Essen und Trinken am Lebensende |
Da die ernährungsphysiologisch sinnvollste Nahrung wenig hilft, wenn der Patient sie wegen Appetitlosigkeit nicht essen/trinken kann, kommt den Appetitstimulanzien eine besondere Rolle zu. Der Ansatz sämtlicher empfohlener Stimulanzien ist entsprechend der Pathogenese antiinflammatorisch (Tabelle 2).
Substanzklasse, Wirkstoffe und Dosierungen | Bemerkungen |
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Steroide:Dexamethason 4 mg morgensPrednisolon 20 mg morgens | Einsatz für wenige Wochen und erhebliche Nebenwirkungen (NW): Steroidmyopathie mit zusätzlicher Verstärkung der Schwäche, Immunschwäche, Insulinresistenz, gastroenterologische NWkönnen in den letzten Lebenswochen gegeben werdenSynergismen, zum Beispiel bei Tumornerveninfiltration, GIT-ObstruktionApplikation möglichst früh am Morgen |
NSAR:Indometacin 100 mg/dIbuprofen 1200 mg/dCelecoxib 400 mg/d | kann bei Patienten erwogen werden, die auf Schmerztherapie (v.a. bei Knochenschmerzen) angewiesen sindNW: GI-Blutungen, Ulcera, Niereninsuffizienz, Thrombozytenaggregationshemmung, in Kombination mit Steroiden erhöhtes Risiko für Gastritis und GI-BlutungenApplikation nach einer Mahlzeit |
Gestagene:Megestrolacetat 160 bis 800 mg/d | kann eingesetzt werden, um Körpergewicht zu steigern, kein Einfluss auf Körpermagermasse, Off-Label-UseNW: Thrombembolien, Nebenniereninsuffizienzeinschleichend dosieren: Beginn mit 80/160 mg und Steigerung nach einer WocheEinnahme nach dem Essen |
Cannabispräparate:Dronabinol start slow,d.h. 1 gtt zur Nacht,Zieldosis 3 × 3 Trpf(= 3 × 2,4 mg) | können bei Patienten mit Tumorkachexie und Geschmacksstörungen erwogen werdensynergistische Effekte mit SchmerzmedikationNW: psychotrope Effekte, Kognitionsstörung, Delirsynthetisches Cannabis (Dronabinol): deutlich günstiger als Extrakte |
Cannabis Extrakte | ob die neu auf dem Markt befindlichen Extrakte, vor allem die TCH/CBD-Kombinationstherapien, einen Vorteil bringen, zum Beispiel bei der Verträglichkeit, bleibt in Studien abzuwarten |
Insulin | kann vor allem bei Diabetespatienten eingesetzt und anstelle von oralen Antidiabetika erwogen werdenin Kombination mit anderen Ernährungsmaßnahmen wie enteraler/parenteraler Ernährung, ausreichende Zufuhr an Kohlenhydraten muss sichergestellt sein |
Eicosapentaensäure (EPA):1,5 bis 2,5 g pro Tag, auch als Bestandteil von Fischöl | kann zur Verbesserung systemischer Inflammationsmarker, von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Lebensqualität verabreicht werdenhäufig hoher Vitamin-E-Gehaltcave Risikobewertung, zum Beispiel Prostatakrebs bei unkontrollierter Supplementierung bei Männern > 55 Jahre (13)Fischölgeschmack für Patienten mit Anorexie oft schwierigKapseln häufig mit geringem EPA-Gehalt (i.d.R. 8 Kps/d zusätzlich zur übrigen Medikation, kaum zu bewältigen), alternativ hoch dosierte Kapseln ohne Vitamin E |
Dabei gilt es besonders, den antiinflammatorischen Therapieansatz durch moderate Ausdauerbewegung (zum Beispiel Ergometer, Spazierengehen) zu fördern. Moderate Bewegung beeinflusst das Zytokinmuster ebenso positiv wie die diversen antiinflammatorischen Substanzen. Dabei hat Bewegung keine Nebenwirkungen und macht oft sogar noch Spaß.
In der Palliativmedizin kommen vor allem Steroide und Cannabinoide, selten bei Diabetespatienten auch Insulin zum Einsatz. Darüber hinaus wird die appetitsteigernde Wirkung von Antidepressiva genutzt, auch wenn diese nicht zu den Appetitstimulanzien zählen. So kann Mirtazapin zur Nacht sowohl antidepressiv als auch appetitsteigernd, aber auch koanalgetisch und schlaffördernd wirken. Solche Synergismen werden in der Palliativmedizin bevorzugt.
Da mit der aufgenommenen Essensmenge auch ein Gewöhnungseffekt einhergeht, kann die Medikation manchmal beendet werden, wenn sich ein verändertes Essverhalten etabliert hat. Sind die Substanzen wirkungslos, müssen sie unbedingt abgesetzt werden.