Essen und Trinken am Lebensende |
Wenn schwer kranke Menschen nicht mehr essen und trinken wollen oder können, sind Nähe und Liebe umso wichtiger. / Foto: Adobe Stock/Photographee.eu
Wenn Menschen in schwerer Krankheit oder im Alter immer weniger essen und in der Sterbephase nicht mehr trinken, dann taucht oft die Frage nach dem »Verhungern und Verdursten« auf. In Palliativsituationen haben die Menschen jedoch häufig keinen Hunger und keinen Durst – sie verhungern und verdursten in diesem Sinne nicht. Vielmehr haben sie wenig oder keinen Appetit mehr. So ist Anorexie (Appetitlosigkeit mit reduzierter Kalorienaufnahme) das zweithäufigste Symptom bei Palliativpatienten, wird aber häufig nicht als belastend wahrgenommen. Obwohl man oft vom Anorexie-Kachexie-Syndrom spricht, kann Anorexie auch ohne Kachexie vorkommen.
Unter Kachexie versteht man einen BMI unter 20 kg/m² beziehungsweise einen deutlichen unbeabsichtigten Gewichtsverlust (mehr als 5 Prozent/Monat, 7,5 Prozent in drei Monaten oder 10 Prozent in sechs Monaten), verbunden mit dem Verlust von Muskel- und Viszeralprotein sowie Lipolyse (1–3).
Für die Erfassung der Mangelernährung gibt es standardisierte Fragebögen. Etabliert sind das Nutritional Risk Screening (NRS 2002) (4), das Malnutrition Universal Screening Tool (MUST) (5) und das Subjective Global Assessment (SGA) (6). Für die Beurteilung von Mangelernährung im Alter eignet sich besonders das Minimal Nutritional Assessment (MNA) (7).
Das primäre Anorexie-Kachexie-Syndrom ist das häufigste paraneoplastische Syndrom bei Tumorpatienten. Ursächlich liegen ihm immunologische (IL-6, IL-1, TNF-α) und tumorbedingte (Proteolyse-induzierender Faktor und Lipid-mobilisierender Faktor) Mechanismen zugrunde (8). Die Gewichtsabnahme wird im Kontext der sogenannten B-Symptomatik (Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsabnahme) als Alarmzeichen für die Aktivität einer Tumor- oder anderen konsumierenden Erkrankung gewertet. Das Ausmaß der Inflammation lässt sich mithilfe des modifizierten Glasgow-Prognose-Scores quantifizieren, bei dem CRP-Anstieg und Albuminabfall herangezogen werden (9).
Häufig wird das primäre Anorexie-Kachexie-Syndrom durch multiple andere Faktoren verstärkt. Man spricht dann von sekundärer Anorexie und/oder Kachexie (Grafik).
Grafik: Einflussfaktoren und Rückkopplungsmechanismen bei der primären und sekundären Anorexie/Kachexie / Foto: PZ/Stephan Spitzer
Die primäre Anorexie ist schwierig zu behandeln: einerseits durch onkologische Maßnahmen, die jedoch häufig selbst den Appetit mindern, andererseits durch antiinflammatorische appetitsteigernde Maßnahmen, die häufig Nebenwirkungen induzieren.
Daher gilt es vor allem, mit großer Aufmerksamkeit zum Detail die vielfältigen aggravierenden Ursachen einer sekundären Anorexie zu eruieren und zu behandeln. Damit können die Lebensqualität der Betroffenen und mögliche Hemmnisse von Appetit und Nahrungsaufnahme unmittelbar verbessert werden.
Allerdings bedeutet Kachexie im Palliativkontext nicht automatisch den Einsatz von künstlicher Ernährung, sei es als Zusatznahrung, Sondenkost oder parenterale Ernährung. Vielmehr ist zunächst innezuhalten und festzustellen, in welcher Krankheitsphase sich der Patient befindet, welche Ziele eine Intensivierung der Ernährung hat (mehr Aktivität, mehr Kraft, Selbstständigkeit im Haushalt, mehr Kognition/Vigilanz) und ob diese mit den zur Verfügung stehenden Maßnahmen erreicht werden können. Aber es gilt auch zu erfragen, wer unter der Anorexie und Kachexie des Patienten leidet. Ist es wirklich der Patient oder sind es die Angehörigen oder Pflegenden?
