Gut beraten |
Kündigt sich eine Erkältung an, ist die Apotheke oftmals erste Anlaufstelle. / Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt
Grippe oder viraler Infekt? Die beiden viral bedingten Infektionen lassen sich anhand ihres Verlaufs und der Art und Abfolge ihrer Symptome voneinander unterscheiden (Tabelle). Während die echte Grippe ein Fall für den Arzt ist, lässt sich ein grippaler Infekt meist im Rahmen einer gezielten Selbstmedikation gut behandeln. Allerdings: »Wenn sich der Allgemeinzustand insgesamt deutlich verschlechtert, ist ein Besuch beim Arzt erforderlich«, sagte Professor Dr. Martin Scherer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, der PZ.
Sowohl die Erkältung als auch die Grippe werden hauptsächlich symptomatisch behandelt. Dafür stehen chemische und pflanzliche Mittel zur Verfügung. Auch wenn viele Patienten pflanzliche Optionen als vermeintlich sanftere Lösung bevorzugen, sind diese nicht zwangsläufig die bessere Wahl. Dazu sagt der Experte: »Phytopharmaka sind kein Muss, aber ein Kann, sofern Kosten und individueller Nutzen gut ausbalanciert sind. Es gibt jedoch meist keine Notwendigkeit, sie ärztlicherseits besonders zu empfehlen. Sie dienen eher der symptomatischen Unterstützung.«
Patienten fragen bei Multisymptomkomplex-Erkrankungen wie Erkältung oder Grippe häufig nach Kombinationspräparaten. Diese haben für die Erkrankten den Vorteil , dass sie mehrere Symptome mit einem Mittel behandeln können. Nachteilig ist jedoch, dass die Zusammenstellung der Wirkstoffe in den Medikamenten nicht immer nachvollziehbar ist und sie oft nur kurzzeitig die Symptome unterdrücken. Scherer sieht die Kombinationspräparate kritisch: »Es gibt keine bis wenig Evidenz für die Wirksamkeit.« Ein weiteres Problem bestehe im erhöhten Nebenwirkungs-, Wechselwirkungs- und Kontraindikationspotenzial.
Die bessere Alternative sei oft, gezielt Arzneimittel gegen die einzelnen Symptome anzuwenden. Im Fall von Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber sind Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen in jeweils ausreichender Dosierung eine gute Wahl. Als Allgemeinmaßnahme gegen Fieber helfen Wadenwickel. Ob eine rasche Unterdrückung der erhöhten Körpertemperatur jedoch sinnvoll ist, ist umstritten. Fieber als natürliche Abwehrreaktion des Körpers hilft, die Krankheitserreger schneller zu bekämpfen.
Merkmal | Grippe | Grippaler Infekt |
---|---|---|
Erreger | Influenzaviren | verschiedene Viren (Adenoviren bis hin zu Rhinoviren) |
Frühstadium | plötzlicher und heftiger Beginn mit ausgeprägtem Krankheitsgefühl | beginnt meist schleichend |
Symptome | schwere Allgemeinsymptome: Kopf- und Gliederschmerzen | (hohes) Fieber | starke Erschöpfung Atemwegsbeschwerden | Kreislaufstörungen | Schnupfen | Husten | Heiserkeit und/oder Halsschmerzen | Kopfschmerzen | evtl. Fieber |
Krankheitsdauer | 14 Tage bis 3 Wochen | 1 bis 2 Wochen |
Niesreiz, Jucken und Kribbeln in der Nase – das sind die ersten Anzeichen von Schnupfen. Im produktiven Stadium sondert die Nasenschleimhaut zunächst ein wässriges Sekret ab, das sich nach einigen Tagen verdickt. Die Nasenschleimhaut wird dabei stärker durchblutet und schwillt an, das Atmen ist erschwert. Kopfschmerzen, Frösteln und Abgeschlagenheit sind mögliche Begleiterscheinungen.
Als Komplikation kann eine Nasennebenhöhlenentzündung entstehen. Das Apothekenteam kann hier Tropfen oder Sprays mit lokal wirkenden α-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin empfehlen. Wichtig für die Beratung: nur maximal fünf bis sieben Tage anwenden und nicht öfter als zwei bis drei Mal täglich. Andernfalls kann es zur Gewöhnung und bei anhaltender Anwendung zur Schädigung des Schleimhautepithels kommen. Zu bevorzugen sind in der Regel konservierungsmittelfreie Mittel. Präparate, die zusätzlich Dexpanthenol enthalten, wirken pflegend. Zur Befeuchtung der Nasenschleimhaut eignet sich eine Salzlösung in Form von Nasensprays und -tropfen. Diese Mittel verdünnen das Sekret und erleichtern den Abfluss.
