Helfer daheim und in der Therapie |
Foto: Städtisches Klinikum München/Klaus Krischock
Menschen mit chronischen Krankheiten, Behinderungen oder seelischen Verletzungen brauchen Hilfe. Diese kann oder muss nicht immer durch andere Menschen erfolgen. Tiere können als »Assistenten« im Alltagsleben gerade für Menschen mit körperlichen Behinderungen eine große Stütze sein.
Bei anderen, vor allem psychischen Krankheiten können sie Brücken zwischen Patient und Therapeut bauen und den Betroffenen für die Behandlung öffnen. In Pflegeheimen, Schulen oder in Justizvollzugsanstalten vermitteln Tiere Trost und Selbstvertrauen und reduzieren Stress.
Am vielfältigsten sind die Einsatzmöglichkeiten für Hunde. »Der Hund eignet sich am ehesten für tiergestützte Interventionen, da er im Gegensatz zu Lamas, Pferden oder Delfinen mobiler ist und damit eine größere Zielgruppe ansprechen kann«, sagt Gabriele Smentek vom Vorstand des Vereins »Therapiehunde Deutschland« (www.therapiehunde-deutschland.team) aus Wendelstein im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung. »Ein wichtiger Aspekt ist zudem, dass Hunde am besten sozialisiert sind und am ehesten eine Mensch-Tier-Beziehung möglich ist.«
Gut bekannt sind die Vierbeiner als Assistenzhunde. Diese erhalten eine umfangreiche Ausbildung, die speziell auf die Bedürfnisse des Menschen abgestimmt ist, an den sie später abgegeben werden. Sie sollen ihren Halter dauerhaft im Alltag unterstützen.
Bei Assistenzhunden sind verschiedene Gruppen zu unterscheiden (Tabelle 1). Es gibt aber auch »Kombinationshunde«, die Aufgaben aus mehreren Bereichen ausführen können und somit optimal für mehrfach behinderte Menschen geeignet sind.
Arten von Assistenzhunden | Aufgaben und Einsatzgebiete |
---|---|
Blindenführhunde | führen blinde Menschen oder Menschen mit Sehbehinderung sicher an ihr Ziel und leiten auch durch den Straßenverkehr zeigen Punkte wie Treppen, Zebrastreifen oder Ampeln an |
Gehörlosen-Signalhunde | nehmen für ihren gehörlosen oder schwerhörigen Halter wichtige Geräusche im Alltag wahr und lernen, individuell auf ihren Hundeführer angepasste Geräusche anzuzeigen stupsen an, um aufmerksam zu machen, oder führen zur Geräuschquelle hin |
medizinische Signalhunde, zum Beispiel Diabetikerwarn- oder Epilepsiehunde | unterstützen Menschen mit bestimmten Krankheiten bei Diabetes: machen auf Unter- oder Überzuckerung aufmerksam bei Epilepsie: warnen den Halter vor einem nahenden Anfall oder helfen während eines Anfalls |
Service-, Mobilitäts- und LFP-Hunde (LPF: Lebenspraktische Fertigkeiten) | ersetzen bestimmte motorische Fähigkeiten heben heruntergefallene Gegenstände auf, öffnen und schließen Türen, betätigen Lichtschalter, helfen beim Ankleiden et cetera |
psychosoziale Assistenzhunde | sollen Stabilität und Sicherheit im Alltag vermitteln sollen helfen, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen und im Alltag zu funktionieren geben durch ihre Anwesenheit in der Öffentlichkeit Halt Einsatzgebiete: zum Beispiel posttraumatische Belastungsstörungen, Angststörungen oder Depressionen, oft auch bei Kindern |
Kombinationshunde | vereinigen Merkmale verschiedener Assistenzhunde, abgestimmt auf die Bedürfnisse eines mehrfachbehinderten Menschen |
Tabelle 1: Assistenzhunde und ihre Einsatzgebiete (29, 30, 31)
Am bekanntesten sind vermutlich Blindenführhunde, die für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen eine wichtige Stütze sind. Servicehunde helfen ebenfalls bei lebenspraktischen Aufgaben und unterstützen Menschen mit körperlicher Behinderung im Bereich der Mobilität (1). »Servicehunde bringen beispielsweise einem Rollstuhlfahrer Gegenstände, öffnen ihm Türen oder holen Hilfe«, erklärt Astrid Ledwina vom Verein »Rehahundeschule & Rehahunde-Deutschland« in Cammin im Gespräch mit der PZ.