Essen und Trinken sind immer etwas zentral Existenzielles und betreffen mehr als nur die Nahrungsaufnahme. Es ist hilfreich, sich dessen bewusst zu sein. Überträgt man das Total-Pain-Konzept von Cicely Saunders auf Nahrung, kann man vier Dimensionen der Nahrung finden – sozusagen ein Total-Food-Konzept:
Dies mag die besondere Stellung von Nahrung ebenso veranschaulichen wie das Bild einer ihr Baby stillenden Mutter. Hier steht die Nahrung nicht nur für das Bedürfnis der Ernährung, sondern auch für Leben, Zuwendung, Sicherheit, Liebe, Zukunft, Geborgenheit und vieles mehr, was nicht nur den Patienten, sondern auch seine Zugehörigen betrifft und betroffen macht.
Essen und Trinken sind viel mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Geselligkeit, Freude, Genuss und Wohlbefinden sind mindestens ebenso wichtig. / Foto: Adobe Stock/Robert Kneschke
Wenn keine adäquate kalorische Nahrungsaufnahme mehr möglich oder sinnvoll ist (weil nicht mehr vertragen/nicht gewünscht), ist zu überlegen, wie diese allumfassenden menschlichen Bedürfnisse gestillt werden können. Hier mag die Aussage »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein« (Mt 4,4) hilfreich sein. Wovon lebt der Mensch noch: von einem guten Wort, von Sonne, Nähe, Liebe, Gebet, Zuwendung, Bewegung, Beziehung, Garten, Musik, einem guten Buch, Riten, Geborgenheit … Dies mit Patienten und Angehörigen individuell zu reflektieren und herauszufinden, was in der gegebenen Situation hilfreich und nährend ist, kann große Not aller Beteiligten lindern und die verbleibende Zeit gut füllen. So kann eine Fußmassage durch die Ehepartnerin – anstelle einer schlecht vertragenen Mahlzeit – eine wahre Wohltat sein und beide beglücken.
Bevor man im palliativen Kontext mit einer Intensivierung der Ernährung anfängt, sind etliche Überlegungen anzustellen:
Je invasiver eine Ernährungsform ist (via perkutan-endoskopischer Gastrostomie, PEG, oder parenteral über Port), umso mehr ist ihre Indikation zu prüfen. Dabei sind zwei Überlegungspaare hilfreich. Je akuter eine Erkrankung ist, desto sinnvoller kann eine invasive Ernährung sein – mit dem Ziel, eine Krise zu überbrücken. Dies sind unter anderem Krebspatienten mit gastrointestinaler Obstruktion unter Strahlentherapie oder mit Operationen von HNO- oder Ösophagus-Tumoren während einer Hochdosis-Chemotherapie. Neurologische Patienten profitieren von einer invasiven Ernährung beispielsweise akut nach einem Schlaganfall oder während einer akuten Krise wie einer Pneumonie bei fortgeschrittener neurologischer Erkrankung mit Schluckstörung.
Schwer unterernährter Mann: Bei einer Kachexie schwinden Fett- und Muskelmasse und der Mensch nimmt stark ab. / Foto: Shutterstock/Casa nayafana
Je weiter fortgeschritten eine onkologische oder neurologische Erkrankung ist, umso weniger profitieren Patienten häufig von diesen Maßnahmen und erleiden eher deren Komplikationen. Hier ist eine individuelle Therapieentscheidung besonders gefragt.
Eine ambulante parenterale Port-Ernährung kann für onkologische Patienten über den Onkologen oder für Palliativpatienten über das spezialisierte ambulante Palliativteam (SAPV) der Region organisiert werden. Diese arbeiten mit spezialisierten Ernährungs- und Schmerzpumpenteams zusammen, die eine parenterale Ernährung, aber auch parenterale Therapien über Port in der häuslichen Versorgung umsetzen.
Mindestens genauso wichtig wie die Entscheidung, eine Ernährungstherapie zu beginnen (auf welchem Niveau auch immer), ist die regelmäßige Überprüfung dieser Maßnahmen. Dabei geht es nicht nur um den BMI, sondern vor allem um Lebensqualität und um die Überprüfung, ob die Therapieziele der Ernährung (noch) erreicht werden oder ob die Nebenwirkungen im Vordergrund stehen (10, 11).