Als pflanzliche Optionen kann das Apothekenteam auch auf Nasensprays oder -salben mit ätherischen Ölen hinweisen. Sie punkten mit einer leicht kühlenden Wirkung. Oralia mit ätherischen Ölen wiederum unterstützen ebenfalls den Sekretabfluss. Erleichterung verschafft auch Inhalieren mit
Kamillentee, Kochsalzlösung oder ätherischem Öl aus Eukalyptus, Latschenkiefer oder Fichtennadeln. Vor dem Schlafengehen kann ein Erkältungsbad das Durchatmen erleichtern und für die Nacht ist das Einreiben mit einem Erkältungsbalsam angenehm. Patienten sollten zudem den Raum feucht halten.
Lutschen, gurgeln und sprühen sind lokale Therapiemöglichkeiten bei Halsschmerzen. Das Apothekenteam kann dazu Präparate mit lokalanästhetisch wirkenden Inhaltsstoffen wie Benzocain oder Lidocain empfehlen. Antiseptische Zusätze wie Benzalkoniumchlorid, Cetrimoniumbromid oder Cetylpyridiniumchlorid wirken desinfizierend im Rachenraum. Wenn Patienten pflanzliche Mittel wünschen, sind Zubereitungen mit ätherischen Ölen, Schleimdrogen wie Eibischwurzel oder Isländisch Moos geeignet.
Trocken oder verschleimt ist irrelevant
Die kürzlich veröffentlichte S2k-Leitlinie »Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten« hat auch einige Erneuerungen für die Beratung mitgebracht. So ist den Leitlinien-Autoren zufolge die Unterscheidung zwischen produktivem Husten und Reizhusten aus therapeutischer Sicht nicht relevant. Zum einem seien die Grenzen zwischen trockenem und produktivem Husten fließend und der
Patient könne die Frage nach der Art des Hustens meist gar nicht so leicht beantworten. So werde die Sputummenge häufig überschätzt und auch die Unterscheidung von Speichel und Bronchialsekret sei oft schwierig. Zudem könne sich ein Reizhusten für den Patienten wie eine Verschleimung anfühlen.
Hinzu komme, dass die Evidenz zur Wirkung von Sekretolytika und Mukolytika auf den Husten fehle. Dass Substanzen wie Ambroxol und N-Acetylcystein Hustenbeschwerden dennoch lindern können, sei womöglich auf deren antientzündliche und antioxidative Effekte zurückzuführen. Zudem sei der Leitlinie zufolge bei pflanzlichen Arzneimitteln oft keine eindeutige Trennung zwischen der Wirkungsweise als Hustenblocker oder Expektorans möglich.
Was heißt das nun für die Beratung? Entscheidend für das therapeutische Vorgehen ist die Dauer des Hustens. Halten die Beschwerden maximal zwei Wochen an, spricht man von akutem Husten. Meist handelt es sich hierbei um einen klassischen Erkältungshusten, der auf eine virale Infektion der oberen und / oder der unteren Atemwege zurückzuführen ist – laut Leitlinie die Domäne der Selbstmedikation. Unter den chemisch-synthetischen protussiv / expektorationsfördernden Wirkstoffen verfüge nur
Ambroxol über eine entsprechende Datenlage und sei deshalb empfehlenswert. Als empfehlenswerte Phytopharmaka nennt die Leitlinie Zubereitungen aus Efeu, Cineol, Myrtol, Pelargonium sidoides, die Kombinationen aus Efeu und Thymian sowie Primel und Thymian. Die Leitlinie betont, dass die Wirksamkeitsbelege Extrakt-gebunden sind. Zur antitussiven Therapie empfehle sich Dextromethorphan; hingegen wirkten Codein, Dihydrocodein und Morphin beim Erkältungshusten nicht besser als Placebo. Antitussiva eignen sich laut Leitlinie ergänzend für einen nächtlichen Einsatz, um quälenden Hustenreiz zu unterdrücken und so den Schlaf möglichst erholsam zu gestalten.
Am besten ist es immer noch, gar nicht erst krank zu werden. Dazu hat Scherer folgende Tipps parat: »Händehygiene ist essenziell. Auf ein gutes Stressmanagement sowie auf eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf achten. Menschenansammlungen möglichst meiden, wenn die Erkältungssaison ihren Höhepunkt erreicht hat.«