Die Gruppe der Signalhunde gliedert sich in Assistenten für Gehörgeschädigte und in die medizinischen Signalhunde. Die erstgenannten unterstützen Menschen mit Hörbehinderung und machen sie zum Beispiel durch Stupsen auf relevante Geräusche aufmerksam.
Ein ausgebildeter Therapiehund unterstützt eine Gruppentherapie bei Senioren. Einen anderen Job haben Assistenztiere wie Blindenführhunde. / Foto: Therapiehunde Deutschland/Smentek
Medizinische Signalhunde können eine wichtige Rolle im Management von chronischen Erkrankungen wie Epilepsie oder Diabetes spielen. Diabeteswarnhunde beispielsweise können Über- und Unterzuckerungen bei ihren Besitzern erkennen und schlagen dann Alarm. Was die Tiere genau wahrnehmen, ist noch nicht geklärt. Möglicherweise erkennen sie die Stoffwechselentgleisung am Geruch, etwa am Schweiß des Patienten, oder sie bemerken eine Verringerung der Sauerstoffsättigung, die mit einer minimal nachlassenden Atemgeschwindigkeit einhergeht. Ein solches Absinken der Sauerstoffsättigung soll nicht nur einer Hypoglykämie, sondern auch einem epileptischen Anfall, einem Migräne- oder Asthmaanfall vorangehen. Diese Theorie könnte auch erklären, wie andere Warnhunde »funktionieren«.
Eine 2019 in der Fachzeitschrift »Plos One« veröffentlichte Studie zur Zuverlässigkeit von Diabeteswarnhunden zeigt allerdings, dass diese von Tier zu Tier deutlich schwanken und es auch zu Fehlalarmen kommen kann (2). Dabei spielte neben den individuellen Eigenschaften des Tieres auch eine Rolle, wie konsequent der Besitzer den Hund nach einem Alarm belohnte und wie sehr er auf das Tier vertraute. Interessant ist zudem, dass Hunde gemäß der Studie nach Abschluss des Trainings Hypoglykämien leichter erkennen konnten als Hyperglykämien, sich das später jedoch umkehrte.
Andere Hunde sollen vor einem nahenden epileptischen Anfall warnen oder während des Anfalls unterstützen. Autoren einer 2013 veröffentlichten Übersichtsarbeit bemängeln allerdings, dass es noch nicht ausreichend Nachweise für die Zuverlässigkeit der Tiere gebe (3).
Auch Krankheiten wie Malaria sollen speziell trainierte Hunde erschnüffeln können (4, 5). Sogar auf das Erkennen von bestimmten Krebserkrankungen werden sie abgerichtet (6, 7).
Daneben gibt es noch psychosoziale Assistenzhunde. Sie sollen Stabilität und Sicherheit im Alltag geben und ihrem Halter helfen, selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Sie kommen unter anderem bei posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Autismus, Angststörungen, Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen zum Einsatz. Auch erkrankte Kinder können von dem tierischen Begleiter profitieren, sich mehr zutrauen und selbstbewusster werden.
Höchst erfolgreich werden diese Hunde als Begleiter von Soldaten mit PTBS eingesetzt. »An diese Menschen kommt oft kein menschlicher Therapeut heran und die medizinischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft«, sagt Ledwina. Die Betroffenen können ihren Alltag nicht mehr bewältigen. Menschenansammlungen, etwa an öffentlichen Plätzen oder in Supermärkten, müssen sie meiden, um keine belastenden Erinnerungen hochkommen zu lassen. Zudem ziehen sie sich vor Freunden, Familienmitgliedern und Kameraden zurück.