Wenn es wirklich um Ernährung geht, hat Wunschkost immer Vorrang! Dabei sollte man berücksichtigen, dass das Auge mitisst; das heißt, dass der Teller groß und die Essensmenge klein ist und sich das Sättigungsgefühl nicht schon rein optisch einstellt. Auch viele kleinere Mahlzeiten können hilfreich sein.
Eine wohnliche gemütliche Atmosphäre beim Essen hilft nicht nur neurologischen oder dementen Patienten, sondern tut jedem Menschen gut. Zuwendung beim Essen und das geduldige Anreichen der Nahrung können ebenso wichtig sein wie das Beheben motorischer Probleme durch ergotherapeutisches Esstraining oder die Versorgung mit geeignetem Besteck.
Auf restriktive diätetische Einschränkungen sollte verzichtet werden (sowohl auf strenge »Krebsdiäten« bei onkologischen als auch auf kardiovaskuläre/diabetische Diäten bei älteren oder dementen Patienten). Eine Diätberatung ist unbedingt sinnvoll. Die Ernährungstherapie sollte von Leitlinien inspiriert sein, wobei eine stufenweise Eskalation der Maßnahmen empfohlen wird (Tabelle 1).
Stufe | Maßnahme |
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I | Evaluation und konsequente Therapie der individuellen Ursachen |
II | Ernährungsmodifikation, -beratungintensive Betreuung, individuelle Wunschkostetablierte Allgemeinmaßnahmen, Einsatz von Hilfsmitteln |
III | Anreicherung der Nahrung, zum Beispiel mit Maltodextrin oder Eiweißkonzentraten |
IV | Trink- und Zusatznahrung, zum Beispiel Getränke, Suppen, Joghurt |
V | supportive künstliche Ernährung, zum Beispiel PEG-Sonde oder Port-Ernährung |
Idealerweise orientiert sich die Ernährungstherapie an den individuellen Bedürfnissen und wird individualisiert umgesetzt. So ist auch Schokolade eine »vollbilanzierte Diät« und kann bei einem dementen Patienten in der Phase des aktiven Laufens eine genauso gute Kalorienquelle sein wie Trinknahrung (siehe Fallbeispiele). Bei Patienten mit schwerer Demenz sollte keine Sondenernährung initiiert werden. Die orale Nahrungssupplementation dient nur der Gewichtszunahme, jedoch nicht der kognitiven Verbesserung (12).
Großer Teller, kleine Essensmenge und hübsch drapiert: Dann stellt sich das Sättigungsgefühl nicht schon beim Anblick des Essens ein. / Foto: Shutterstock/Lifestyle Travel Photo
Krebspatienten sollten mindestens 35 Prozent der Kalorienzufuhr als Fette/Öle zu sich nehmen; diese sollten bis zu 50 Prozent der Nichteiweiß-Energiezufuhr ausmachen. Die Eiweiß-/Aminosäurezufuhr sollte bei 1,2 bis 1,5 g/kg Körpergewicht liegen; ausbalancierte Vitamine und Spurenelemente sollten ihre Ernährung abrunden.
Bei Kau- und Schluckproblemen ist auf die richtige Konsistenz der Nahrung zu achten. Gegebenenfalls hilft Logopädie zum Schlucktraining.
Auch soziale Probleme wie Vereinsamung, Hilfsbedürftigkeit, psychische Erkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Verwahrlosung können eine Mangelernährung bis hin zur Kachexie (mit-)verursachen. Hier sind Beratung und Information über Hilfsangebote, das Organisieren von Besuchsdiensten, Unterstützung beim Einkauf und, wenn nötig, die Lieferung von vorbereiteten Produkten wie »Essen auf Rädern« oder portionierte Tiefkühlkost sinnvoll.
Foto: Adobe Stock/Monkey Business
Beispiel: 76-jähriger Mann mit ausgeprägt metastasiertem Prostatakarzinom mit Darmverschluss bei Peritonealkarzinose mit ausgeprägtem Ascites, Pleuraergüssen und massiven peripheren Ödemen. Von einer primären Punktion der Ergüsse sahen die Ärzte ab, da keine Dyspnoe bestand. Eine parenterale Ernährung mit 1500 kcal/1,5 l pro Tag hätte die Wassereinlagerungen nur verschlimmert oder Ascites- und Pleurapunktionen nötig gemacht (mit ausgeprägtem Eiweißverlust über die Drainagen). Alle anderen Symptome waren gut unter einem Mischperfusor kontrolliert. Das Ziel der Ernährung war es, für die verbleibenden Tage die Kognition und Vigilanz so aufrechtzuerhalten, dass der Mann seine Forschungsarbeiten noch an Kollegen übergeben konnte. Da der Hirnstoffwechsel vorrangig Glucose benötigt, bekam der Patient 250 ml Glucose 20 Prozent über Port untertags. Er konnte über eine Woche lang viele Gespräche mit seinen Kollegen führen, ohne dass die Überwässerung oder andere Symptome zunahmen, bevor er ruhig verstarb.
