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Führungspersönlichkeiten

Chef zu sein, kann Spaß machen

Oft reichen ein paar Tricks und Kniffe, um Gespräche mit Mitarbeitern erfolgreich zu führen. Ein Team zu leiten, sei erlernbar und biete viel Gestaltungsspielraum, sagt Apothekerin und Fachtrainerin Martina Kroneisen im PZ-Interview. Auch der Betrieb profitiert von einer guten Leitung.
Jennifer Evans
14.10.2020  11:00 Uhr

PZ: Wie kam es dazu, dass Sie heute Führungskräfte in Apotheken coachen? Haben Apotheker einen besonderen Nachholbedarf?

Kroneisen: Die Motivation liegt in meinem Interesse an Menschen. Ich möchte meinen Kollegen in der Apotheke Unterstützung bieten, mit herausfordernden Situationen im Beruf besser umgehen zu können. Natürlich helfen entsprechende Fertigkeiten im Apothekenalltag, auch Abläufe zu verbessern – das weiß ich aus eigener Erfahrung. Die Kombination aus meiner Arbeit in einer großen Krankenhausapotheke mit der Tätigkeit als Coach und Trainerin empfinde ich als wertvoll und bereichernd. Seit rund sechs Jahren arbeite ich in beiden Bereichen.

PZ: Welche Qualifikationen sind für eine Führungskraft in einer Apotheke wichtig?

Kroneisen: Eine Apotheke ist ein stark regulierter Bereich. Wir kommen mit sehr viel Fachwissen von der Universität, haben aber nicht gelernt, wie wir ein Team führen. Dabei kommt auf jeden Apotheker von Beginn an viel Personalverantwortung zu. Wichtig ist, dass man seinen eigenen Stil in der Leitungsrolle entwickelt, um authentisch zu sein. Grundsätzlich gehört es zum Handwerkszeug eines jeden Chefs, zunächst für sich selbst klar zu definieren: Wer bin ich, welche Ziele verfolge ich und wie lassen sich diese mit meinem Team vereinbaren? Um seine Mitarbeiter zu unterstützen, ihre Fähigkeiten optimal zu entfalten, muss man das Team gestalten. Ein Kapitän muss wissen, wohin er sein Schiff steuert. Wenn der Chef keinen Kurs hat und im Strudel des Alltags verloren geht, merken das die Mitarbeiter sofort.

PZ: Wie gelingt das?

Kroneisen: In erster Linie geht es um ein ehrliches Interesse an den Menschen und eine gute Kommunikation. Das klingt vielleicht überraschend, ist aber für den Alltag sehr entscheidend. Ein Chef muss wissen, wie es den Menschen um ihn herum geht und was sie benötigen, um gut arbeiten zu können. Außerdem muss er die Stärken, Talente und die Vielfalt seines Teams genau kennen und fördern. Fehler sollen grundsätzlich als positive Chance verstanden werden, um Prozesse zu optimieren.

PZ: Wie vermitteln Sie solche Kompetenzen?

Kroneisen: Die Inhalte unserer Seminare sind möglichst erlebbar gestaltet, damit sie greifbar werden. Daher ist der Theorieteil in unseren Seminaren bewusst kurzgehalten. Im Fokus steht die eigene Werteentwicklung, wie beispielsweise Sicherheit oder Freiheit. Die müssen den Mitarbeitern klar sein, damit sie den Kurs des Chefs annehmen können. Wichtig ist ebenfalls zu lernen, seinen Gesprächspartner genau zu beobachten und dessen Körpersprache zu lesen. Denn kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen Reaktion und Körpersprache, ist es Aufgabe des Chefs nachzuhaken. Durch gezieltes Nachfragen fühlen sich Mitarbeiter zudem wertgeschätzt. Ich lege Wert darauf, entsprechende Fragetechniken zu vermitteln. Idealerweise können Führungskräfte dann leichter erkennen, ob genau das bei den Mitarbeitern angekommen ist, was sie sagen wollen. Und im Zweifelsfall kann man andere Worte finden, um einen Sachverhalt für den Mitarbeiter verständlich und nachvollziehbar zu erklären.

PZ: Wie sollte eine Führungskraft kommunizieren?

Kroneisen: Ausschlaggebend ist, mit welcher inneren Haltung sie in ein Gespräch geht. Es macht viel aus, ob man das Gespräch bereits mit der Erwartung beginnt, dass es lang und anstrengend oder aber schön und produktiv sein wird. Ein Chef soll zielbezogen, bestärkend und positiv formulieren. Dabei muss er trotzdem klar und deutlich bleiben. Das gilt insbesondere für Bereiche, bei denen es gegebenenfalls unangenehm wird, sie anzusprechen. Auch Zielvorstellungen sollen positiv und unmissverständlich formuliert sein. Zentral ist ebenfalls, die Sprache seinem Gegenüber anzupassen. Speziell, wenn Fehler angesprochen werden, sollte man so formulieren, dass sich der andere nicht angegriffen fühlt.