Zusammen mit einem Hund kann der Weg aus der Isolation gelingen. »Unter Menschen gibt der Hund Sicherheit und sorgt für die nötige Distanz zu anderen Menschen. In Stresssituationen gibt er Sicherheit, stupst oder leckt sein Herrchen oder Frauchen. Ein weiterer Effekt: Das Kümmern um den Hund gibt dem Soldaten Selbstvertrauen, zwingt ihn aber auch, wieder aktiver zu werden und mit dem Tier zu arbeiten«, erzählt die Hundetrainerin.
Auch die Situation daheim kann sich entspannen. Bei Albträumen oder in Angstzuständen etwa erkennt der Hund die Not, weckt den Menschen und bringt ihm bei Bedarf ein Rescue-Paket mit Medikamenten. Wichtig ist, dass das Tier weder eine psychotherapeutische Behandlung noch Arzneimittel ersetzen kann (8).
Als Voraussetzung für ein erfolgreiches Miteinander mit einem Assistenzhund benennt Ledwina intensive Ausbildung und Training (Kasten).
Foto: Adobe Stock/Herby Me
Assistenzhunde wachsen das erste Jahr in einer Art Pflegefamilie auf, die das Tier nach bestimmten Richtlinien erzieht. Darauf folgt das spezifische und auf die Bedürfnisse des späteren Halters zugeschnittene Training bei einem Hundetrainerprofi, das vier bis sechs Monate dauert. Das Tier lernt in dieser Zeit grundsätzlichen Gehorsam sowie spezifische Fähigkeiten für sein künftiges Einsatzgebiet.
Anschließend müssen der neue Halter und der Hund gemeinsam einige Wochen trainieren, bis sie ein eingespieltes Team sind. Bevor der zukünftige Begleiter als Assistenzhund eingesetzt werden darf, steht eine staatliche Beurteilung an. Den ersten Teil, der das Verhalten und die Leistungen des Tieres abprüft, die sogenannte Qualitätsbeurteilung, absolviert der Ausbilder zusammen mit dem Vierbeiner. Im zweiten Teil, der Teambeurteilung, wird untersucht, wie gut der Hund zusammen mit der betroffenen Person harmoniert. Bei positiver Beurteilung erfolgt die Eintragung des Tieres in den Behindertenpass.
»Halter und Tier müssen gut aufeinander abgestimmt werden. Die entsprechenden Befehle und Verhaltensweisen lernt der zukünftige Besitzer, wenn wir ihm das Tier nach dem Training übergeben.«
Nach Abgabe des Hundes bleibt der Verein lebenslang für das Tier verantwortlich und unterstützt, wenn es Probleme gibt. Das intensive Training und die fortlaufende Unterstützung haben ihren Preis: »Unter 25 000 Euro geben die wenigsten Vereine einen Hund ab«, erzählt Ledwina. »Um die finanzielle Belastung für die Empfänger des Tieres zu reduzieren, arbeiten wir mit Sponsoren zusammen. Sie übernehmen einen Teil der Kosten. Besonders Kinder haben gute Chancen, dass ihr Assistenzhund mit Spenden unterstützt wird.«
Die Investition in einen Assistenzhund lohnt sich. Eine Studie aus 2018 zeigt, dass Menschen mit schweren Behinderungen erheblich von Signalhunden für Gehörlose, Servicehunden für den körperlichen Bereich, Diabetes- und Epilepsiehunden profitieren. Die Tiere steigern laut der Studie das Wohlbefinden sowie die körperliche Aktivität ihrer Halter. Sie können demnach dazu beitragen, deren Unabhängigkeit zu steigern und das Risiko für soziale Isolation zu senken (9).
