Heilmittel gegen Husten |
Patienten, die neben ihrem Husten ein kratziges Gefühl im Hals haben, sollten visköse Sirupe, Säfte oder Lutschpastillen als Darreichungsform für ihr Husten-Präparat wählen. / Foto: YourPhotoToday
»Trocken oder verschleimt?« An dieser Frage orientierten sich bisher die Empfehlungen des pharmazeutischen Personals für ein geeignetes Präparat gegen Erkältungshusten. Doch die Einteilung in produktiven und Reizhusten steht laut der im vergangenen Jahr aktualisierten Leitlinie nicht mehr im Vordergrund. Zum einen seien die Grenzen fließend und eine Unterscheidung oder auch Einschätzung der Sputummenge falle den Betroffenen oft schwer. Viel relevanter für eine gute Beratung sei die Frage nach der Hustendauer.
So weist die aktualisierte Leitlinie der Hustendauer eine entscheidendere Rolle bei der Klassifizierung in akut und chronisch und dem therapeutischen Vorgehen zu. Halten die Beschwerden bis zu zwei Wochen an, spricht man von einem akuten Husten; meist handelt es sich dabei um einen typischen Erkältungshusten, der in den allermeisten Fällen auf einen viralen Infekt der oberen und/oder unteren Atemwege zurückzuführen ist – also ein klassischer Fall für die Selbstmedikation. Dem Apotheker und der PTA obliegt dann in der Beratung die Aufgabe, den Patienten aufmerksam zu beraten und bei Auffälligkeiten an den Arzt zu verweisen. Erkältungsviren können den Atemwegen aber auch deutlich länger als 14 Tage zusetzen: Dauert der Husten länger als drei und bis zu acht Wochen, spricht die Leitlinie von einer subakuten Phase. Alles darüber wird als chronisch bezeichnet.
Derzeit ist vor allem eine mögliche Infektion mit SARS-CoV-2 als Urheber eines protrahierenden Hustenverlaufs in Betracht zu ziehen. »Fünf bis sieben Tage nach der Infektion beginnt eine kritische Phase: Coronaviren nehmen dann auch die Lunge mit in Beschlag«, sagte Dr. Kai-Michael Beeh, Ärztlicher Leiter des insaf-Instituts für Atemwegsforschung, Wiesbaden, bei Presseveranstaltungen der Firmen Sanofi und Pohl Boskamp. Insofern ist die Frage nach der Hustendauer viel zielführender als nach der Produktivität, um etwa einen Erkältungshusten vom Covid-19-Husten abgrenzen zu können, verdeutlichte Beeh die neue Sichtweise der Leitlinienautoren.
Die Leitlinie empfiehlt auch erstmals die zeitversetzte Gabe von Expektoranzien und Antitussiva, vor allem wenn die Nachtruhe gestört ist. »So kann tagsüber bei produktivem Husten das Expektorans gegeben werden und abends vor dem Schlafengehen ein Hustenstiller.« Denn auch ein produktiver Husten kann die Nachtruhe empfindlich stören. Notwendiges Abhusten bleibt trotz Antitussivum erhalten.
Diesen Anwendungshinweis hält Zeeh für praxisrelevant und einen guten Tipp für die Beratung in der Apotheke. Hintergrund: In der Tat könnte durch eine kombinierte Anwendung von Antitussivum und Expektorans aufgrund eines eingeschränkten Hustenreflexes ein gefährlicher Sekretstau entstehen. Die gleichzeitige Gabe erscheint kontraproduktiv, gemäß der Theorie, dass nicht das gefördert werden kann, was gleichzeitig gehemmt werden soll. Dieses Problem löst sich durch die zeitlich versetzte Gabe der beiden Arzneistoffgruppen.
Der viel zitierte Sekretstau, der Antitussiva mitunter zur Last gelegt wird, existiert vermutlich nur in der Theorie, erklärte Zeeh. Die Gefahr, dass sich durch Antitussiva Schleim in den Luftwegen ansammelt, ist nur bei solchen Krankheiten relevant, bei denen reichlich Sputum produziert wird, also bei Mukoviszidose oder Bronchiektasen. Bei Husten, der auf einen grippalen Infekt zurückgeht, hält sich die zusätzliche Produktion zähen Schleims in Grenzen.
Laut Leitlinie verfügen nur Ambroxol, Dextromethorphan und mehrere Phytotherapeutika über »akzeptable randomisierte kontrollierte Studien, die eine Verkürzung der Dauer und/oder die Senkung der Intensität des Hustens bei der akuten Bronchitis belegen«. Unter den chemisch-synthetischen »protussiv/expektorationsfördernden« Wirkstoffen wurde nur Ambroxol (wie Mucosolvan®) aufgrund der Neubewertung von Studiendaten in die Empfehlung bei akutem Erkältungshusten aufgenommen. Nicht so N-Acetylcystein. Es ist zwar der in Deutschland meist eingesetzte Arzneistoff gegen Husten, hat aber eine mangelhafte Studienlage.
