impfung im Folgejahr fällt die Immunantwort im gleichen Arm stärker aus; daher sollte das Vorgehen vom Vorjahr für den jeweiligen Impfling beibehalten werden. Die entsprechenden Dokumente sind auf der ABDA-Website im Bereich für Apotheker unter »Schutzimpfungen« zu finden.
Die STIKO empfiehlt die Auffrischimpfung gegen Covid-19 im Herbst allen Personen ab 60 Jahren, chronisch Kranken ab dem sechsten Lebensmonat, Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie Pflegeheimbewohnern. Auch Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren inklusive Schwangeren ohne vollständige Basisimmunität (definiert als dreimaliger Kontakt durch Impfung oder Infektion mit dem SARS-CoV-2-Antigen) wird zur Impfung geraten.
Zur Verfügung stehen die beiden mRNA-Impfstoffe Comirnaty® und Spikevax® sowie der Protein-Impfstoff Nuvaxovid®. Die von der Weltgesundheitsorganisation WHO für die Saison 2025/2026 empfohlenen neuen Virusvarianten (LP.8.1/JN.1) sind in den angepassten Präparaten berücksichtigt. »Die beiden Varianten LP.8.1 und JN.1 sind nah genug an der derzeit dominierenden Viruslinie XFG dran, sodass ein substanzieller Schutz zu erwarten ist«, wertete Watzl.