Beispiel: 57-jährige Frau mit Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Ileus. Sie wurde von einer gynäkologischen Klinik auf die Palliativstation mit laufender parenteraler Ernährung über Port (1500 kcal/1,5 l/d) verlegt. Ihr Ehemann war Tag und Nacht bei ihr. Am zweiten Tag äußerte die Patientin, dass sie die parenterale Ernährung beenden wolle, um das Sterben nicht weiter hinauszuzögern. Nach ausführlichen Gesprächen mit ihr und ihrem Mann, der ihre Entscheidung mittrug, wurde die parenterale Ernährung beendet. Am übernächsten Tag gestand die Patientin, dass sie ein ausgeprägtes Hungergefühl habe, worunter sie stark leide. Mit der Infusion von 250 ml Lipofundin MCT 20 Prozent untertags verschwand das Hungergefühl. Die Patientin verstarb nach drei Tagen im Beisein ihres Mannes ruhig und unter guter Symptomkontrolle.
Beispiel: 87-jähriger Mann mit demenziellem Syndrom in der Phase des aktiven Laufens mit deutlichem Gewichtsverlust und vermindertem Appetit; auffällige und in den letzten Wochen rasante Verschlechterung des Allgemeinzustands. Zu diesem Zeitpunkt war es fraglich, wie lange der Patient noch zu leben hätte, wenn der Gewichtsverlust so weiterginge. Die Schwiegertochter des Patienten, mit der er in einem Mehrgenerationenhaushalt lebte, kam in die Apotheke, um für ihn eine geeignete Trinknahrung zu kaufen und einen letzten Versuch zu starten, ihn wieder »aufzupäppeln«. Da er Erdbeeren mochte, war die Geschmacksrichtung klar und die Empfehlung war, täglich eine bis zwei Flaschen zur ergänzenden Ernährung anzubieten. Der Anfang verlief schleppend; der Patient nahm die Trinknahrung zwar an, es musste jedoch eine Bezugsperson dabeisitzen und sie ihm immer wieder anbieten. Schon in den ersten Wochen danach stabilisierte und erhöhte sich sein Gewicht langsam und sein Gesundheitszustand verbesserte sich. Deshalb blieben die Angehörigen »dran«. Nach einigen Monaten war ihm die Trinknahrung zur angenehmen Gewohnheit geworden. Er lebt weiter stabil und zur familiären Zufriedenheit in seinem häuslichen Umfeld.
Da die ernährungsphysiologisch sinnvollste Nahrung wenig hilft, wenn der Patient sie wegen Appetitlosigkeit nicht essen/trinken kann, kommt den Appetitstimulanzien eine besondere Rolle zu. Der Ansatz sämtlicher empfohlener Stimulanzien ist entsprechend der Pathogenese antiinflammatorisch (Tabelle 2).