Ambroxol setzt im Rahmen der symptomatischen Therapie bronchopulmonaler Erkrankungen an verschiedenen Stellen an. So vermindert es etwa die Viskosität des Schleims und erleichtert dessen Abtransport, verbessert die mukoziliäre Clearance und fördert im Vergleich zu Placebo die schnellere Linderung der Symptome bei akuter Bronchitis. Ein aktuelles Review, das die Daten von rund 1300 Kindern mit akuten Atemwegsinfekten, aber auch chronischen Erkrankungen wie Bronchialasthma analysiert, bestätigt den schnelleren Heilungsverlauf. Darüber hinaus hat Ambroxol lokalanästhetische und somit lokal schmerzlindernde sowie antiinflammatorische Eigenschaften und kann zudem die Konzentration von einigen Antibiotika im Bronchialschleim und Lungengewebe erhöhen.
Unter den pflanzlichen Arzneimitteln gibt es wesentlich mehr Therapieoptionen für Erkältungshusten und eine akute Bronchitis. Gemäß der Leitlinie ist die systemische Therapie mit Phytopharmaka empfehlenswert, »da einige pflanzliche Präparate Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien für eine Linderung der Intensität und ein schnelleres Abklingen des Hustens gegenüber Placebo haben«. Und: Ihre Datenlage für die Indikation akute Bronchitis, so halten die Leitlinien-Autoren fest, sei häufig besser als für synthetische Expektoranzien. Freilich sind die Wirksamkeitsbelege extraktgebunden. Konkret nennt die Leitlinie Zubereitungen aus Myrtol und Cineol, die Kombinationen aus Efeu und Thymian (Bronchipret® Saft TE) sowie Primel und Thymian (wie Bronchipret TP Filmtabletten), Efeu-Extrakte (Prospan®) sowie solche aus Pelargonium sidoides (wie Umckaloabo®).
Unter den aufgeführten pflanzlichen Zubereitungen ist Gelomyrtol® forte das einzige, das sowohl die Zulassung für akute entzündliche Erkrankungen der Bronchien als auch der Nasennebenhöhlen innehat, ein Mischspezialdestillat auf Basis rektifizierter Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöle (Spezialdestillat ELOM-080, früher Myrtol®). Zwar ist auch 1,8-Cineol (Sinolpan® forte, Soledum® forte) für beide Indikationen geeignet und wird auch von der Husten-Leitlinie als pflanzliches Arzneimittel mit Evidenz aufgeführt, doch als isolierte Monosubstanz kann Cineol kein Phytopharmakon sein. Phytopharmaka sind definitionsgemäß Vielstoffgemische.
Zur antitussiven Therapie empfehlen die Leitlinienautoren als einzigen Arneistoff Dextromethorphan. Nur dieses zentral wirkende Antitussivum verfüge über eine randomisiert-kontrollierte Studienlage (wie Silomat® DMP Lutschpastillen und Silomat® DMP Intensiv Kapseln). Pentoxyverin, Codein, Dihydrocodein und Morphin wirkten beim Erkältungshusten nicht besser als Placebo.
Auch die Auswahl einer geeigneten Darreichungsform ist bei der Auswahl des Präparates zu berücksichtigen. Patienten, die neben ihrem Husten über ein kratziges Gefühl im Hals klagen, sollten visköse Sirupe, Säfte oder Lutschpastillen bekommen. Alle drei hinterlassen einen samtigen Film auf der rauen Schleimhaut und haben desinfizierende oder lokal betäubende Eigenschaften. Doch auch Hausmittel wie die viel zitierte Milch mit Honig (siehe Kasten), Salbei- oder Honigbonbons wirken wie Balsam für den geschundenen Hals, weil sie als Demulzens wirken. Als wirksamer Bestandteil gelten übrigens der Zucker oder andere Schleimstoffe, da sie die im Rachen befindlichen Hustenrezeptoren einhüllen. Der Effekt ist deshalb bereits nach kurzer Zeit wieder verflogen.
Honig ist ein empfehlenswertes Hausmittel gegen Husten. Was bereits frühere Auswertungen für die Anwendung bei Kindern nahelegten, bestätigt eine aktuelle Metaanalyse nun auch für Erwachsene. Ein Wissenschaftlerteam der Oxford University Medical School wertete insgesamt die Daten aus 14 Studien mit 1761 Teilnehmern verschiedenen Alters aus. Dabei wurde der Effekt von Honig oder Zubereitungen daraus mit anderen gängigen Arzneimitteln bei Husten und Erkältung verglichen, darunter Expektoranzien, Hustenstiller, Antihistaminika und Schmerzmittel. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachjournal »BMJ Evidence Based Medicine«.
In der Gesamtschau schnitt der Honig in punkto Symptomlinderung besser ab. Sowohl die Frequenz als auch die Schwere der Hustenanfälle war in der Honig-Gruppe niedriger. Zwei Studien zeigten sogar, dass die Symptome unter Honig ein bis zwei Tage eher verschwanden als unter den Medikamenten. Allerdings ist in nur zwei Studien gegen Placebo getestet worden.
Zwar geben die Wissenschaftler zu bedenken, dass Honig kein standardisiertes Produkt ist, sondern eine komplexe Substanz mit einer Vielzahl von Inhaltsstoffen. Doch insgesamt werten sie Honig als echte Alternative gegen Atemwegsbeschwerden – auch um der unsinnigen Verordnung von Antibiotika Einhalt zu gebieten. »Honig ist wirksamer und weniger schädlich als übliche Therapeutika und vermeidet Schäden durch Antibiotikaresistenzen«, so das Fazit.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.