Erst kontrollieren, dann substituieren |
Anhand der Blutwerte lässt sich ermitteln , ob eine Eisenmangelanämie vorliegt. / Foto: Adobe Stock/Henrik Dolle
Die Leitlinie »Eisenmangel und Eisenmangelanämie« der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie weist darauf hin, dass es »den« Eisenmangel nicht gibt. Abhängig vom Schweregrad unterscheidet sie drei Stadien: Stadium I bildet einen Mangel an Speichereisen als Folge einer negativen Eisenbilanz. Hierbei sind die Speicher zwar unzureichend gefüllt, die Blutbildung jedoch nicht beeinträchtigt. Stadium II wird als eisendefizitäre Erythropoese bezeichnet. Die Versorgung der erythropoetischen Vorstufen erfolgt unzureichend, der Hämoglobin-Wert liegt jedoch noch im Normbereich. Stadium III ist eine Eisenmangelanämie. Sie zeigt sich an einem erniedrigten Hämoglobinwert. Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, aber auch Mundwinkelrhagaden oder Haarwachstumsstörungen können sich bereits ab einem Stadium I bemerkbar machen. In welchem Ausmaß die Vielzahl der Eisen-abhängigen Funktionen des Organismus außerhalb der Blutbildung jeweils betroffen ist, ist bisher weitgehend unbekannt.
Um den Eisenstatus zu bestimmen, ist der Serumeisen-Wert heute obsolet, unter anderem, da er einer zirkadianen Rhythmik unterliegt. Bestimmt wird daher der Ferritin-Wert, da er gut mit dem Speichereisen korreliert. Mit ihm lässt sich auch ein Stadium-I-Eisenmangel feststellen. Entzündliche oder maligne Erkrankungen, aber auch Lebererkrankungen können den Wert jedoch erhöhen. Dies gilt es bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Die Transferrin-Sättigung erlaubt neben weiteren Parametern Aussagen hinsichtlich einer eisendefizitären Erythropoese. Meist sind verschiedene Parameter erforderlich, um den Eisenstatus zu beschreiben. Beim Gesunden beträgt der Körperbestand an Eisen 3 bis 5 Gramm. Den größten Anteil hat das Häm-Eisen, das an Hämoglobin gebundene Eisen.
Zeigt eine Untersuchung einen zu geringen Eisenbestand an, sollte stets ein Blick auf mögliche Ursachen geworfen werden. Blutungen aufgrund von Magen- oder Darmgeschwüren kommen hierbei ebenso infrage wie sehr starke Menstruationsblutungen. Auf der Seite einer unzureichenden Versorgung sind eine vegetarische oder vegane Ernährung, aber auch Appetit- und Essstörungen mit einer zu geringen Nahrungsaufnahme in Betracht zu ziehen. Auch verschiedene Arzneimittel wie Antazida oder Protonenpumpenhemmer sowie verschiedene Grunderkrankungen, etwa chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, können sich auf die Eisen-Versorgung auswirken. Ein erhöhter Bedarf besteht bei Hochleistungssportlern.
Üblicherweise sollte der Eisenbedarf über die Ernährung gedeckt werden. Männer ab 19 Jahren sollten so laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) täglich 10 mg Eisen zu sich nehmen, Frauen bis unter 51 Jahren 15 mg und ab 51 Jahren 10 mg Eisen. Für Schwangere werden 30 mg empfohlen, für stillende (und nichtstillende) Frauen nach einer Geburt 20 mg Eisen täglich. Besonders gut kann es aus Fleisch aufgenommen werden, wo es als Häm-Eisen vorliegt. Die Resorption von Eisen pflanzlicher Herkunft ist deutlich geringer. Begleitende Nahrungsmittel können die Resorption beeinflussen: So steigert Vitamin C die Aufnahme von Eisen, Gerbstoffe können sie hingegen vermindern.
Ist eine Substitution angezeigt, empfiehlt die Leitlinie Anfangsdosierungen von 50 bis 100 mg Eisen, vorzugsweise in zweiwertiger Form. Nur rund 5 bis 10 Prozent des Eisens werden resorbiert, sodass – je nach Schwere des Defizits – Geduld gefragt ist, bis sich die Versorgung wieder normalisiert hat. Die Einnahme sollte nüchtern erfolgen: mindestens eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit beziehungsweise zwei Stunden danach. Zwei Probleme treten bei der Anwendung häufig auf. Zum einen kommt es nicht selten zu gastrointestinalen Beschwerden wie Schmerzen, Verstopfung oder Durchfall. Magensaftresistente Arzneiformen können hier möglicherweise Abhilfe schaffen. Zum anderen regelt der Körper seine Eisen-Aufnahme über verschiedene Mechanismen, unter anderem über das Peptidhormon Hepcidin im Darm. Dessen Konzentration steigt nach einer oralen Eisen-Einnahme an, wodurch die Resorption abnimmt. Daher sollte die Tagesdosis nicht auf mehrere Gaben verteilt werden. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, eine höhere Dosis nur jeden zweiten Tag einzunehmen.