Substanzklasse, Wirkstoffe und Dosierungen | Bemerkungen |
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Steroide:Dexamethason 4 mg morgensPrednisolon 20 mg morgens | Einsatz für wenige Wochen und erhebliche Nebenwirkungen (NW): Steroidmyopathie mit zusätzlicher Verstärkung der Schwäche, Immunschwäche, Insulinresistenz, gastroenterologische NWkönnen in den letzten Lebenswochen gegeben werdenSynergismen, zum Beispiel bei Tumornerveninfiltration, GIT-ObstruktionApplikation möglichst früh am Morgen |
NSAR:Indometacin 100 mg/dIbuprofen 1200 mg/dCelecoxib 400 mg/d | kann bei Patienten erwogen werden, die auf Schmerztherapie (v.a. bei Knochenschmerzen) angewiesen sindNW: GI-Blutungen, Ulcera, Niereninsuffizienz, Thrombozytenaggregationshemmung, in Kombination mit Steroiden erhöhtes Risiko für Gastritis und GI-BlutungenApplikation nach einer Mahlzeit |
Gestagene:Megestrolacetat 160 bis 800 mg/d | kann eingesetzt werden, um Körpergewicht zu steigern, kein Einfluss auf Körpermagermasse, Off-Label-UseNW: Thrombembolien, Nebenniereninsuffizienzeinschleichend dosieren: Beginn mit 80/160 mg und Steigerung nach einer WocheEinnahme nach dem Essen |
Cannabispräparate:Dronabinol start slow,d.h. 1 gtt zur Nacht,Zieldosis 3 × 3 Trpf(= 3 × 2,4 mg) | können bei Patienten mit Tumorkachexie und Geschmacksstörungen erwogen werdensynergistische Effekte mit SchmerzmedikationNW: psychotrope Effekte, Kognitionsstörung, Delirsynthetisches Cannabis (Dronabinol): deutlich günstiger als Extrakte |
Cannabis Extrakte | ob die neu auf dem Markt befindlichen Extrakte, vor allem die TCH/CBD-Kombinationstherapien, einen Vorteil bringen, zum Beispiel bei der Verträglichkeit, bleibt in Studien abzuwarten |
Insulin | kann vor allem bei Diabetespatienten eingesetzt und anstelle von oralen Antidiabetika erwogen werdenin Kombination mit anderen Ernährungsmaßnahmen wie enteraler/parenteraler Ernährung, ausreichende Zufuhr an Kohlenhydraten muss sichergestellt sein |
Eicosapentaensäure (EPA):1,5 bis 2,5 g pro Tag, auch als Bestandteil von Fischöl | kann zur Verbesserung systemischer Inflammationsmarker, von Nahrungsaufnahme, Körpergewicht und Lebensqualität verabreicht werdenhäufig hoher Vitamin-E-Gehaltcave Risikobewertung, zum Beispiel Prostatakrebs bei unkontrollierter Supplementierung bei Männern > 55 Jahre (13)Fischölgeschmack für Patienten mit Anorexie oft schwierigKapseln häufig mit geringem EPA-Gehalt (i.d.R. 8 Kps/d zusätzlich zur übrigen Medikation, kaum zu bewältigen), alternativ hoch dosierte Kapseln ohne Vitamin E |
Dabei gilt es besonders, den antiinflammatorischen Therapieansatz durch moderate Ausdauerbewegung (zum Beispiel Ergometer, Spazierengehen) zu fördern. Moderate Bewegung beeinflusst das Zytokinmuster ebenso positiv wie die diversen antiinflammatorischen Substanzen. Dabei hat Bewegung keine Nebenwirkungen und macht oft sogar noch Spaß.
In der Palliativmedizin kommen vor allem Steroide und Cannabinoide, selten bei Diabetespatienten auch Insulin zum Einsatz. Darüber hinaus wird die appetitsteigernde Wirkung von Antidepressiva genutzt, auch wenn diese nicht zu den Appetitstimulanzien zählen. So kann Mirtazapin zur Nacht sowohl antidepressiv als auch appetitsteigernd, aber auch koanalgetisch und schlaffördernd wirken. Solche Synergismen werden in der Palliativmedizin bevorzugt.
Da mit der aufgenommenen Essensmenge auch ein Gewöhnungseffekt einhergeht, kann die Medikation manchmal beendet werden, wenn sich ein verändertes Essverhalten etabliert hat. Sind die Substanzen wirkungslos, müssen sie unbedingt abgesetzt werden.
Die rechtliche Grundlage zur Verordnungsfähigkeit enteraler Ernährung bildet die Arzneimittelrichtlinie, Abschnitt I, in Verbindung mit §§ 31, 33 SBG V (Kasten). Wenn die Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist und wenn eine Modifizierung der normalen Ernährung oder sonstige ärztliche, pflegerische oder ernährungstherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen, kann Trinknahrung verordnet werden. Enterale Ernährung und sonstige Maßnahmen schließen einander nicht aus, sondern sind bei Bedarf zu kombinieren.
Was bedeutet das konkret? Voraussetzung für die Verordnung von Trinknahrung ist zunächst, dass eine akut interventionsbedürftige Ernährungssituation oder ein Risiko für Mangelernährung besteht. Vor der Verordnung von Trinknahrung sollte man versuchen, die Kalorienzufuhr durch Anreicherung der Nahrung mit natürlichen Lebensmitteln, zum Beispiel hochwertigen Ölen, und das Angebot kalorien- und nährstoffreicher Zwischenmahlzeiten zu decken. Weiterhin ist zu klären, ob dem unerwünschten Gewichtsverlust andere behebbare Ursachen zugrunde liegen. Für die ärztliche Dokumentation sind Fragebögen verfügbar.