Geht es um die Beantragung eines Assistenztieres bei der Krankenkasse, haben blinde Menschen oder stark Sehgeschwächte die besten Aussichten auf eine Kostenübernahme. Doch sie müssen zusätzlich zu ihrer Sehbehinderung – die Sehschärfe muss unter fünf Prozent liegen – weitere Bedingungen erfüllen. Sie sollen körperlich fit sein, ausreichend Wohnraum zur Verfügung haben und eine Zustimmung des Vermieters zur Tierhaltung haben. Zudem muss der Hund »wirtschaftlich«, der Bedarf also medizinisch indiziert sein.
Ist der Blindenführhund genehmigt, übernehmen die Krankenkassen in der Regel die Kosten für Anschaffung und Einarbeitung des Tieres und zahlen einen monatlichen Pauschalbetrag für die Versorgung.
Ein Assistenzhund wird in den Behindertenausweis seines Besitzers eingetragen. Wer einen Blindenhund hat, sollte einen Blindenführhund-Ausweis beantragen. Dies kann helfen, wenn es beispielsweise beim Betreten von Geschäften zusammen mit dem Hund Probleme gibt. Denn der Vierbeiner sollte »seinen« Menschen im Sinne der Barrierefreiheit auch im öffentlichen Raum begleiten dürfen.
Probleme kann es zum Beispiel in Geschäften geben, die Lebensmittel verkaufen und Hunde aus hygienischen Gründen ablehnen (10, 11). Eine Übersicht über Geschäfte und öffentliche Einrichtungen, in denen die Hilfstiere willkommen sind, hat die Interessengemeinschaft »Gemeinsam stark für Assistenzhundeteams in D/AT/CH« zusammengestellt (www.assistenz hundeteams.com/rechte-mit-assis tenzhund). Im Zweifel sollten die Betroffenen bei der Einrichtung, die sie besuchen wollen, nachfragen. Gelegentlich sind entsprechende Informationen auch auf deren Internetseite veröffentlicht.
Menschen, die keine Hunde mögen oder Angst vor ihnen haben, wünschen sich möglicherweise eine andere Tierart als Begleiter.
Es muss nicht immer ein Hund sein: Viele Tiere können Wärme, Geborgenheit und Freude vermitteln. Manchmal öffnen sie auch die Tür für eine Therapie. / Foto: Adobe Stock/mooseshop
Dazu sagt Katharina Blesch, Diplom-Psychologin und Tierverhaltenstherapeutin, gegenüber der PZ: »Theoretisch lassen sich natürlich auch andere Tierarten gut für spezielle Aufgaben trainieren. So können zum Beispiel Ratten zum Aufspüren bestimmter Substanzen hervorragend trainiert werden.«
Menschen trainieren aber vor allem Hunde, da der Vierbeiner Teil des gesellschaftlichen Lebens sei und sich wunderbar an den menschlichen Alltag anpassen könne. »Darüber hinaus ist er in unserer westlichen Kultur in der Regel ein positiv bewertetes Tier«, so die Expertin. Darin unterscheide er sich von anderen Tierarten, zum Beispiel Ratten oder Schweinen. »Diese können zwar in vielerlei Hinsicht genauso liebevolle Begleiter sein wie ein Hund, werden jedoch als Schädling oder Nutztier klassifiziert.«
Während die Arbeit von Assistenztieren auf die Begleitung im täglichen Leben ausgerichtet ist, kommen andere Tiere nur in einer gezielten medizinischen Maßnahme zum Einsatz (Tabelle 2).
