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Gesundheitsförderung

Firmen als Partner der Apotheke

Wie es gelingt, pharmazeutische Expertise samt angemessener Vergütung auch außerhalb der Offizin zu etablieren, berichtet die Apothekeninhaberin und Vize-Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg, Tatjana Zambo aus Gaggenau, im PZ-Interview.
Jennifer Evans
05.07.2019  07:00 Uhr

PZ: Seit wann gehen Sie aktiv auf Betriebe zu, um pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten?

Zambo: Das war ein fließender Prozess. Eigentlich bin ich schon aus der Apotheke rausgegangen, seit ich mich im Jahr 2002 selbstständig gemacht habe. Seitdem habe ich Leistungen von Diabetes- oder Lungenfunktions-Tests über Vitamin-D- und Venen-Messungen bis hin zu Medikations-Checks angeboten. Angefangen hat der Einsatz bei Krankenpflegediensten, Sportvereinen, Gesundheitstagen und kleineren Unternehmen in meinem Umfeld.

PZ: Jetzt wollen Sie aber einen Schritt weitergehen und sich diese Leistungen von den Krankenkassen bezahlen lassen.

Zambo: Ja. Mein Ziel ist es, dass solche pharmazeutischen Serviceleistungen außerhalb der Apotheke fester Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsmanagements werden, basierend auf den Anforderungen des Gesetzgebers. Dazu gehört natürlich, dass sie adäquat vergütet werden. Neu ist, dass ich mit dem Projekt BGF Vital jetzt aktiv auf die Krankenkassen zugehe. Ich befinde mich gerade in einer sehr spannenden Zeit, weil alles im Aufbau ist.

PZ: Ist Ihr Projekt »Betriebliche Gesundheitsförderung Vital« (BGF Vital) nur etwas für große Firmen oder können auch kleinere Betriebe davon profitieren?

Zambo: Vor Ort in Gaggenau bin ich derzeit mit einigen kleinen Firmen im Gespräch. Meine Idee für die Zukunft ist, dass unser Apotheken-Team auch Kleinstbetriebe betreuen kann. Und falls diese selbst in den eigenen Räumen keinen Platz für Vorträge oder Messungen haben, wir das für sie in unserer Apotheke anbieten können. So zumindest meine Zielvorstellung.

PZ: Welche Vorteile hat ein Betrieb, wenn er sich von Ihnen rundum betreuen lässt?

Zambo: Oberstes Ziel ist es, wenn das Unternehmen darin selbst eine Win-win-Situation erkennt. Der Arbeitgeber bietet seinen Mitarbeitern diesen pharmazeutischen Service zusätzlich an und im besten Fall kommt ein positives Ergebnis dabei heraus. Das heißt, wenn der Mitarbeiter beispielsweise feststellt, dass er womöglich seinen Lebensstil umstellen muss, um nicht krank zu werden. Der Plan ist, dass eine Firma zum festen Partner der Apotheke wird.

PZ: Wie sieht das konkret aus?

Zambo: Anhand individueller Verträge könnte man regeln, wie oft im Jahr verschiedene Aktionen für die Mitarbeiter einer Firma stattfinden. Das können regelmäßige Veranstaltungen wie Vorträge über Themen von Alkoholkonsum bis Diabetes sein. Zusätzlich kann der Jahresplan einen fixen Termin für Screening-Aktionen oder dokumentierte Messungen umfassen, die wir dann auch mit den teilnehmenden Personen besprechen. Im Herbst könnten wir außerdem Info-Flyer zur Grippeimpfung verteilen. Die Absicht dahinter ist, die Betriebe komplett zu begleiten.

PZ: Welche Rückmeldung haben Sie bislang von den Betrieben bekommen?

Zambo: Meines Wissens nach sind die Aktionen sehr positiv angenommen worden, und die Mitarbeiter haben sich rege daran beteiligt.

PZ: Im Prinzip könnte doch jede Apotheke solche Aktionen anbieten?

Zambo: Natürlich. Ich hoffe auch sehr, dass immer mehr Kollegen den Schritt wagen und hinausgehen. Gesundheitschecks wie etwa mithilfe des FINDRISKBogens, einer Peak-Flow-Messung oder aber einfach ein Medikations-Check könnte leicht durchgeführt werden. Der Vorteil: Man trägt damit die pharmazeutische Kompetenz nach außen.

PZ: Mal ehrlich: Wenn die Kassen in Zukunft Ihr Konzept finanzieren, wird die Summe tatsächlich alle anfallenden Kosten decken können?

Zambo: Zumindest hat ein Pilotprojekt mit der Barmer in Stuttgart gezeigt, dass es mit den dafür eingeplanten Geldern gut funktionieren kann. Neben dem Apotheker wurde dort auch ein PTA bezahlt. Allerdings istArbeit, die man mit der Ausarbeitung und der Organisation hat, damit nicht abgedeckt. Ein Nachteil des Stuttgarter Projekts war außerdem, dass die Akquise der Unternehmen über die Kasse lief. Das wollen wir Apotheker aber in Zukunft selbst übernehmen.

PZ: Wie geht es jetzt weiter?

Zambo: Aktuell bin ich mit der AOK, die für meine Gegend zuständig ist, im Gespräch. Gerne möchte ich die Kasse davon überzeugen, dass wir im Rahmen des BGF-Vital-Projekts dort ansetzen können, wo es für die Kasse nicht mehr interessant ist – sprich dort, wo die Betriebe zu klein sind.

PZ: Kommt der Einsatz auch der Außenwirkung Ihrer Apotheke zugute?

Zambo: Imagebildend sind solche Maßnahmen definitiv. Als Unternehmer setzt man so eigene Akzente. In meinen Augen sollte es allerdings ein Vorsatz des gesamten Berufstands sein, sich außerhalb der Offizin zu präsentieren. Nehmen wir mein Beispiel: Ich lebe in dieser mittelgroßen Stadt. Vor Ort mussten in den vergangenen Jahren schon viele Läden dichtmachen. Umso wichtiger ist es für uns Unternehmer, gute externe Netzwerke zu knüpfen, damit wir nicht zu viel Kaufkraft ans Internet verlieren.

PZ: Zieht Ihr Apotheken-Team bei den Aktionen mit?

Zambo: Ja, sehr. Alle haben große Freude daran. Mein Team empfindet die BGF-Aktionen als positive Abwechslung im Apotheken-Alltag. Vor allem deshalb, weil die Mitarbeiter ihre pharmazeutische Kompetenz außerhalb der Apotheke darstellen können und wieder stärker beratend tätig sind. Darüber hinaus binden solche Aktionen das Personal, weil die Aktionen und Netzwerke eine langfristige Planung erfordern. Ich denke, je aktiver ein Arbeitgeber ist, desto interessanter wird er automatisch im Arbeitsmarkt und auch für den Nachwuchs.

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