Frauen zwischen Unter- und Überversorgung |
Im Schnitt erhalten Frauen mehr Medikamente als Männer, auch im Alter. Eine Medikationsanalyse mit Blick auf geschlechtsspezifische Nebenwirkungen kann hier helfen, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. / Foto: Getty Images/sturti
Die weitere Erforschung und Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden bei der Wirkung und Anwendung von Arzneimitteln ist eine wichtige Grundlage für die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) bei Frauen. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten ersten Frauengesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor. Zur Beurteilung der AMTS und Versorgungsqualität müsse verstärkt Hinweisen auf eine mögliche Über-, Unter- und Fehlversorgung mit Arzneimitteln nachgegangen werden. Auch dabei sei der Blick auf Geschlechterunterschiede unumgänglich, wobei dieser von vielen Widersprüchen geprägt sei.
Fest stehe: Bei Frauen aller Altersgruppen kämen generell durchschnittlich mehr Arzneimittel zur Anwendung als bei Männern. Zwar steige die Polypharmazie bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter und besonders ab 60 Jahren deutlich an, doch sei auch die Multimedikation und Verordnung verschiedener Arzneimittel gegen mehrere Erkrankungen in fast allen Altersgruppen beim weiblichen Geschlecht häufiger als beim männlichen Geschlecht zu beobachten.
Dabei liege vor allem die Zahl der verordneten Psychopharmaka bei Frauen deutlich höher. Dieses werde durch Analysen der Barmer Ersatzkasse bestätigt, nach denen psychotrope Arzneimittel bei Frauen zwei- bis dreimal häufiger zum Einsatz als bei Männern kommen.
Ganz anders stelle sich die Lage zum Beispiel bei körperlichen Erkrankungen wie Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz beziehungsweise bei der medikamentösen Sekundärprävention koronarer Herzkrankheiten dar. Frauen erhalten hier seltener als Männer eine leitliniengerechte evidenzbasierte Arzneimitteltherapie, machen die Autoren des RKI-Gesundheitsberichtes deutlich.
Hier komme nicht nur das per se bei Mann und Frau unterschiedliche ärztliche Verordnungsverhalten ins Spiel. Auch die Verunsicherung der Therapeuten durch unterschiedliche Nebenwirkungsprofile bei Männern und Frauen scheine eine Rolle zu spielen. So wisse die Medizin heute, dass Frauen bei der Einnahme von Medikamenten generell mehr Herzrhythmusstörungen in Form von Torsade-de-Pointes-Tachykardien zeigen. Bekannt sei auch, dass diese speziell beispielsweise bei der Einnahme von ACE-Hemmern häufiger als Männer zu Reizhusten neigen.
Die Autoren des Gesundheitsberichtes sprechen von einer lückenhafte Datenlage zu therapierelevanten geschlechtsassoziierten Unterschieden, die daraus resultiere, dass Frauen in klinischen Studien bislang häufig unterrepräsentiert waren. Auch wenn die Erforschung pharmakologischer Geschlechterunterschiede in klinischen Studien zwischenzeitlich international an Aufmerksamkeit gewonnen habe: Hier bestehe noch viel Nachholbedarf.