Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Palliative Care

Essen und Trinken am Lebensende

Jeder Mensch mit einer schweren chronischen Krankheit, mit begrenzter Lebenserwartung oder starker Gebrechlichkeit hat einen Anspruch auf Palliativversorgung. Einen besonderen Stellenwert nehmen Essen und Trinken ein, da diese existenziell zum Leben eines jeden Menschen gehören.
AutorKontaktKirsten Dahse
AutorKontaktUlla Mariam Hoffmann
Datum 09.04.2023  08:00 Uhr

Wenn Menschen in schwerer Krankheit oder im Alter immer weniger essen und in der Sterbephase nicht mehr trinken, dann taucht oft die Frage nach dem »Verhungern und Verdursten« auf. In Palliativsituationen haben die Menschen jedoch häufig keinen Hunger und keinen Durst – sie verhungern und verdursten in diesem Sinne nicht. Vielmehr haben sie wenig oder keinen Appetit mehr. So ist Anorexie (Appetitlosigkeit mit reduzierter Kalorienaufnahme) das zweithäufigste Symptom bei Palliativpatienten, wird aber häufig nicht als belastend wahrgenommen. Obwohl man oft vom Anorexie-Kachexie-Syndrom spricht, kann Anorexie auch ohne Kachexie vorkommen.

Unter Kachexie versteht man einen BMI unter 20 kg/m² beziehungsweise einen deutlichen unbeabsichtigten Gewichtsverlust (mehr als 5 Prozent/Monat, 7,5 Prozent in drei Monaten oder 10 Prozent in sechs Monaten), verbunden mit dem Verlust von Muskel- und Viszeralprotein sowie Lipolyse (1–3).

Für die Erfassung der Mangelernährung gibt es standardisierte Fragebögen. Etabliert sind das Nutritional Risk Screening (NRS 2002) (4), das Malnutrition Universal Screening Tool (MUST) (5) und das Subjective Global Assessment (SGA) (6). Für die Beurteilung von Mangelernährung im Alter eignet sich besonders das Minimal Nutritional Assessment (MNA) (7).

Anorexie-Kachexie-Syndrom

Das primäre Anorexie-Kachexie-Syndrom ist das häufigste paraneoplastische Syndrom bei Tumorpatienten. Ursächlich liegen ihm immunologische (IL-6, IL-1, TNF-α) und tumorbedingte (Proteolyse-induzierender Faktor und Lipid-mobilisierender Faktor) Mechanismen zugrunde (8). Die Gewichtsabnahme wird im Kontext der sogenannten B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme) als Alarmzeichen für die Aktivität einer Tumor- oder anderen konsumierenden Erkrankung gewertet. Das Ausmaß der Inflammation lässt sich mithilfe des modifizierten Glasgow-Prognose-Scores quantifizieren, bei dem CRP-Anstieg und Albuminabfall herangezogen werden (9).

Häufig wird das primäre Anorexie-Kachexie-Syndrom durch multiple andere Faktoren verstärkt. Man spricht dann von sekundärer Anorexie und/oder Kachexie (Grafik).

Die primäre Anorexie ist schwierig zu behandeln: einerseits durch onkologische Maßnahmen, die jedoch häufig selbst den Appetit mindern, andererseits durch antiinflammatorische appetitsteigernde Maßnahmen, die häufig Nebenwirkungen induzieren.

Daher gilt es vor allem, mit großer Aufmerksamkeit zum Detail die vielfältigen aggravierenden Ursachen einer sekundären Anorexie zu eruieren und zu behandeln. Damit können die Lebensqualität der Betroffenen und mögliche Hemmnisse von Appetit und Nahrungsaufnahme unmittelbar verbessert werden.

