Fünf häufige Probleme bei Medikationsanalysen |
Carolin Lang |
19.02.2024 18:00 Uhr |
Anspruch auf die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation haben Patienten, die mindestens fünf Arzneimittel in der Dauermedikation einnehmen beziehungsweise anwenden. / Foto: Getty Images/MTStock Studio
An erster Stelle stehen für ihn Probleme mit der Adhärenz. »Das ist unzweifelhaft das ABP, bei dem wir Apothekerinnen und Apotheker am meisten machen können«, meinte der Initiator der Webinarreihe »100 Medikationsanalysen später«, bei der regelmäßig Fälle aus dem Apothekenalltag vorgestellt und interdisziplinär diskutiert werden. Erst kürzlich hatte Göbel anhand eines »brutalen Adhärenz-Falls« aus seiner Apotheke aufgezeigt, wie viel eine Medikationsanalyse dabei bewirken kann.
»94 Prozent der Patienten nehmen ihre Medikamente anders, als der Hausarzt das erwartet«, hob er mit Verweis auf eine KBV-Broschüre hervor. Etwa 25 Prozent erhielten zudem eine Medikamentenkombination mit einem klinisch relevanten Interaktionsrisiko, führte er aus. So nannte er Arzneimittelwechselwirkungen als weiteres typisches ABP bei Medikationsanalysen.
Als Beispiel aus der Webinarreihe führte er die Kombination von Atorvastatin und Amiodaron an. Das Antiarrhythmikum hemme den Abbau dieses Statins, was zu Myopathien und im schlimmsten Fall zur Rhabdomyolyse führen könne. Die Lösung des Fallbeispiels war der Switch zum wechselwirkungsärmeren Rosuvastatin. Beim Fall »Ein blutender Patient« hatte die Kombination von Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Escitalopram und Omeprazol massives Nasen-, Zahnfleisch- und Magenbluten verursacht.
Als »wahrscheinlich häufigste Wechselwirkung in den öffentlichen Apotheken« und drittes typisches ABP nannte Göbel die Kombination QT-Zeit-verlängernder Medikamente. Die QT-Zeit entspricht im Elektrokardiogramm der Zeit vom Beginn der sogenannten Q-Zacke bis zum Ende der T-Welle. Sie hängt von der Herzfrequenz ab. Die QTC-Zeit hingegen ist auf 60 Schläge pro Minute normiert. Werte über 500 Millisekunden seien ein deutlicher Risikofaktor für Torsade-de-pointes-Tachykardien, erklärte Göbel, die wiederum zu Kammerflimmern und plötzlichem Herztod führen könnten.
»Die QTC-Zeit ist abhängig von vielen verschiedenen Faktoren und kann selten nur anhand der Medikamente bestimmt werden«, betonte Göbel. So seien etwa auch Geschlecht, Alter, Elektrolytverschiebungen oder Erkrankungen wie Hypothyreose oder Herzinsuffizienz zu berücksichtigen. Um das Risiko in Form eines Scores zu ermitteln, könnten Apotheker das kostenfreie Angebot von www.medsafetyscan.org nutzen.
Auch eine eingeschränkte Nierenfunktion führe nicht selten zu ABP. »Wenn Sie einen Laborwert regelmäßig mit einbeziehen wollen, sollte es der Nierenwert sein«, sagte Göbel. Dieser sei gerade zur Bewertung der Dosierung elementar. Apotheken verwies er auf www.dosing.de, um die angemessene Dosierung eines Arzneistoffs bei Niereninsuffizienz einschätzen zu können. Zwar würde der Wert bei einer Medikationsanalyse nicht immer mitgeliefert, doch sei es hin und wieder sinnvoll, diesen beim Arzt zu erfragen. Ein Muss sei das aber nicht, stellte er klar.
Ein weiteres Problem, das ihm häufig begegne, seien fehlerhafte Medikationspläne. Dass dies eher die Regel als die Ausnahme ist, zeigte erneut eine Untersuchung zum bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP) aus dem Jahr 2023. Keiner der untersuchten BMP war hier komplett ausgefüllt und vollständig, 79 Prozent zeigten relevante Abweichungen.
Von solch einem Fall berichtete beim Webinar Ulrike Eimer. Ein 71-jähriger Stammkunde, den die angestellte Apothekerin als »leicht kognitiv eingeschränkt und einsam« beschrieb, hatte bei ihr ein Rezept eingelöst, wobei sie eine Wechselwirkung mit seiner Dauermedikation feststellte. Dies nahm sie zum Anlass für eine Medikationsanalyse.
Beim Anamnesegespräch stellte Eimer fest, dass »großes Chaos« herrschte: Der Medikationsplan stimmte nicht mit den vom Patienten im Brown Bag mitgebrachten Medikamenten und seiner Selbstauskunft dazu, wie er diese einnimmt, überein. Eimer überarbeitete den Medikationsplan daraufhin gemeinsam mit der Hausärztin und ging ihn dann gemeinsam mit dem Patienten durch. Da er dennoch überfordert schien, verblistert die Apotheke dem Patienten seine Medikation seitdem.
Beim nächsten Teil der Webinarreihe am 14. März gibt es ein Update zur Pharmakotherapie des Typ-2-Diabetes und ein passender Medikationsanalysefall wird interprofessionell besprochen. Mehr Informationen gibt es unter www.pharma4u.de/apotheker/webinare/termine/.