Heimvorteil bei Opioid-Überdosierung |
Christina Hohmann-Jeddi |
07.07.2025 09:00 Uhr |
Bisher werde THN vor allem von einzelnen Einrichtungen der Suchthilfe umgesetzt. Um Todesfälle wirksam zu verhindern, müsste es bundesweit etabliert werden. Hierzu wurde das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiierte bundesweite Modellprojekt NALtrain gestartet, an dem Fleißner federführend beteiligt war. Bei dem Train-the-Trainer-Projekt, das von Juli 2021 bis Juni 2024 lief, erhielten insgesamt 870 Mitarbeiter aus fast 400 Einrichtungen der Drogen- und Suchthilfe oder Gefängnissen eine Ausbildung, um Konsumierende schulen zu können. Diese Schulung erreichte dann 2412 Konsumierende, von denen 1532 ein Naloxon-Präparat erhielten.
Hier zeigte sich bereits das erste Problem: Es sei schwierig, nach der Schulung ein Rezept für das verschreibungspflichtige Naloxon zu organisieren, berichtete Fleißner. Die Ärzteschaft sei damit sehr zurückhaltend.
Wie viele Konsumierende sollten erreicht werden? Dem Referenten zufolge sollten etwa 30 Prozent der Opioid-Konsumierenden das Notfallmedikament zu Hause haben. »In Deutschland wären das 50.000 Menschen.« Von einer Sättigung in der Zielgruppe sei man somit noch weit entfernt. Der Suchtexperte beschrieb auch die Hürden: die noch bestehende Verschreibungspflicht für Naloxon, Widerstände in der Ärzteschaft und eine fehlende Finanzierung für die Schulungen und das Medikament.
Bei der Verschreibungspflicht könnte sich bald etwas ändern. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht empfahl am 21. Januar 2025 den OTC-Switch für Naloxon-Nasenspray zur Anwendung bei bekannter oder vermuteter Opioid-Überdosierung. Einen entsprechenden Referentenentwurf zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsordnung legte das BMG am 17. Juni vor.
Demnach soll Naloxon zur nasalen Anwendung aus der Verschreibungspflicht entlassen werden, »es sei denn, es handelt sich um von der Europäischen Kommission als verschreibungspflichtig zugelassene Arzneimittel«. Bislang sind in Deutschland noch keine entsprechenden OTC-Präparate auf dem Markt, in anderen europäischen Ländern gibt es sie aber bereits.
Der Referentenentwurf sieht zudem vor, dass Naloxon-Nasenspray als Rx für Einrichtungen der Drogen- und Suchthilfe, der Obdachlosenhilfe, des Strafvollzuges, der Zollbehörden, der Ordnungsbehörden und der Bundes- und Landespolizei verschrieben werden kann. »Dadurch wird ein vereinfachter Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Naloxon zur nasalen Anwendung geschaffen«, heißt es in dem Referentenentwurf. Ein entsprechendes Präparat ist in Deutschland verfügbar: Nyxoid® 1,8 mg von Mundipharma. Es ist EU-weit zentral zugelassen.