Allerdings bedeutet Kachexie im Palliativkontext nicht automatisch den Einsatz von künstlicher Ernährung, sei es als Zusatznahrung, Sondenkost oder parenterale Ernährung. Vielmehr ist zunächst innezuhalten und festzustellen, in welcher Krankheitsphase sich der Patient befindet, welche Ziele eine Intensivierung der Ernährung hat (mehr Aktivität, mehr Kraft, Selbstständigkeit im Haushalt, mehr Kognition/Vigilanz) und ob diese mit den zur Verfügung stehenden Maßnahmen erreicht werden können. Aber es gilt auch zu erfragen, wer unter der Anorexie und Kachexie des Patienten leidet. Ist es wirklich der Patient oder sind es die Angehörigen oder Pflegenden?

Total-Food-Konzept

Essen und Trinken sind immer etwas zentral Existenzielles und betreffen mehr als nur die Nahrungsaufnahme. Es ist hilfreich, sich dessen bewusst zu sein. Überträgt man das Total-Pain-Konzept von Cicely Saunders auf Nahrung, kann man vier Dimensionen der Nahrung finden – sozusagen ein Total-Food-Konzept:

  • physisch (Hunger und Durst stillen, Essen als Kraft und Energie),
  • psychisch (Liebe geht durch den Magen),
  • sozial (gemeinsam essen, Feste feiern, Wohlstand) und
  • spirituell (Abendmahl, Kommunion, Fastenzeit, Pessach, Fastenbrechen im Ramadan).

Dies mag die besondere Stellung von Nahrung ebenso veranschaulichen wie das Bild einer ihr Baby stillenden Mutter. Hier steht die Nahrung nicht nur für das Bedürfnis der Ernährung, sondern auch für Leben, Zuwendung, Sicherheit, Liebe, Zukunft, Geborgenheit und vieles mehr, was nicht nur den Patienten, sondern auch seine Zugehörigen betrifft und betroffen macht.

Wenn keine adäquate kalorische Nahrungsaufnahme mehr möglich oder sinnvoll ist (weil nicht mehr vertragen/nicht gewünscht), ist zu überlegen, wie diese allumfassenden menschlichen Bedürfnisse gestillt werden können. Hier mag die Aussage »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein« (Mt 4,4) hilfreich sein. Wovon lebt der Mensch noch: von einem guten Wort, von Sonne, Nähe, Liebe, Gebet, Zuwendung, Bewegung, Beziehung, Garten, Musik, einem guten Buch, Riten, Geborgenheit … Dies mit Patienten und Angehörigen individuell zu reflektieren und herauszufinden, was in der gegebenen Situation hilfreich und nährend ist, kann große Not aller Beteiligten lindern und die verbleibende Zeit gut füllen. So kann eine Fußmassage durch die Ehepartnerin – anstelle einer schlecht vertragenen Mahlzeit – eine wahre Wohltat sein und beide beglücken.

Intensivierung der Ernährung: pro und contra

Bevor man im palliativen Kontext mit einer Intensivierung der Ernährung anfängt, sind etliche Überlegungen anzustellen:

  • Wo steht der Patient?
  • Palliativmedizin kann nicht aufholen, was vorher versäumt wurde. Daher sollte die Ernährung grundsätzlich in der onkologischen Behandlung verortet sein (wie es in der entsprechenden S3-Leitlinie auch grundgelegt ist) und frühzeitig beachtet werden, damit es nicht zu einer (ausgeprägten) Kachexie kommt.
  • Was ist Henne und was ist Ei? Wenn Kachexie ein Ausdruck des paraneoplastischen Syndroms ist, kann man diese inhaltlich nicht von der weit fortgeschrittenen Tumorerkrankung trennen.
  • Was will der Patient?
  • Welche Belastungen hätte eine Intensivierung der Ernährung zur Folge, zum Beispiel Übelkeit, Schwäche, Schlafstörung, nächtliche Miktion, Angehängt sein, und in welcher Relation stehen diese zum Gewinn der gesteigerten Kalorienzufuhr?
  • Welche Therapieziele, zum Beispiel Wachheit, Teilnahme am Leben und Selbstständigkeit der Versorgung, können realistisch für diesen Patienten erreicht werden?

