Erster selektiver RET-Hemmer im Markt |
Relevant für die Zulassung beim NSCLC waren die Ergebnisse von 105 Studienteilnehmern, die zuvor neben einer platinbasierten Chemotherapie oft auch Checkpoint-Inhibitoren und/oder Multitarget-Kinasehemmer erhalten hatten. Die Behandlung mit zweimal täglich 160 mg Selpercatinib ermöglichte im primären Endpunkt eine objektive Ansprechrate von 64 Prozent, die unabhängig von der Zahl der Vortherapien oder der Art des RET-Fusionspartners war. Zudem erwies sich Selpercatinib auch bei Hirnmetastasen als wirksam.
Basis der Zulassung beim fortgeschrittenen RET-Fusions-positiven Schilddrüsenkarzinom waren 19 Patienten, die nach einer Radioiod-Therapie mit einer weiteren systemischen Therapie, ohne radioaktives Iod, behandelt worden waren, insbesondere mit den Wirkstoffen Sorafenib und/oder Lenvatinib. Hierbei konnte Selpercatinib eine objektive Ansprechrate von knapp 79 Prozent zeigen.
Die Zulassung beim fortgeschrittenen, RET-mutierten MTC beruhte auf 55 Patienten, die zuvor Cabozantinib und/oder Vandetanib erhalten hatten. Bei ihnen konnte Selpercatinib eine objektive Ansprechrate von 69 Prozent bewirken, die unabhängig von der Art der RET-Punktmutationen war.
Häufigste therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 oder höher waren erhöhte Werte der Alanin- und der Aspartat-Aminotransferasen sowie Hypertonie. Der Blutdruck sollte vor und während der Behandlung überwacht und je nach Notwendigkeit mit einer antihypertensiven Standardtherapie behandelt werden. Mit Vorsicht sollte der neue Wirkstoff bei Patienten eingesetzt werden, bei denen eine QT-Intervall-Verlängerung am Herzen durch Selpercatinib zu Problemen führen könnte.
Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für mindestens eine Woche nach der letzten Dosis eine hochwirksame Verhütungsmethode anwenden. Männer mit Partnerinnen im gebärfähigen Alter sollen eine effektive Kontrazeption während der Behandlung und für mindestens eine Woche nach der letzten Dosis anwenden. Der Einsatz von Retsevmo in der Schwangerschaft wird nicht empfohlen und das Stillen sollte während der Behandlung mit dem neuen Präparat und für mindestens eine Woche nach der letzten Dosis eingestellt werden.
Der Kinasehemmer Selpercatinib ist eine Schrittinnovation. Es handelt sich um den ersten selektiven RET-Kinasehemmer; andere Kinasehemmer blockieren dieses Enzym zwar auch, zielen aber nicht in erster Linie darauf ab. Insofern bedeutet der Wirkmechanismus einen therapeutischen Fortschritt bei Tumoren mit RET-Alterationen.
Die Studienergebnisse zeigen gute Ansprechraten und auch die Verträglichkeit des Wirkstoffs ist akzeptabel. Zugelassen ist Selpercatinib allerdings derzeit nicht für die Erstlinientherapie. Der Wirkstoff bedeutet aber für vortherapierte Patienten einen Schritt vorwärts, da den Ärzten nun eine weitere wirksame Therapieoption zur Verfügung steht. Gespannt darf man auf Studien sein, in denen der frühere Einsatz von Selpercatinib bei Patienten mit Lungen- oder Schilddrüsenkrebs untersucht wird. Möglicherweise macht der Kinasehemmer dann noch einen Sprung nach vorne in seiner Bedeutung.
Sven Siebenand, Chefredakteur