Hundegestützte Interventionsart | Merkmale |
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Assistenzhunde | spezielle Ausbildung vor dem Einsatz Fähigkeiten abgestimmt auf die Bedürfnisse des jeweiligen hilfsbedürftigen Menschen klar umrissene Aufgaben: ständige Begleitung und Unterstützung im Alltag gleichen fehlende Sinnes- oder Körperfunktionen des Menschen aus |
Therapiebegleithunde | Einsatz gezielt begleitend in einer medizinischen Behandlung, zusammen mit dem Hundeführer agieren zusammen mit Halter als Team an wechselnden Einsatzorten und mit wechselnden Patienten unterstützen Therapien wie Ergo-, Logo- oder Physiotherapie helfen passiv durch ihre Anwesenheit |
Besuchshunde | bauen soziale Kontakte zu pflege- oder hilfsbedürftigen Menschen auf, etwa in Alten- und Pflegeheimen oder Schulen werden meist von ehrenamtlich tätigen Personen ohne therapeutischen Hintergrund geführt arbeiten nicht im therapeutischen Bereich |
Tabelle 2: Hunde mit Jobs (29, 30)
In der tiergestützten Therapie setzen Experten verschiedene Tierarten, etwa Pferde, Lamas oder auch Delfine ein. Je nach Therapieziel soll die tiergestützte Intervention die körperlichen, kognitiven und emotionalen Funktionen des Patienten verbessern oder erhalten, die Fähigkeiten zu Aktivitäten fördern sowie das subjektive Wohlbefinden steigern. Leitlinien zur durch Hunde gestützten Therapie hat der Verein »Therapiebegleithunde Deutschland« erstellt (12).
Es gibt eine Anzahl Studien, die sich mit der Wirksamkeit dieser Therapien befassen. Dazu erzählt Diplom-Psychologin Blesch: »Tierkontakt wird von der Großzahl der Menschen positiv bewertet und wirkt sich dadurch förderlich auf die körperliche und psychische Gesundheit aus.« Es gebe aber noch zu wenige Studien mit Kontrollgruppen oder Untersuchungen, die die Wirksamkeit der tiergestützten Therapie mit anderen Therapieformen vergleichen.
Die Vorsitzende des Therapiehunde-Vereins, Smentek, zeigt die Grenzen der Maßnahmen auf: »Tiere können keinen Therapeuten ersetzen. Sie können aber das Eis brechen und Voraussetzungen für eine Therapie schaffen.«
Neben Hunden werden häufig Pferde eingesetzt. Besserungen lassen sich etwa bei Depressionen, PTBS und Angststörungen erzielen (13). Bei Kriegsveteranen mit PTBS erweisen sich die pferdegestützten Interventionen beispielsweise als gleich wirksam wie herkömmliche Therapien (14, 15).
Zur Erklärung der Wirkung gibt es verschiedene Theorien. So heißt es in der Diplomarbeit »Tiergestützte Therapie mit Pferden bei Patienten mit emotionaler Instabilität« (2010), dass der Patient bei der Therapie verschiedene Rollen einnehme: Mal sei er der Geführte, mal werde er geführt. So lerne er, wie sich verschiedene Rollen anfühlen und welche Emotionen sie hervorrufen (16).
Tiere können auch Situationen entspannen und für ein besseres Sozialverhalten sorgen (Tabelle 2). So konnte die Anwesenheit von Tieren bei Jungen mit Bindungsstörungen Stress reduzieren (17); eventuell ist das ein Effekt von Oxytocin (18).
Hinweisen zufolge kann sich die Anwesenheit eines Hundes auch im Klassenzimmer als förderlich erweisen (19) und adipöse Kinder zu mehr Bewegung motivieren (20). Auch die Lesefähigkeit von Kindern könnte sich bessern, wenn sie Hunden vorlesen, zeigte ein 2016 veröffentlichter systematischer Review. Die Wissenschaftler fordern jedoch weitere und methodisch bessere Studien, um eine abschließende Bewertung abgeben zu können (21).
Foto: Therapiehunde Deutschland/Smentek
Der Besuchshund übernimmt ebenfalls eine Brückenfunktion, führt dabei aber keine antrainierten Aufgaben durch. Sein Einsatz fällt unter den Oberbegriff tiergestützte Aktivitäten (24). Mögliche Einsatzorte sind Kindergärten, Kinderheime, Senioren- und Pflegeheime, Krankenhäuser und Hospizeinrichtungen.
Die Anwesenheit des Hundes soll in Schulen eine lernförderliche Atmosphäre erzeugen. In Seniorenheimen sollen die Tiere durch ihre Anwesenheit kognitive Prozesse fördern, sodass sich Bewohner wieder an den eigenen Hund, dessen Namen oder Erlebnisse mit Tieren erinnern können. Der Vierbeiner lädt auch zum Streicheln und Kuscheln ein und kann dadurch Freude in das Leben von betagten, oft einsamen Menschen bringen.