Je invasiver eine Ernährungsform ist (via perkutan-endoskopischer Gastrostomie, PEG, oder parenteral über Port), umso mehr ist ihre Indikation zu prüfen. Dabei sind zwei Überlegungspaare hilfreich. Je akuter eine Erkrankung ist, desto sinnvoller kann eine invasive Ernährung sein – mit dem Ziel, eine Krise zu überbrücken. Dies sind unter anderem Krebspatienten mit gastrointestinaler Obstruktion unter Strahlentherapie oder mit Operationen von HNO- oder Ösophagus-Tumoren während einer Hochdosis-Chemotherapie. Neurologische Patienten profitieren von einer invasiven Ernährung beispielsweise akut nach einem Schlaganfall oder während einer akuten Krise wie einer Pneumonie bei fortgeschrittener neurologischer Erkrankung mit Schluckstörung.

Je weiter fortgeschritten eine onkologische oder neurologische Erkrankung ist, umso weniger profitieren Patienten häufig von diesen Maßnahmen und erleiden eher deren Komplikationen. Hier ist eine individuelle Therapieentscheidung besonders gefragt.

Eine ambulante parenterale Port-Ernährung kann für onkologische Patienten über den Onkologen oder für Palliativpatienten über das spezialisierte ambulante Palliativteam (SAPV) der Region organisiert werden. Diese arbeiten mit spezialisierten Ernährungs- und Schmerzpumpenteams zusammen, die eine parenterale Ernährung, aber auch parenterale Therapien über Port in der häuslichen Versorgung umsetzen.

Mindestens genauso wichtig wie die Entscheidung, eine Ernährungstherapie zu beginnen (auf welchem Niveau auch immer), ist die regelmäßige Überprüfung dieser Maßnahmen. Dabei geht es nicht nur um den BMI, sondern vor allem um Lebensqualität und um die Überprüfung, ob die Therapieziele der Ernährung (noch) erreicht werden oder ob die Nebenwirkungen im Vordergrund stehen (10, 11).

Praktische Überlegungen zur Ernährung

Wenn es wirklich um Ernährung geht, hat Wunschkost immer Vorrang! Dabei sollte man berücksichtigen, dass das Auge mitisst; das heißt, dass der Teller groß und die Essensmenge klein ist und sich das Sättigungsgefühl nicht schon rein optisch einstellt. Auch viele kleinere Mahlzeiten können hilfreich sein.

Eine wohnliche gemütliche Atmosphäre beim Essen hilft nicht nur neurologischen oder dementen Patienten, sondern tut jedem Menschen gut. Zuwendung beim Essen und das geduldige Anreichen der Nahrung können ebenso wichtig sein wie das Beheben motorischer Probleme durch ergotherapeutisches Esstraining oder die Versorgung mit geeignetem Besteck.

Auf restriktive diätetische Einschränkungen sollte verzichtet werden (sowohl auf strenge »Krebsdiäten« bei onkologischen als auch auf kardiovaskuläre/diabetische Diäten bei älteren oder dementen Patienten). Eine Diätberatung ist unbedingt sinnvoll. Die Ernährungstherapie sollte von Leitlinien inspiriert sein, wobei eine stufenweise Eskalation der Maßnahmen empfohlen wird (Tabelle 1).

Stufe Maßnahme
I Evaluation und konsequente Therapie der individuellen Ursachen
II Ernährungsmodifikation, -beratung
intensive Betreuung, individuelle Wunschkost
etablierte Allgemeinmaßnahmen, Einsatz von Hilfsmitteln
III Anreicherung der Nahrung, zum Beispiel mit Maltodextrin oder Eiweißkonzentraten
IV Trink- und Zusatznahrung, zum Beispiel Getränke, Suppen, Joghurt
V supportive künstliche Ernährung, zum Beispiel PEG-Sonde oder Port-Ernährung
Tabelle 1: Stufentherapie der Mangelernährung im Alter nach (14)

Idealerweise orientiert sich die Ernährungstherapie an den individuellen Bedürfnissen und wird individualisiert umgesetzt. So ist auch Schokolade eine »vollbilanzierte Diät« und kann bei einem dementen Patienten in der Phase des aktiven Laufens eine genauso gute Kalorienquelle sein wie Trinknahrung (siehe Fallbeispiele). Bei Patienten mit schwerer Demenz sollte keine Sondenernährung initiiert werden. Die orale Nahrungssupplementation dient nur der Gewichtszunahme, jedoch nicht der kognitiven Verbesserung (12).

