Erste Gentherapie bei Augenerkrankung funktioniert gut |
Ein defektes Gen sorgt bei der Leberschen Congenitalen Amaurose für eine Funktionsstörung des Pigmentepithels der Netzhaut – es lässt sich in manchen Fällen per Gentherapie beheben. / Foto: Getty Images/PASIEKA/SPL
Bis vor einigen Jahren galt die Lebersche Congenitale Amaurose (LCA) noch als unheilbar. Die Betroffenen bekommen zum Teil bereits blind oder erheblich sehbehindert zur Welt. Etwa eines von 40.000 Neugeborenen ist betroffen. Im November 2018 hat die europäische Zulassungsbehörde EMA jedoch die Zulassung für Voretigen Neparvovec (Luxturna® von Novartis) als erstem Gentherapeutikum zur Behandlung der erblichen Netzhauterkrankung erteilt. Im April 2019 kam das gentherapeutische Arzneimittel auf den deutschen Markt. Mit Erfolg – wie die Erfahrungen der Praxis zeigen.
»Der Therapieansatz funktioniert. Bisher konnten wir nichts Nachteiliges beobachten«, konstatierte Professor Dr. Frank Holz, Bonn, vergangene Woche bei einer Online-Pressekonferenz der »Stiftung Auge«. Die Zulassung von Voretigen Neparvovec habe zu einem Durchbruch in der Behandlung der seltenen, jedoch schweren Erkrankung geführt. In Deutschland sind einige hundert Patienten betroffen, die nun von diesem Medikament profitieren.
Die LCA ist auf eine Mutation des für die Produktion des Enzyms RPE65 zuständigen Gens zurückzuführen. Dieses, so Holz, wird im retinalen Pigmentepithel in unmittelbarer Nachbarschaft zu den lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut produziert. Ist das Gen beschädigt oder fehlt es ganz, kann RPE65 nicht hergestellt werden. Es kommt zu Sehstörungen mit ersten Symptomen wie Nachtblindheit, erhöhter Blendempfindlichkeit, schlechter Hell-Dunkelanpassung und eingeschränktem Gesichtsfeld, machte der Vorsitzende der »Stiftung Auge« deutlich. Die LCA trete häufig mit Begleitsymptomen wie Schielen, Nystagmus oder auch einer Linsentrübung, dem sogenannten Grauen Star, auf.
Normalerweise sorgt RPE65 für die Regeneration des 11-cis-Retinals und damit für einen funktionierenden Retinal/Retinol-Zyklus: Bei der Lichtreaktion in den Außensegmenten der Photorezeptoren entsteht aus 11-cis-Retinal zunächst all-trans-Retinal, das dort zu all-trans-Retinol reduziert wird. Im retinalen Pigmentepithel wird das all-trans-Retinol unter Beteiligung mehrerer Enzyme und hier unter anderem des RPE65 wieder in 11-cis-Retinal umgewandelt und steht dem Photorezeptor somit erneut zur Bildung des lichtsensitiven Photopigments und damit zur Initiation der Phototransduktions-Kaskade nach Lichteinfall zur Verfügung.
Im Rahmen der Gentherapie wird mittels rekombinanter adeno-assoziierter Viren, die als »Gentaxi« dienen, die therapeutische Nukleinsäure in die betroffene Körperzellen des Patienten eingebracht, erklärte Holz. Dabei handelt es sich um ein einzelsträngiges DNA-Molekül mit der kodierenden Sequenz (cDNA) des betroffenen Gens und weiterer regulatorischer Elemente. »Das fehlende Enzym kann wieder produziert werden. Der Verfall des Gewebes wird gestoppt, die Sehfähigkeit wird wieder hergestellt«, so der Ophthalmologe.