Seit Januar 2022 ist für die Versorgung mit Trink- und Sondennahrung eine Präqualifizierung nötig. Eine noch bestehende Präqualifizierung bleibt von dieser Regelung unberührt und es darf weiter mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. Bei der Requalifizierung muss jedoch der Versorgungsbereich »03F15 Trink- und Sondennahrung« mit angekreuzt werden, wenn die Apotheke weiterhin Trink- und Sondennahrung auf GKV-Rezept abgeben möchte.
Darüber hinaus ist der Beitritt zu Versorgungsverträgen mit den Kassen erforderlich. Während Primärkassen wie die AOK und die Mehrzahl der Ersatzkassen Verträge mit den Apothekerverbänden geschlossen haben, die frei einsehbar sind und denen man beitreten kann, haben DAK und KKH diese Verträge gekündigt und bieten den Beitritt zu eigenen Verträgen mit deutlich schlechteren Konditionen an (Verträge müssen bei der Kasse angefordert werden, die Konditionen sind nicht offengelegt). So zahlt die Mehrzahl der Ersatzkassen den Apothekeneinkaufspreis + 3 Prozent + 6,38 Euro und die AOK vergütet 95 Prozent des Einkaufspreises nach Lauer-Taxe. Die DAK/KKH vergütet hingegen nur 85 Prozent des Apothekeneinkaufspreises nach Lauer-Taxe (für Patienten ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr). Jede Apotheke muss prüfen, ob diese Vergütung wirtschaftlich darstellbar ist.
Sind die vertraglichen Grundlagen gegeben und ist die Wirtschaftlichkeit geprüft, kommt nun der eigentlich wichtige Teil: die Versorgung des Patienten. Bei Prüfung des Rezeptes ist neben den üblichen Angaben darauf zu achten, dass nicht versehentlich die »7« für Hilfsmittel angekreuzt wurde. Falls der Arzt die Diagnose auf dem Rezept vermerkt hat, muss diese geprüft werden. Ist die Diagnose nicht in den Arzneimittelrichtlinien Kapitel E (Enterale Ernährung) aufgeführt, ist die Trink- oder Sondennahrung nicht erstattungsfähig. Dann ist eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich, sonst wird der Patient (oder bei Retaxation die Apotheke) zum Selbstzahler.
Mundtrockenheit ist ein sehr unangenehmes und belastendes Symptom, das mit einem starken Durstgefühl einhergeht und zentrale Funktionen wie Essen, aber auch Trinken (das mag überraschen) und selbst Sprechen behindern kann.
Dabei kann Mundtrockenheit völlig unabhängig vom Wasserhaushalt des Patienten auftreten – auch bei Patienten mit ausgeprägten Ödemen und Ergüssen. In diesem Fall würde eine große Trink- oder Infusionsmenge die Ödembildung nur verstärken, ohne die Mundtrockenheit zu verbessern. Daran sieht man, dass es nicht primär die Trinkmenge (im Normalfall 1,5 bis 2 l/d) ist, die das Symptom lindert.
Saftige, auch saure Fruchtstücke wie Ananas, Wassermelone oder Kiwi können Mundtrockenheit lindern. / Foto: Adobe Stock/Foxy_A
Häufig wird Mundtrockenheit durch Wirkstoffe mit anticholinergen Eigenschaften, zum Beispiel Opioide, Pregabalin, trizyklische Antidepressiva, urologische Spasmolytika und Dimenhydrinat, aber auch Sauerstoffgabe verstärkt. Ausgeprägte Mundtrockenheit sollte immer Anlass sein, die Medikation zu überdenken und die Mundsorge zu intensivieren.
Zur Behandlung von Mundtrockenheit sind attraktive Getränke hilfreich. Entscheidend sind häufige und kleine Schlucke, die möglichst lange im Mund belassen werden, weil sie nur dort die Mundtrockenheit lindern. Neben der Flüssigkeit zur Befeuchtung der Mundschleimhäute ist eine intensive Mundschleimhautpflege besonders wichtig (Tabelle 3). Je schwächer ein Mensch wird, umso mehr müssen Angehörige und Pflegende diese Maßnahmen übernehmen. Hier kommt der Begriff der Mundsorge ins Spiel, der der Broschüre »Zur Begleitung beim Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET)« entliehen ist. Er soll den hohen Stellenwert der Mund- und Schleimhautpflege in den Vordergrund stellen.