PZ: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Kroneisen: Die Frage nach dem Warum etwa drängt den Gesprächspartner schnell in eine Verteidigungshaltung. Das ist nicht zielführend. Daher appelliere ich, diese nur behutsam einzusetzen und stattdessen ganz konkret nachzufragen. Entsteht eine Frage aus einem Verbesserungsgedanken heraus, geht es eher darum, wie ein solches Problem in der Zukunft vermieden werden kann. So entwickelt sich schnell Wohlwollen auf beiden Seiten.

PZ: Haben Soft Skills für Führungskräfte in Apotheken in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen?

Kroneisen: Definitiv ja. In Apotheken steckt noch viel Potenzial. Vielen Apothekern ist vielleicht noch nicht bewusst, dass Konflikte im Alltag durch eine klare Kommunikation und eine gute Teamführung gar nicht erst entstehen müssen. Durch neue Kompetenzen können sie das Arbeiten insgesamt effektiver gestalten. Die Mitarbeiter sind dann zufriedener und in der Folge auch seltener krank. Aus meiner Sicht lohnt es sich auf jeden Fall, an diesem Rädchen zu drehen.

PZ: Halten Führungsaufgaben einige Apotheker davon ab, eine Offizin überhaupt erst zu übernehmen?

Kroneisen: Ich denke, das ist sicher in vielen Fällen eine Hemmschwelle. Viele Apotheker interessiert das Fachliche, aber sie scheuen sich davor, Personal zu führen und die Verantwortung zu tragen. Ein Teil des Arbeitsalltags besteht jedoch nun mal aus Führungsaufgaben. Daher muss ein Apotheker sich unbedingt mit dem Thema der Mitarbeiterführung auseinandersetzen. Der Betrieb lebt von den Menschen, die darin arbeiten. Erst so wird er zukunftsfähig, das sollte man sich bewusst machen. Und viele Kollegen wissen noch gar nicht, dass Team-Gestaltung viel Freude macht. Oft bereitet die richtige Balance zwischen dem Alltagsgeschäft und der Führungsaufgabe Probleme. Die Leitungen arbeiten beispielsweise häufig voll im Tagesgeschäft mit und delegieren selten. Da spielen Aspekte wie Kontrolle und Loslassen eine Rolle.

PZ: Welchen Ausweg gibt es aus dem Dilemma?

Kroneisen: Die Führungskraft kann einen Rahmen stecken, in dem die Mitarbeiter selbst gestalten können. Das fällt vielen oft nicht leicht, weil Verantwortung abgegeben werden muss. Innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen etwa mit Blick auf die Aufgabenbereiche der PTA lassen sich dennoch Spielräume finden und Aufgaben delegieren. Das ist auch deshalb wichtig, damit bei Abwesenheit des Chefs der Betrieb in der Apotheke reibungslos weiterläuft.

PZ: Ist das Führen eines Teams Talentsache oder für jeden erlernbar?

Kroneisen: Jeder Mensch bringt Fähigkeiten und Stärken mit, die er in seiner Führungsrolle einsetzen kann. Aber jeder hat auch Bereiche, in denen er sich schwertut. Weniger ausschlaggebend ist meiner Erfahrung nach das Talent, als vielmehr die innere Einstellung zur Führung. Da sind wir wieder bei der positiven Grundhaltung und dem Interesse an den Mitarbeitern. Die Führung von Mitarbeitern ist erlernbar. Mit Offenheit und Mut gelingt es auch, unliebsame Entscheidungen zu treffen und dabei gleichzeitig bei sich selbst und bei den Mitarbeitern zu bleiben.

PZ: Was ist Ihr Appell an die Apotheker?

Kroneisen: Ich wünsche mir Apotheker, die die Führungsaufgabe annehmen und sich nicht dagegen sträuben. Insbesondere in diesen sich wandelnden Zeiten ist es für den Berufsstand von Bedeutung, Perspektive für die Zukunft zu schaffen. Jeder Apotheker sollte sich fragen: Wo stehe ich aktuell mit meinem Betrieb, wo will ich hin, wer sind meine Kunden und wie kann ich gemeinsam mit meinen Mitarbeitern die Apotheke kundenorientiert und wirtschaftlich führen? Wer zukunftsfähig sein will, muss sich bewegen. Dazu sind Mut sowie neue Konzepte und Kenntnisse gefragt.

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