Krebspatienten sollten mindestens 35 Prozent der Kalorienzufuhr als Fette/Öle zu sich nehmen; diese sollten bis zu 50 Prozent der Nichteiweiß-Energiezufuhr ausmachen. Die Eiweiß-/Aminosäurezufuhr sollte bei 1,2 bis 1,5 g/kg Körpergewicht liegen; ausbalancierte Vitamine und Spurenelemente sollten ihre Ernährung abrunden.

Bei Kau- und Schluckproblemen ist auf die richtige Konsistenz der Nahrung zu achten. Gegebenenfalls hilft Logopädie zum Schlucktraining.

Auch soziale Probleme wie Vereinsamung, Hilfsbedürftigkeit, psychische Erkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Verwahrlosung können eine Mangelernährung bis hin zur Kachexie (mit-)verursachen. Hier sind Beratung und Information über Hilfsangebote, das Organisieren von Besuchsdiensten, Unterstützung beim Einkauf und, wenn nötig, die Lieferung von vorbereiteten Produkten wie »Essen auf Rädern« oder portionierte Tiefkühlkost sinnvoll.

Steigerung des Appetits mit Appetitstimulanzien

Da die ernährungsphysiologisch sinnvollste Nahrung wenig hilft, wenn der Patient sie wegen Appetitlosigkeit nicht essen/trinken kann, kommt den Appetitstimulanzien eine besondere Rolle zu. Der Ansatz sämtlicher empfohlener Stimulanzien ist entsprechend der Pathogenese antiinflammatorisch (Tabelle 2).

Substanzklasse, Wirkstoffe und Dosierungen Bemerkungen
Steroide:
Dexamethason 4 mg morgens
Prednisolon 20 mg morgens
Einsatz für wenige Wochen und erhebliche Nebenwirkungen (NW): Steroidmyopathie mit zusätzlicher Verstärkung der Schwäche, Immunschwäche, Insulinresistenz, gastroenterologische NW
können in den letzten Lebenswochen gegeben werden
Synergismen, zum Beispiel bei Tumornerveninfiltration, GIT-Obstruktion
Applikation möglichst früh am Morgen
NSAR:
Indometacin 100 mg/d
Ibuprofen 1200 mg/d
Celecoxib 400 mg/d
kann bei Patienten erwogen werden, die auf Schmerztherapie (v.a. bei Knochenschmerzen) angewiesen sind
NW: GI-Blutungen, Ulcera, Niereninsuffizienz, Thrombozytenaggregationshemmung, in Kombination mit Steroiden erhöhtes Risiko für Gastritis und GI-Blutungen
Applikation nach einer Mahlzeit
Gestagene:
Megestrolacetat 160 bis 800 mg/d
kann eingesetzt werden, um Körpergewicht zu steigern, kein Einfluss auf Körpermagermasse, Off-Label-Use
NW: Thrombembolien, Nebenniereninsuffizienz
einschleichend dosieren: Beginn mit 80/160 mg und Steigerung nach einer Woche
Einnahme nach dem Essen
Cannabispräparate:
Dronabinol start slow,
d.h. 1 gtt zur Nacht,
Zieldosis 3 × 3 Trpf
(= 3 × 2,4 mg)
können bei Patienten mit Tumorkachexie und Geschmacksstörungen erwogen werden
synergistische Effekte mit Schmerzmedikation
NW: psychotrope Effekte, Kognitionsstörung, Delir
synthetisches Cannabis (Dronabinol): deutlich günstiger als Extrakte
Cannabis Extrakte ob die neu auf dem Markt befindlichen Extrakte, vor allem die TCH/CBD-Kombinationstherapien, einen Vorteil bringen, zum Beispiel bei der Verträglichkeit, bleibt in Studien abzuwarten
Insulin kann vor allem bei Diabetespatienten eingesetzt und anstelle von oralen Antidiabetika erwogen werden
in Kombination mit anderen Ernährungsmaßnahmen wie enteraler/parenteraler Ernährung, ausreichende Zufuhr an Kohlenhydraten muss sichergestellt sein
Eicosapentaensäure (EPA):
1,5 bis 2,5 g pro Tag, auch als Bestandteil von Fischöl
kann zur Verbesserung systemischer Inflammationsmarker, von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Lebensqualität verabreicht werden
häufig hoher Vitamin-E-Gehalt
cave Risikobewertung, zum Beispiel Prostatakrebs bei unkontrollierter Supplementierung bei Männern > 55 Jahre (13)
Fischölgeschmack für Patienten mit Anorexie oft schwierig
Kapseln häufig mit geringem EPA-Gehalt (i.d.R. 8 Kps/d zusätzlich zur übrigen Medikation, kaum zu bewältigen), alternativ hoch dosierte Kapseln ohne Vitamin E
Tabelle 2: Ausgewählte Wirkstoffe, die zur Appetitstimulation eingesetzt werden; nach DGEM 2015 (11)