Maßnahmen und Ziele | Beispiele zur Umsetzung |
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attraktive Getränke und Flüssigkeiten | Mineralwasser (mit frischer Zitrone oder Ingwer)Kräuter- und Früchtetees oder Saftschorlebittere Getränke wie Tonic, Bitterlemon, (alkoholfreies) Bier, für viele gerne mit Eiswürfeln |
Speichelfluss bei Mundtrockenheit anregen | MundhygieneZitronenöl (Aromalampe, Duftstein)Kaugummi kauen (Zimt, Zitrone…)Brausepulver und saure Dropskleine Eiswürfel aus Fruchtsäften, Tonic Water, Joghurt, Teefeuchte Tücher, gegebenenfalls auch über das Bett hängen, kleine Schüsseln mit Wasser aufstellenÜbung »Zunge rollen« aus dem Qi Gong: Zunge entlang des Oberkiefers vor den Zähnen von links nach rechts kreisen lassen, danach entlang des Unterkiefers von rechts nach links kreisen lassen, 8-mal wiederholenSalami, Sahne oder Olivenöl mit Zitronen- oder Orangenöl, Sahneeis |
Mundschleimhautpflege | Entfernen von Belägen: Cola kann einen guten Dienst erweisen, da sich darunter die Beläge häufig auflösen und geschluckt werden könnenfetthaltige Anwendungen wie Sahneeis, Salamischeiben, Butter-Honig-Mischung (20 g Butter und 60 g Honig, gut gekühlt)Effekt: Durch diese Maßnahmen (vergleichbar mit Hautpflege) bleibt die Wahrnehmung der guten Mundschleimhautbefeuchtung länger bestehen |
Mundsorge umfasst neben der Basismundpflege drei Ziele: Befeuchten, Pflegen und Geschmack. Insbesondere für Letzteres ist eine frühzeitige Anamnese der Geschmacks- und Getränkepräferenzen hilfreich, um diese später umsetzen zu können.
Zur Basispflege gehören die Zahn- und Gebissreinigung, aber auch das Lösen von Belägen und Borken, was mit Cola, Brausepulver, Ananas- oder Kiwi-Stücken besonders gut gelingt.
Tupfer für die Mundpflege können mit der Lieblingsflüssigkeit des Patienten befeuchtet werden. / Foto: Shutterstock/Yaya Photos
Wohlschmeckende Öle, zum Beispiel Sanddorn und Kokos, aber auch fettige Salamischeiben oder eine Butter-Honig-Mischung (im Verhältnis 1:2) dienen der nachhaltigen Pflege und dem Geschmeidighalten der Mundschleimhaut und verlängern die Wirkung der befeuchtenden Flüssigkeiten. Diese sollten entsprechend den Lieblingsgetränken ausgewählt werden und können mittels Sprühfläschchen gesprüht, mit Pipetten geträufelt, mit Swabs getupft, als Eis gelutscht, aber auch als Schäume (Beispiel: Airset mit Pumpe und Schaumpulver) am Gaumen aufgetragen werden. Auch Lutschtabletten und Sprays, die die Speichelbildung fördern, können Linderung verschaffen.
Zusätzlich kann man dem Austrocknen der Mundschleimhaut durch die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch Luftbefeuchter oder einen »feuchten Himmel« (feuchte Laken, die über dem Bett aufgehängt sind) entgegenwirken.
Mit diesen Maßnahmen kann das Durstgefühl in der Sterbephase in der Regel gut kontrolliert werden. Dieses Wissen ist für die Pflegenden und vor allem Angehörigen unverzichtbar und sollte ihnen unbedingt vermittelt werden.
Eine parenterale Flüssigkeitsgabe in der Sterbephase ist aus Sicht der Symptomkontrolle meist nachrangig. Es gibt wenige Symptome, die davon profitieren, zum Beispiel manche Formen des Delirs oder Übelkeit bei Darmverschluss.