Um diese Aufgaben zu erfüllen, sollte der ideale Besuchshund menschenfreundlich und kontaktfreudig sein und eine hohe Reizschwelle etwa gegenüber Lärm haben. Ein ruhiges und ausgeglichenes Wesen ist ebenso wichtig wie eine tiefe und vertrauensvolle Bindung zu seinem Halter. Zudem sollte der Hund ungewohntes und ungewöhnliches Verhalten tolerieren können. Vor dem Einsatz muss er eine Eignungsprüfung erfolgreich absolvieren und zusammen mit seinem Hundeführer eine Ausbildung durchlaufen (25, 26).
Neben Hunden können auch Ziegen, Schafe, Hängebauchschweine und Lamas oder sogar ein Bienenvolk für tiergestützte Interventionen eingesetzt werden.
Therapietiere wie Hunde oder Kaninchen kommen auch in der Rehabilitation zum Einsatz. Die Tiere wirken aktivierend etwa auf Schlaganfallpatienten, und das Training mit ihnen führt zu stärkeren Hirnaktivitäten (22). Auch bei alten Menschen können Tiere Leiden lindern. Wissenschaftler stellten nach Auswertung von 32 Studien in einer Übersichtsarbeit 2018 fest, dass Hunde, Katzen, Pferde und sogar Fische im Aquarium bei demenzkranken Senioren in Pflegeheimen verhaltensspezifische und psychische Symptome mildern und die Lebensqualität verbessern können (23).
Die Möglichkeiten der tiergestützten Therapie sind äußerst vielfältig. Das bestätigt Psychologin Blesch, die auch als Fachkraft für tiergestützte Therapie an psychosomatischen Kliniken tätig ist: »Prinzipiell kann jeder Mensch von der tiergestützten Therapie profitieren, solange er offen für den Kontakt mit dem jeweiligen Tier ist und nicht unter einer starken Tierhaarallergie leidet. Vom Pferd bis zur Stabschrecke können wir die verschiedensten Tierarten einsetzen und vom Streicheln über Beobachten bis hin zur symbolischen Auseinandersetzung kann die tiergestützte Therapie ganz unterschiedliche Herangehensweisen und Inhalte umfassen.«
Der Umgang mit Tieren ist freilich nicht ganz ohne Risiken. Strenge Sicherheitsvorkehrungen wie regelmäßige tierärztliche Untersuchungen und ein initialer Wesenstest sollen Risiken so gut es geht eliminieren. »Aber Tiere bleiben immer Tiere – und das ist gut so! Natürlich kann es im Rahmen der tiergestützten Therapie passieren, dass zum Beispiel ein Pferd jemandem unabsichtlich auf den Fuß tritt«, sagt Blesch.
Für die Tiere ist der Einsatz in einer tiergestützten Therapie oder die Arbeit als Assistenztier anstrengend. Dies gilt vor allem für solche, die in unterschiedlichen Situationen, an verschiedenen Orten und mit fremden Menschen als Patienten eingesetzt werden. Wichtig sind ausreichende Erholungspausen und Belohnungen nach einer Aufgabenerfüllung. Blesch betont: »Tiere müssen ausführlich auf ihren Einsatz vorbereitet und auf einen ruhigen Umgang mit möglichen Stresssituationen trainiert werden. In der Verantwortung eines Anbieters für tiergestützte Therapie liegt es zudem, tagtäglich auf das körperliche und seelische Wohlbefinden der Tiere zu achten, damit diese den Stress der Therapiesituation gut verarbeiten können und ausgeglichen und zufrieden bleiben.« /
Literatur bei der Verfasserin
Dr. Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin in Bonn, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 mit ihrer Dissertation »Traditionelle pflanzliche Febrifuga als moderne Phytopharmaka« zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Dr. Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.