Dabei gilt es besonders, den antiinflammatorischen Therapieansatz durch moderate Ausdauerbewegung (zum Beispiel Ergometer, Spazierengehen) zu fördern. Moderate Bewegung beeinflusst das Zytokinmuster ebenso positiv wie die diversen antiinflammatorischen Substanzen. Dabei hat Bewegung keine Nebenwirkungen und macht oft sogar noch Spaß.

In der Palliativmedizin kommen vor allem Steroide und Cannabinoide, selten bei Diabetespatienten auch Insulin zum Einsatz. Darüber hinaus wird die appetitsteigernde Wirkung von Antidepressiva genutzt, auch wenn diese nicht zu den Appetitstimulanzien zählen. So kann Mirtazapin zur Nacht sowohl antidepressiv als auch appetitsteigernd, aber auch koanalgetisch und schlaffördernd wirken. Solche Synergismen werden in der Palliativmedizin bevorzugt.

Da mit der aufgenommenen Essensmenge auch ein Gewöhnungseffekt einhergeht, kann die Medikation manchmal beendet werden, wenn sich ein verändertes Essverhalten etabliert hat. Sind die Substanzen wirkungslos, müssen sie unbedingt abgesetzt werden.

Verordnungsfähigkeit und Abgabe von Trinknahrung

Die rechtliche Grundlage zur Verordnungsfähigkeit enteraler Ernährung bildet die Arzneimittelrichtlinie, Abschnitt I, in Verbindung mit §§ 31, 33 SBG V (Kasten). Wenn die Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist und wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen, kann Trinknahrung verordnet werden. Enterale Ernährung und sonstige Maßnahmen schließen einander nicht aus, sondern sind bei Bedarf zu kombinieren.

Was bedeutet das konkret? Voraussetzung für die Verordnung von Trinknahrung ist zunächst, dass eine akut interventionsbedürftige Ernährungssituation oder ein Risiko für Mangelernährung besteht. Vor der Verordnung von Trinknahrung sollte man versuchen, die Kalorienzufuhr durch Anreicherung der Nahrung mit natürlichen Lebensmitteln, zum Beispiel hochwertigen Ölen, und das Angebot kalorien- und nährstoffreicher Zwischenmahlzeiten zu decken. Weiterhin ist zu klären, ob dem unerwünschten Gewichtsverlust andere behebbare Ursachen zugrunde liegen. Für die ärztliche Dokumentation sind Fragebögen verfügbar.

