Heimspiel Apotheke |
Jennifer Evans |
02.09.2022 12:30 Uhr |
Schiedsrichterin bei der Fußball-EM der Frauen und Apothekerin in Zeiten der Coronavirus-Pandemie. Dieses Jahr war für Riem Hussein in beiden ihrer Disziplinen extrem intensiv. Hier bei ihrem Einsatz im Spiel England gegen Norwegen am 11. Juli 2022. / Foto: Imago Images/Sportimage
Wie viel Zeit verbringen Sie pro Woche hinter dem HV-Tisch und wie viel Zeit auf dem Fußballplatz?
In der Apotheke bin ich Vollzeit beschäftigt und arbeite im Schnitt 30 bis 40 Stunden die Woche, je nach Saisonzeitpunkt. In der Sommer- beziehungsweise Winterpause und auch in der Urlaubszeit meiner Geschwister arbeite ich nach Bedarf natürlich auch mal mehr. Die Zeit auf dem Trainings- beziehungsweise Fußballplatz lege ich dann auf den Feierabend, die meisten Spiele sind am Wochenende. Ich bin durchschnittlich sechs Tage die Woche sportlich unterwegs, sei es im Training oder beim Spiel.
Was glauben Sie: Haben Sie mehr Fans als Apothekerin oder als Schiedsrichterin?
Viele unserer Kundinnen und Kunden sind wahre Fußballfans und unterstützen mich mit Leib und Seele. In einer kleinen Stadt wie Bad Harzburg habe ich durch meine Tätigkeit als Schiedsrichterin einen großen Bekanntheitsgrad. Aber glücklicherweise beschränkt sich dieser nicht nur auf mein Hobby. Meine Expertise als Apothekerin wird tagtäglich gefragt und geschätzt.
Was steht in der Packungsbeilage zu Ihrer Person?
Gut verträglich mit Kaffee am Morgen.
Wo benötigt man mehr Wettkampfgeist – auf dem Platz oder in der Offizin?
In der Offizin beweist Riem Hussein denselben Teamgeist wie auf dem Fußballplatz. / Foto: privat
Ich bin ein ehrgeiziger Mensch und versuche, im Training und auf dem Platz als Schiedsrichterin höchst professionell und motiviert meine Aufgaben zu erledigen. Für mich ist das Schiedsrichterwesen auf dem Niveau, auf dem ich es betreibe, ein absoluter Leistungssport. Auch für uns »Schiris« geht es während beziehungsweise am Ende einer Saison um positive Saisonziele beispielsweise Nominierungen zu wichtigen Spielen, internationale Einsätze oder auch Auf- und Abstiege in Leistungsklassen. Den Platz in der Offizin sehe ich nicht als Wettkampfstätte, sondern als Ort, an dem ich meine Erfahrung und mein Wissen weitergebe, ohne mich mit anderen messen zu wollen und zu müssen. Der größte Mitbewerber, den die Apotheke vor Ort hat, ist leider das Online-Geschäft. Der Konkurrenzdruck liegt in erster Linie im Preiskampf. Die Online-Apotheken haben nicht dieselben Pflichten wie wir, zum Beispiel Nacht- und Notdienste, können jedoch stark am Personal sparen. Einige Kunden kommen sehr gerne in die Apotheke vor Ort, lassen sich intensiv beraten und kaufen ihre Medikamente oder auch Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel dann im Netz. Das ärgert mich am allermeisten.
Wem würden Sie gerne mal die Rote Karte zeigen – und warum?
Ich bin glücklich, wenn ich in einem Fußballspiel niemandem die Rote Karte zeigen muss. Menschen, die Hass und Hetze beispielsweise im Netz verbreiten, haben die Rote Karte verdient.
Welche Eigenschaften anderer Menschen würden Sie sofort abpfeifen?
Neid, Missgunst, Ungerechtigkeit und Gewalttätigkeit.
Sie betreiben die Apotheke in Bad Harzburg zusammen mit Ihren Geschwistern. Teilen die Ihre Leidenschaft zum Fußball?
Meine Leidenschaft zum Fußball teilt insbesondere mein jüngster Bruder Amir, der jedoch nicht im Apothekenwesen gelandet ist.
Welche Aufgabe in der Apotheke übernehmen Sie am liebsten?
An Personalführung reizt mich, dass es mir zu jeder Zeit gelingen muss, unserem Team unsere Philosophie, die die Beratung und das Kundenwohl in den Vordergrund stellt, vorzuleben. Zudem möchte ich, dass es jeder Person im Team gut geht. Merke ich, dass von unserer Seite Voraussetzungen geschaffen werden müssen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufrieden sind, versuchen wir darauf zu reagieren. Der Umgang mit unterschiedlichen Charakteren ist im Team, aber auch im Kundengespräch oder auch auf dem Fußballplatz sehr reizvoll für mich.
Wie haben Sie die Coronavirus-Pandemie erlebt – als Apothekerin und als Sportlerin?
Als Apothekerin war die Pandemie in ihren Anfängen die für mich stressigste Zeit in der Apotheke. Ressourcen wurden knapp, zum Beispiel Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken, die Nachfrage war jedoch unfassbar hoch. Die Menschen waren und sind mitunter immer noch verunsichert und haben in uns eine schnell und zu jeder Zeit zugängliche Stelle gefunden, um sich Rat und Informationen zu holen. Zudem prasselten auf uns Apotheken viele Aufgaben ein, die wir von heute auf morgen bewältigen und organisieren mussten wie die Verteilung der FFP2-Masken. Wir sind tagtäglich an unsere Grenzen gestoßen, haben unsere Türen jedoch niemals versperrt und hatten keine Angst. Das wissen unsere Kundinnen und Kunden noch heute und haben die Wichtigkeit der Apotheke vor Ort noch stärker zu schätzen gelernt.
Als Sportlerin ist es in den ersten Monaten sehr ruhig gewesen, zunächst haben unsere Wettbewerbe pausiert oder wurden gar verschoben. Die Spiele fanden in der Folge dann zunächst ohne Zuschauer im Stadion statt, was zu Anfang eine große Umstellung war. Die Trainingsmöglichkeiten waren ebenfalls eingeschränkt, da das Betreten bestimmter Sportstätten nicht erlaubt war.
Wenn Sie noch mal studieren könnten – welches Fach würden Sie dann wählen?
Nach wie vor Pharmazie, dieses Studium hat mir sehr viel Spaß gemacht – allerdings könnte ich mir vorstellen, meine akademische Laufbahn zu vertiefen. Ich habe nach meinem Studium ein Diplom und eine Doktorarbeit erfolgreich abgeschlossen. In einem dieser Themengebiete, Salben beziehungsweise Nanopartikel, könnte ich mir rückblickend betrachtet eine Vertiefung durchaus vorstellen.
Auf welches (sportliche) Ziel arbeiten Sie als nächstes hin?
Die Frauen WM 2023 in Australien und Neuseeland.