Zur Kontrolle dieser Symptome reicht meist eine geringe Menge (500 ml/d). Diese kann für einige Tage in Form von NaCl 0,9 Prozent oder Glucose 5 Prozent (wenn zur Symptomkontrolle nötig und keine Ergüsse/Ödeme vorliegen) problemlos zu Hause subkutan verabreicht werden. Diese Applikationsform ermöglicht es dem Körper, die Flüssigkeit in seinem Tempo langsam zu resorbieren. Eine geringe oder fehlende Zufuhr von parenteraler Flüssigkeit ermöglicht zudem die Resorption von Ödemen und Ergüssen und damit weitere Symptomlinderung.
Größere Mengen von Flüssigkeit belasten den Organismus oft erheblich, weil die Herz- und Nierenfunktion in der Sterbephase häufig abnimmt. Dies kann zur Zunahme von Lungenödem und Ergüssen mit Verschlechterung der Atmung führen, vor allem bei rascher intravenöser Zufuhr.
Anstelle invasiver Therapiemaßnahmen liegt der Fokus in der Befähigung der Angehörigen, den Sterbenden zu begleiten. Um den Angehörigen Sicherheit zu geben, sollten Fragen ruhig und auch wiederholt gleich beantwortet werden; dies trägt zur Entlastung der Angehörigen bei. Statt belastender Flüssigkeitsgaben können Rituale, Aromatherapie, Vorlesen, Singen, Fußmassagen, Einreibungen, Shiatsu-Behandlung, Musik- und Klangtherapie Angehörige und Sterbende gleichermaßen umfangen und verbinden.
Die Apotheke kann nicht nur die Patienten, sondern auch die Angehörigen in dieser kräftezehrenden Situation unterstützen. Dazu gehört die Bestärkung, dass Essen und Trinken die Situation nicht verbessern würden. Es ist auch hilfreich, den Blick auf die Bedürfnisse der Angehörigen zu lenken, die sich oft völlig in den Hintergrund stellen. Häufig werden sie von Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden inklusive Anorexie und Gewichtsverlust geplagt und brauchen selbst Unterstützung. So gut eine Beratung auch sein mag: Manchmal ist es in dieser Phase not-wendend, innezuhalten und hinzuhören.
Foto: DAK-Gesundheit
Hilfreiche Rezepte bei Kau- und Schluckstörungen:
Verständliche (Ernährungs-)Empfehlungen bei Krebs werden häufig von Unikliniken oder Verbänden als Broschüren zum Download angeboten: www.krebsverband-bw.de/mehr-wissen-besser-leben/broschueren
Broschüren der Landespflegeausschüsse: Künstliche Ernährung und Flüssigkeitsversorgung. Leitfaden des bayerischen Landespflegeausschusses 2008
Arbeitshilfen zur ärztlichen Dokumentation bei Verordnung von Trinknahrung: bei Kassenärztlichen Vereinigungen anfragbar; werden von Firmen wie Fresenius Kabi oder Nutricia zur Verfügung gestellt
Broschüre »Zur Begleitung beim Freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET): www.dgpalliativmedizin.de/images/RZ_220713_Broschuere_FVET_online.pdf
Kirsten Dahse studierte Pharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und fertigte dort ihre Diplomarbeit und Promotion an. Sie ist Fachapothekerin für Klinische Pharmazie sowie Antibiotic-Stewardship-Expertin (Deutsche Gesellschaft für Infektiologie). Dr. Dahse arbeitete als Stationsapothekerin und leitete ab 2017 die Abteilung für klinisch-pharmazeutische Dienstleistungen der Johannes-Apotheke, Gröbenzell. Seit 2019 ist sie in der Frühlings- und der Marien-Apotheke in Dachau tätig, die sie 2022 übernommen hat.
Sr. Ulla Mariam Hoffmann OSB, MAS (Palliative Care), ist Missions-Benediktinerin von Tutzing. Sie studierte Medizin an der LMU München und wurde an der TU München promoviert. Dr. Hoffmann ist Internistin, Infektiologin und Palliativmedizinerin und war im RoMed Klinikum Rosenheim und in der Mikrobiologie/Infektiologie am Klinikum rechts der Isar der TU München tätig. Seit 1999 arbeitet sie am Benedictus Krankenhaus Tutzing und hat die Palliativeinheit zur Palliativstation weiterentwickelt, als deren Oberärztin sie tätig und weiterbildungsermächtigt ist. Sie prüft Palliativmedizin für die Bayerische Landesärztekammer.