Mundtrockenheit und Mundsorge

Mundtrockenheit ist ein sehr unangenehmes und belastendes Symptom, das mit einem starken Durstgefühl einhergeht und zentrale Funktionen wie Essen, aber auch Trinken (das mag überraschen) und selbst Sprechen behindern kann.

Dabei kann Mundtrockenheit völlig unabhängig vom Wasserhaushalt des Patienten auftreten – auch bei Patienten mit ausgeprägten Ödemen und Ergüssen. In diesem Fall würde eine große Trink- oder Infusionsmenge die Ödembildung nur verstärken, ohne die Mundtrockenheit zu verbessern. Daran sieht man, dass es nicht primär die Trinkmenge (im Normalfall 1,5 bis 2 l/d) ist, die das Symptom lindert.

Häufig wird Mundtrockenheit durch Wirkstoffe mit anticholinergen Eigenschaften, zum Beispiel Opioide, Pregabalin, trizyklische Antidepressiva, urologische Spasmolytika und Dimenhydrinat, aber auch Sauerstoffgabe verstärkt. Ausgeprägte Mundtrockenheit sollte immer Anlass sein, die Medikation zu überdenken und die Mundsorge zu intensivieren.

Zur Behandlung von Mundtrockenheit sind attraktive Getränke hilfreich. Entscheidend sind häufige und kleine Schlucke, die möglichst lange im Mund belassen werden, weil sie nur dort die Mundtrockenheit lindern. Neben der Flüssigkeit zur Befeuchtung der Mundschleimhäute ist eine intensive Mundschleimhautpflege besonders wichtig (Tabelle 3). Je schwächer ein Mensch wird, umso mehr müssen Angehörige und Pflegende diese Maßnahmen übernehmen. Hier kommt der Begriff der Mundsorge ins Spiel, der der Broschüre »Zur Begleitung beim Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET)« entliehen ist. Er soll den hohen Stellenwert der Mund- und Schleimhautpflege in den Vordergrund stellen.

Maßnahmen und Ziele Beispiele zur Umsetzung
attraktive Getränke und Flüssigkeiten Mineralwasser (mit frischer Zitrone oder Ingwer)
Kräuter- und Früchtetees oder Saftschorle
bittere Getränke wie Tonic, Bitterlemon, (alkoholfreies) Bier, für viele gerne mit Eiswürfeln
Speichelfluss bei Mundtrockenheit anregen Mundhygiene
Zitronenöl (Aromalampe, Duftstein)
Kaugummi kauen (Zimt, Zitrone…)
Brausepulver und saure Drops
kleine Eiswürfel aus Fruchtsäften, Tonic Water, Joghurt, Tee
feuchte Tücher, gegebenenfalls auch über das Bett hängen, kleine Schüsseln mit Wasser aufstellen
Übung »Zunge rollen« aus dem Qi Gong: Zunge entlang des Oberkiefers vor den Zähnen von links nach rechts kreisen lassen, danach entlang des Unterkiefers von rechts nach links kreisen lassen, 8-mal wiederholen
Salami, Sahne oder Olivenöl mit Zitronen- oder Orangenöl, Sahneeis
Mundschleimhautpflege Entfernen von Belägen: Cola kann einen guten Dienst erweisen, da sich darunter die Beläge häufig auflösen und geschluckt werden können
fetthaltige Anwendungen wie Sahneeis, Salamischeiben, Butter-Honig-Mischung (20 g Butter und 60 g Honig, gut gekühlt)
Effekt: Durch diese Maßnahmen (vergleichbar mit Hautpflege) bleibt die Wahrnehmung der guten Mundschleimhautbefeuchtung länger bestehen
Tabelle 3: Maßnahmen zur Mundpflege

Mundsorge umfasst neben der Basismundpflege drei Ziele: Befeuchten, Pflegen und Geschmack. Insbesondere für Letzteres ist eine frühzeitige Anamnese der Geschmacks- und Getränkepräferenzen hilfreich, um diese später umsetzen zu können.

Zur Basispflege gehören die Zahn- und Gebissreinigung, aber auch das Lösen von Belägen und Borken, was mit Cola, Brausepulver, Ananas- oder Kiwi-Stücken besonders gut gelingt.

