Fortschritte und Fragen |
| Annette Rößler |
| 10.04.2025 09:00 Uhr |
Eine Expertenkommission, die im Auftrag des Fachjournals »The Lancet« kürzlich eine neue Definition der Adipositas erarbeitete (DOI: 10.1016/S2213-8587(24)00316-4), schlug daher eine Einteilung in eine »klinische« und eine »präklinische« Adipositas vor. Nur Erstere sieht sie als Erkrankung, und zwar als eine chronische, mit einer anhaltenden Funktionsstörung von Organen einhergehende Krankheit. Präklinische Adipositas definiert sie dagegen als einen Zustand, der dieser Krankheit vorausgeht. Es sei dann Fettgewebe im Übermaß vorhanden (Adipositas), aber es gebe noch keine Funktionseinschränkung von Organen und keine Folgeerkrankungen, lediglich ein erhöhtes Risiko dafür.
Für sich genommen solle der BMI nur noch als Surrogatparameter für Gesundheitsrisiken auf Bevölkerungsebene, für epidemiologische Studien und für Screeningzwecke genutzt werden, heißt es in der Publikation. Um überschüssiges Körperfett festzustellen, solle dieses bestenfalls direkt gemessen werden, was beispielsweise per bioelektrischer Impedanzanalyse oder Dual-Röntgen Absorptiometrie möglich ist (Kasten). Diese Verfahren sind jedoch aufwendig und nicht immer verfügbar.
Bei einer Adipositasdiagnostik werden unter anderem der Taillen- und der Hüftumfang von Patienten gemessen. / © Getty Images/Jelena Stanojkovic
Einfacher ist es, den Taillenumfang zu messen und daraus das Verhältnis Taille-Hüfte (Waist-to-Hip-Ratio, WHR) oder das Verhältnis Taille-Höhe (Waist-to-Height-Ratio, WHtR) abzuleiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert abdominelle Adipositas als eine WHR von > 0,90 bei Männern und > 0,85 bei Frauen. Für die WHtR wird ein Grenzwert von 0,5 für Männer und Frauen angenommen.
Um eine Adipositas nachzuweisen, könnten dann mindestens eine Messung von Taillenumfang, WHR oder WHtR plus BMI oder mindestens zwei Messungen von Taillenumfang, WHR oder WHtR ohne BMI herangezogen werden. Lediglich bei einem BMI über 40 kg/m2 könne man ohne eine der genannten Messungen davon ausgehen, dass eine Adipositas vorliegt, so die »Lancet«-Kommission.
Bei der bioelektrischen Impedanzanalyse (BIA) werden Elektroden an der Hand und am Fuß eines Probanden angebracht, über die ein schwacher Wechselstrom durch den Körper geleitet wird. Anhand des gemessenen Widerstands (Impedanz) lassen sich die Fettmasse und die fettfreie Masse des Körpers bestimmen. Auf demselben Prinzip basieren Körperanalysewaagen für den Privatgebrauch. Sie sind laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest teilweise sehr gut darin, die Körperzusammensetzung zu bestimmen, machen dabei aber teilweise auch gravierende Fehler. Bei der Dual-Röntgen Absorptiometrie (DEXA) werden Röntgenstrahlen unterschiedlicher Energie verwendet, um die Körperzusammensetzung zu messen. Die DEXA wird auch zur Osteoporose-Diagnostik eingesetzt.
Mittels BIA oder DEXA lässt sich zudem eine Form der Adipositas identifizieren, die erst relativ kürzlich eine eigene Definition erhalten hat: die sarkopene Adipositas. Sie zeichnet sich aus durch eine reduzierte Muskelmasse und -funktion (Sarkopenie) bei gleichzeitig deutlich erhöhtem Körperfettanteil. Betroffene sind anfälliger für Krankheiten und haben eine reduzierte Lebenserwartung.
Die Reaktionen auf diese Vorschläge fielen gemischt aus. Professor Dr. Thomas Reinehr von der Privaten Universität Witten/Herdecke wies darauf hin, dass Messungen des Bauchumfangs und der Körperzusammensetzung deutlich stärker als der BMI variieren können, je nachdem, wer die Untersuchung durchführt und unter welchen Umständen. Auch würden abhängig von der gewählten Messmethode unterschiedliche Personengruppen als adipös identifiziert, ergänzte Professor Dr. Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke.