Essen und Trinken am Lebensende |
Wenn es wirklich um Ernährung geht, hat Wunschkost immer Vorrang! Dabei sollte man berücksichtigen, dass das Auge mitisst; das heißt, dass der Teller groß und die Essensmenge klein ist und sich das Sättigungsgefühl nicht schon rein optisch einstellt. Auch viele kleinere Mahlzeiten können hilfreich sein.
Eine wohnliche gemütliche Atmosphäre beim Essen hilft nicht nur neurologischen oder dementen Patienten, sondern tut jedem Menschen gut. Zuwendung beim Essen und das geduldige Anreichen der Nahrung können ebenso wichtig sein wie das Beheben motorischer Probleme durch ergotherapeutisches Esstraining oder die Versorgung mit geeignetem Besteck.
Auf restriktive diätetische Einschränkungen sollte verzichtet werden (sowohl auf strenge »Krebsdiäten« bei onkologischen als auch auf kardiovaskuläre/diabetische Diäten bei älteren oder dementen Patienten). Eine Diätberatung ist unbedingt sinnvoll. Die Ernährungstherapie sollte von Leitlinien inspiriert sein, wobei eine stufenweise Eskalation der Maßnahmen empfohlen wird (Tabelle 1).
Stufe | Maßnahme |
---|---|
I | Evaluation und konsequente Therapie der individuellen Ursachen |
II | Ernährungsmodifikation, -beratungintensive Betreuung, individuelle Wunschkostetablierte Allgemeinmaßnahmen, Einsatz von Hilfsmitteln |
III | Anreicherung der Nahrung, zum Beispiel mit Maltodextrin oder Eiweißkonzentraten |
IV | Trink- und Zusatznahrung, zum Beispiel Getränke, Suppen, Joghurt |
V | supportive künstliche Ernährung, zum Beispiel PEG-Sonde oder Port-Ernährung |
Idealerweise orientiert sich die Ernährungstherapie an den individuellen Bedürfnissen und wird individualisiert umgesetzt. So ist auch Schokolade eine »vollbilanzierte Diät« und kann bei einem dementen Patienten in der Phase des aktiven Laufens eine genauso gute Kalorienquelle sein wie Trinknahrung (siehe Fallbeispiele). Bei Patienten mit schwerer Demenz sollte keine Sondenernährung initiiert werden. Die orale Nahrungssupplementation dient nur der Gewichtszunahme, jedoch nicht der kognitiven Verbesserung (12).
Großer Teller, kleine Essensmenge und hübsch drapiert: Dann stellt sich das Sättigungsgefühl nicht schon beim Anblick des Essens ein. / Foto: Shutterstock/Lifestyle Travel Photo
Krebspatienten sollten mindestens 35 Prozent der Kalorienzufuhr als Fette/Öle zu sich nehmen; diese sollten bis zu 50 Prozent der Nichteiweiß-Energiezufuhr ausmachen. Die Eiweiß-/Aminosäurezufuhr sollte bei 1,2 bis 1,5 g/kg Körpergewicht liegen; ausbalancierte Vitamine und Spurenelemente sollten ihre Ernährung abrunden.
Bei Kau- und Schluckproblemen ist auf die richtige Konsistenz der Nahrung zu achten. Gegebenenfalls hilft Logopädie zum Schlucktraining.
Auch soziale Probleme wie Vereinsamung, Hilfsbedürftigkeit, psychische Erkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Verwahrlosung können eine Mangelernährung bis hin zur Kachexie (mit-)verursachen. Hier sind Beratung und Information über Hilfsangebote, das Organisieren von Besuchsdiensten, Unterstützung beim Einkauf und, wenn nötig, die Lieferung von vorbereiteten Produkten wie »Essen auf Rädern« oder portionierte Tiefkühlkost sinnvoll.
Foto: Adobe Stock/Monkey Business
Beispiel: 76-jähriger Mann mit ausgeprägt metastasiertem Prostatakarzinom mit Darmverschluss bei Peritonealkarzinose mit ausgeprägtem Ascites, Pleuraergüssen und massiven peripheren Ödemen. Von einer primären Punktion der Ergüsse sahen die Ärzte ab, da keine Dyspnoe bestand. Eine parenterale Ernährung mit 1500 kcal/1,5 l pro Tag hätte die Wassereinlagerungen nur verschlimmert oder Ascites- und Pleurapunktionen nötig gemacht (mit ausgeprägtem Eiweißverlust über die Drainagen). Alle anderen Symptome waren gut unter einem Mischperfusor kontrolliert. Das Ziel der Ernährung war es, für die verbleibenden Tage die Kognition und Vigilanz so aufrechtzuerhalten, dass der Mann seine Forschungsarbeiten noch an Kollegen übergeben konnte. Da der Hirnstoffwechsel vorrangig Glucose benötigt, bekam der Patient 250 ml Glucose 20 Prozent über Port untertags. Er konnte über eine Woche lang viele Gespräche mit seinen Kollegen führen, ohne dass die Überwässerung oder andere Symptome zunahmen, bevor er ruhig verstarb.
Beispiel: 57-jährige Frau mit Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Ileus. Sie wurde von einer gynäkologischen Klinik auf die Palliativstation mit laufender parenteraler Ernährung über Port (1500 kcal/1,5 l/d) verlegt. Ihr Ehemann war Tag und Nacht bei ihr. Am zweiten Tag äußerte die Patientin, dass sie die parenterale Ernährung beenden wolle, um das Sterben nicht weiter hinauszuzögern. Nach ausführlichen Gesprächen mit ihr und ihrem Mann, der ihre Entscheidung mittrug, wurde die parenterale Ernährung beendet. Am übernächsten Tag gestand die Patientin, dass sie ein ausgeprägtes Hungergefühl habe, worunter sie stark leide. Mit der Infusion von 250 ml Lipofundin MCT 20 Prozent untertags verschwand das Hungergefühl. Die Patientin verstarb nach drei Tagen im Beisein ihres Mannes ruhig und unter guter Symptomkontrolle.
Beispiel: 87-jähriger Mann mit demenziellem Syndrom in der Phase des aktiven Laufens mit deutlichem Gewichtsverlust und vermindertem Appetit; auffällige und in den letzten Wochen rasante Verschlechterung des Allgemeinzustands. Zu diesem Zeitpunkt war es fraglich, wie lange der Patient noch zu leben hätte, wenn der Gewichtsverlust so weiterginge. Die Schwiegertochter des Patienten, mit der er in einem Mehrgenerationenhaushalt lebte, kam in die Apotheke, um für ihn eine geeignete Trinknahrung zu kaufen und einen letzten Versuch zu starten, ihn wieder »aufzupäppeln«. Da er Erdbeeren mochte, war die Geschmacksrichtung klar und die Empfehlung war, täglich eine bis zwei Flaschen zur ergänzenden Ernährung anzubieten. Der Anfang verlief schleppend; der Patient nahm die Trinknahrung zwar an, es musste jedoch eine Bezugsperson dabeisitzen und sie ihm immer wieder anbieten. Schon in den ersten Wochen danach stabilisierte und erhöhte sich sein Gewicht langsam und sein Gesundheitszustand verbesserte sich. Deshalb blieben die Angehörigen »dran«. Nach einigen Monaten war ihm die Trinknahrung zur angenehmen Gewohnheit geworden. Er lebt weiter stabil und zur familiären Zufriedenheit in seinem häuslichen Umfeld.