Grüne wollen Veränderung bei Arzneimittelentwicklung |
Die beiden Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock haben am heutigen Freitag den Entwurf ihres Bundestagswahlprogramm vorgelegt. / Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
2021 ist ein politisches Super-Wahljahr. Vergangenen Sonntag haben bereits zwei Bundesländer einen neuen Landtag gewählt. In Rheinland-Pfalz ist dabei die SPD unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer als klare Siegerin hervorgegangen. In Baden-Württemberg gewannen die Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann die meisten Stimmen. Am 6. Juni folgen die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und im September stehen voraussichtlich gleich vier Wahlen an. Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen werden am 26. September einen neuen Landtag wählen. Und an diesem Tag findet zudem die nächste Bundestagswahl an. Dazu haben nun am heutigen Freitag die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck in Berlin ihren Entwurf für das Wahlprogramm vorgestellt. Dabei strebt die Partei Bündnis 90/Die Grünen vor allem große Veränderungen beim Thema Klimaschutz, aber auch bei Fragen der Digitalisierung an.
Aus gesundheitspolitischer und apothekerlicher Sicht ist der Entwurf des Programms ebenfalls spannend. Einen ersten Einblick zu den gesundheitspolitischen Vorhaben auf Landesebene gab es bereits in den Wahlprogrammen zu den Landtagswahlen in BaWü und Rheinland-Pfalz. Zwar fällt in dem 134-seitigen Entwurf nicht ein einziges Mal das Wort Apotheke. Hinsichtlich Medikamenten und Arzneimitteln wollen die Grünen aber trotzdem einiges angehen. So fordert die Partei, dass Medikamente und Impfstoffe in allen Ländern erschwinglich und zugänglich sein sollen. Zudem möchten sie auch das herrschende Monopol auf »geistiges Eigentum« in Frage stellen, wenn es etwa um überlebenswichtige Schutzmaterialien, Impfstoffe und Arzneimittel geht. Die Produktion von Medikamenten soll »in europäischer Kooperation vorangetrieben werden«. Demnach brauche es auf europäischer Ebene mehr »gemeinsame Strategie und Koordinierung, etwa durch die gemeinsame Planung und Nutzung medizinischer Notfallkapazitäten oder durch ein europäisches Frühwarnsystem«.
Die Grünen wollen zudem das Gesundheitssystem geschlechtergerecht machen. Sie kritisieren, dass geschlechtsspezifische Aspekte in Forschung und Ausbildung und in der medizinischen Praxis nicht ausreichend berücksichtigt werden, etwa bei der Medikamentenforschung. »Das gefährdet die Gesundheit von Frauen wie auch von Trans- und Inter* Menschen.« Damit müsse die Forschung zu geschlechterspezifischer Medizin und Pflege sowie Frauengesundheit gestärkt werden. Zudem pochen die Grünen in ihrem Programmentwurf auf eine Frauenquote für Führungspositionen im Gesundheitswesen.
Sie fordern darüber hinaus »genaue Genehmigungs- und Entsorgungsvorschriften für Medikamente«, also die Produktionsverantwortung von Herstellern zu stärken. Damit soll die Gefahr von Arzneimittelrückständen im Wasser und Resistenzen von Keimen verringert werden.
Zudem fordern die Grünen mehr Einsatz beim Tierschutz: »Wir streben die weitere konsequente Reduktion von Tierversuchen in der Wissenschaft an und wollen Tierversuche mit einer klaren Ausstiegsstrategie und innovativen Forschungsmethoden schnellstmöglich überflüssig machen.« Aus diesen Gründen sollen eine zukunftsorientierte Forschung als auch tierfreie Modelle für verbesserte Medikamentenprüfungen weiterentwickelt und gefördert werden.
Bezüglich der Krankenversicherung möchten die Grünen eine Bürgerversicherung etablieren, die sich von der jetzigen Form der zwei Versicherungstypen unterscheidet. In dieser »solidarisch« finanzierten Versicherung, soll jeder unabhängig vom Einkommen die Versorgung bekommen, die er oder sie brauche. Auch Beamte, Selbstständige, Unternehmer und Abgeordnete sollen sich daran mit einkommensabhängigen Beiträgen beteiligen.
Beim Thema Cannabis zeigen die Grünen eine klare Haltung: Cannabis soll legal verkauft werden. Sie planen, ein Cannabiskontrollgesetz, um »einen kontrollierten und legalen Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften« zu ermöglichen. Offen bleibt dabei die Frage, ob dieser legale Verkauf von Cannabis auch in Apotheken geplant ist. Zudem möchten die Grünen »Drug Checking« einführen, das in Österreich in den großen Städten wie Wien oder Innsbruck beispielsweise schon etabliert ist.
Das vorliegende Programm ist lediglich als Entwurf zu verstehen. Die Parteimitglieder der Grünen können bis zum 30. April Änderungsanträge einreichen. Diese werden dann auf dem Grünen-Parteitag vom 11. bis zum 13. Juni 2021 besprochen und das finale Programm beschlossen.
Entwürfe der Wahlprogramme wurden bislang von der SPD und von den Linken veröffentlicht. Die SPD betont in ihrem Programm beispielsweise das Vorhaben, Deutschland als »Apotheke der Welt« wiederzubeleben. Zudem strebt auch die SPD eine Bürgerversicherung an.
Die Linken betonen in ihrem Programmentwurf, dass Apotheken neben Ärzten, Sozialarbeitern, aber auch Psycho- oder Physiotherapeuten »überall erreichbar sein« müssen. Die Partei möchte »regionale Versorgungszentren (…) mittelfristig zum Rückgrat des ambulanten Sektors« aufbauen. Diese Zentren sollen flächendeckend, auch auf dem Land, barrierefrei und interdisziplinär die Gesundheitsversorgung vor Ort sicherstellen. Hierbei sollen auch Apotheken mitwirken.
Der Entwurf zum Wahlprogramm der FDP soll im April beschlossen werden. Die Liberalen hatten auf ein System gesetzt, an dem nicht nur Mitglieder, sondern auch Interessierte ihre Forderungen an das Programm mit einfließen lassen konnten.
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.