Gutachten: Qualitätskriterien für EU-Versender sind möglich |
Die Lieferbedingungen im Arzneimittel-Versandhandel stehen seit Jahren in der Kritik. Ein juristisches Gutachten könnte die Debatte nun erneut befeuern. / Foto: imago images/Winfried Rothermel
Seit Jahren beschweren sich die Apotheker über Ungleichheiten in der Überwachung zwischen Vor-Ort-Apotheken in Deutschland und internationalen Versandkonzernen. Während für Apotheker und Großhändler zahlreiche Dokumentations- und Qualitätskriterien bei der Belieferung greifen, gelten die EU-Versender in den Niederlanden als sogenannte »Grenzapotheken« – für solche Versandkonzerne gelten jenseits der niederländischen Grenze gelockerte Überwachungs- und Kontrollbedingungen.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Arzt Stephan Pilsinger hat sich in den vergangenen Wochen verstärkt diesem Thema gewidmet. Erst kürzlich hatte Pilsinger beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem die beiden Kontrollsysteme in der Arzneimittelversorgung (Deutschland, Niederlande) verglichen werden. Was den Versandhandel betrifft, gebe es eine »systemimmanente Überwachungslücke«, so eine der Schlussfolgerungen der Expertise.
Nun legt Pilsinger in dieser Debatte nach. Der PZ liegt exklusiv ein weiteres Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vor, in dem es unter anderem um die europarechtliche Machbarkeit von neuen Qualitätskriterien für den Rx-Versandhandel geht. Konkret geht es einerseits um die Frage, ob sich auch die EU-Versender an die Regelungen in der Apothekenbetriebsordnung zur Einhaltung der Kühlkette halten sollten. In §17 der ApBetrO ist vorgeschrieben, dass Vor-Ort-Apotheken Temperaturkontrollen bei kühlpflichtigen Arzneimitteln nachweisen müssen, wenn sie diese versenden.
Die Bundestagsjuristen kommen zu dem Schluss, dass keine Diskriminierung vorläge, sollte es für EU-Versender eine solche Regelung geben – schließlich existiert sie ja bereits für die Vor-Ort-Apotheken. Hinzu komme, dass eine solche Maßnahme aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sein könnte. Die Juristen bezeichnen die Maßnahme als »recht mild« und erklären, dass Nachweise für die EU-Versender mit Blick auf den Gesundheitsschutz »wohl gut begründbar« wären.
Die Juristen stellen allerdings klar, dass dies immer von der konkreten Ausgestaltung der Maßnahme abhänge. Auch im zweiten geprüften Fall sei dies so: Konkret gingen die Experten der Frage nach, ob die verpflichtende Auslieferung von Rx-Arzneimitteln durch pharmazeutisches Fachpersonal europarechtlich machbar wäre. Hier sind die Experten allerdings skeptischer, schließlich würde sich für die Versender dadurch ein »ungleich höherer logistischer und personeller Aufwand« ergeben, weil die Apotheken vor Ort Botendienste durch pharmazeutisches Fachpersonal jetzt schon anbieten können. Die Juristen meinen, dass dies eine »Maßnahme gleicher Wirkung« sein könnte, die den innereuropäischen Handel beeinträchtigen würde. Solche Maßnahmen müssten gut begründet sein, etwa durch den Gesundheitsschutz. Ohne Kenntnis der konkreten Ausgestaltung einer solchen Regelung sei es nicht möglich, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, so die Juristen.