Wohlschmeckende Öle, zum Beispiel Sanddorn und Kokos, aber auch fettige Salamischeiben oder eine Butter-Honig-Mischung (im Verhältnis 1:2) dienen der nachhaltigen Pflege und dem Geschmeidighalten der Mundschleimhaut und verlängern die Wirkung der befeuchtenden Flüssigkeiten. Diese sollten entsprechend den Lieblingsgetränken ausgewählt werden und können mittels Sprühfläschchen gesprüht, mit Pipetten geträufelt, mit Swabs getupft, als Eis gelutscht, aber auch als Schäume (Beispiel: Airset mit Pumpe und Schaumpulver) am Gaumen aufgetragen werden. Auch Lutschtabletten und Sprays, die die Speichelbildung fördern, können Linderung verschaffen.

Zusätzlich kann man dem Austrocknen der Mundschleimhaut durch die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch Luftbefeuchter oder einen »feuchten Himmel« (feuchte Laken, die über dem Bett aufgehängt sind) entgegenwirken.

Mit diesen Maßnahmen kann das Durstgefühl in der Sterbephase in der Regel gut kontrolliert werden. Dieses Wissen ist für die Pflegenden und vor allem Angehörigen unverzichtbar und sollte ihnen unbedingt vermittelt werden.

Ist Flüssigkeit notwendig?

Eine parenterale Flüssigkeitsgabe in der Sterbephase ist aus Sicht der Symptomkontrolle meist nachrangig. Es gibt wenige Symptome, die davon profitieren, zum Beispiel manche Formen des Delirs oder Übelkeit bei Darmverschluss.

Zur Kontrolle dieser Symptome reicht meist eine geringe Menge (500 ml/d). Diese kann für einige Tage in Form von NaCl 0,9 Prozent oder Glucose 5 Prozent (wenn zur Symptomkontrolle nötig und keine Ergüsse/Ödeme vorliegen) problemlos zu Hause subkutan verabreicht werden. Diese Applikationsform ermöglicht es dem Körper, die Flüssigkeit in seinem Tempo langsam zu resorbieren. Eine geringe oder fehlende Zufuhr von parenteraler Flüssigkeit ermöglicht zudem die Resorption von Ödemen und Ergüssen und damit weitere Symptomlinderung.

Größere Mengen von Flüssigkeit belasten den Organismus oft erheblich, weil die Herz- und Nierenfunktion in der Sterbephase häufig abnimmt. Dies kann zur Zunahme von Lungenödem und Ergüssen mit Verschlechterung der Atmung führen, vor allem bei rascher intravenöser Zufuhr.

Angehörige unterstützen

Anstelle invasiver Therapiemaßnahmen liegt der Fokus in der Befähigung der Angehörigen, den Sterbenden zu begleiten. Um den Angehörigen Sicherheit zu geben, sollten Fragen ruhig und auch wiederholt gleich beantwortet werden; dies trägt zur Entlastung der Angehörigen bei. Statt belastender Flüssigkeitsgaben können Rituale, Aromatherapie, Vorlesen, Singen, Fußmassagen, Einreibungen, Shiatsu-Behandlung, Musik- und Klangtherapie Angehörige und Sterbende gleichermaßen umfangen und verbinden.

Die Apotheke kann nicht nur die Patienten, sondern auch die Angehörigen in dieser kräftezehrenden Situation unterstützen. Dazu gehört die Bestärkung, dass Essen und Trinken die Situation nicht verbessern würden. Es ist auch hilfreich, den Blick auf die Bedürfnisse der Angehörigen zu lenken, die sich oft völlig in den Hintergrund stellen. Häufig werden sie von Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden inklusive Anorexie und Gewichtsverlust geplagt und brauchen selbst Unterstützung. So gut eine Beratung auch sein mag: Manchmal ist es in dieser Phase not-wendend, innezuhalten und hinzuhören.

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa