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Aktualisierte Leitlinie

Erkältungshusten – oder doch nicht?

Die Dauer des Hustens bestimmt das therapeutische Vorgehen. Die Frage, ob der Husten trocken oder produktiv ist, ist dabei nur wenig relevant. Das sind zwei der Kernaussagen der aktualisierten S2k-Husten-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie. Die Pharmazeutische Zeitung hat beim federführenden Autor Dr. Peter Kardos nachgefragt.
Elke Wolf
07.11.2019  13:00 Uhr

Der Klassiker in einem kompetenten Beratungsgespräch mit einem Husten-Patienten dürfte folgende Nachfrage sein: »Ist der Husten trocken oder verschleimt?« Aber genau diese Unterscheidung sei aus therapeutischer Sicht nicht bedeutsam, heißt es in der aktualisierten Leitlinie zur Diagnose und Therapie von Husten bei Erwachsenen. »Zum einen sind die Grenzen zwischen beiden Kategorien fließend«, erklärt Kardos von der Lungenpraxis Maingau, Rotkreuz-Kliniken in Frankfurt am Main. »Zum anderen haben die meisten Patienten Schwierigkeiten, das Sputum objektiv zu beurteilen.« So werde etwa die Sekretmenge häufig überschätzt. Zudem sei es schwierig, Bronchialsekret von Speichel abzugrenzen. »Und häufig wird Reizhusten als ›Verschleimung‹ wahrgenommen, obwohl er die Folge einer entzündlichen Hypersensitivität der Hustenrezeptoren ist«, informiert der Pneumologe.

Hinzu komme, dass die sekretolytische Wirkung gängiger Wirkstoffe – die Leitlinie nennt hier Ambroxol und N-Acetylcystein als Beispiele – auf den Husten nicht evidenzbasiert sei. »Dass sie dennoch die Beschwerden lindern können, ist womöglich auf deren antientzündliche und antioxidative Effekte zurückzuführen.« Bei den pflanzlichen Arzneimitteln gebe es oft keine klare Trennung zwischen Expektorans und Antitussivum. Eine in Deutschland beliebte Theorie gehe laut Kardos davon aus, dass das Abhusten von Sekret indirekt auch den Hustenreiz lindert, da dadurch die Hustenrezeptoren entlastet werden. »Inwieweit das stimmt, weiß man nicht. Die Pathomechanismen sind eher als Modell zu sehen«, merkt Kardos an.

Dauer bestimmt Therapie

Entscheidend für das therapeutische Vorgehen ist die Dauer des Hustens. Halten die Beschwerden bis zu zwei Wochen an, spricht man von einem akuten Husten; meist handelt es sich dabei um einen klassischen Erkältungshusten, der in den allermeisten Fällen auf einen viralen Infekt der oberen und/oder unteren Atemwege zurückzuführen ist (siehe Tabelle). »Diese Art von Husten ist die Domäne der Selbstmedikation. Bei fehlenden Risikofaktoren verzichten wir hier auf weitreichende Diagnostik. Ohnehin sucht der Patient deshalb gar nicht den Arzt, sondern die Apotheke auf.« Dem Apotheker obliegt aber die Aufgabe, den Patienten aufmerksam zu beraten und bei möglichen Auffälligkeiten beim vermeintlichen Erkältungshusten an den Arzt zu verweisen. Diese sind:

  • Blutiger Auswurf
  • Atemnot in Ruhe
  • Heiserkeit (Verdacht auf Kehlkopfkrebs)
  • Verdacht auf Lungenentzündung
  • Fieber ≥ 38,5 °C
  • Verdacht auf Tuberkulose (Tbc): Aufenthalt in Ländern mit hoher Tbc-Prävalenz, Tbc-Kontaktpersonen, Obdachlose
  • Anamnestisch bekannte Malignome
  • Immundefizienz, HIV-Infektion, immunsuppressive Therapie
  • Extrem starke Raucher
  • Akute Herzinsuffizienz
  • Akute Intoxikation durch inhalative Noxen

Erkältungsviren können den Atemwegen aber auch deutlich länger als 14 Tage zusetzen: Dauert der Husten länger als drei und bis zu acht Wochen, spricht die Leitlinie von einer subakuten Phase. Alles darüber wird als chronisch bezeichnet.

Was ist der Grund für einen solchen protrahierten Verlauf? »Wenn ein Husten bei einem gesunden Vierzigjährigen nicht nach zwei bis drei Wochen abklingt, dann liegt das zum Beispiel an einem Keim wie Mycoplasma pneumoniae oder Bordetella pertussis, die die Schleimhäute besonders stark schädigen. Nach einer Infektion mit dem Keuchhusten-Erreger husten die Patienten gar noch länger als acht Wochen.« Klagen erwachsene Patienten über Erbrechen, ist das ein deutliches Signal für Keuchhusten. Eine Therapie mit Makrolid-Antibiotika ist nur innerhalb der ersten zehn Tage nach Symptombeginn wirksam.

Der zweite mögliche Grund: Eine infektbedingte vorübergehende bronchiale Hyperreagibilität, meist bei Patienten, die zu Asthma neigen, ohne es zu wissen, kann ebenfalls zögerlich verlaufen. In diesem Falle helfen inhalative Corticosteroide, informiert der Experte. Laut der Vorgänger-Leitlinie hätte man Bronchodilatatoren eingesetzt. 

Als dritte Ursache eines subakuten Hustens nennt Kardos langsam abklingende virale und postvirale Sinusitiden. Letztere Nasennebenhöhlenentzündungen verlaufen in zwei Phasen. Nach einem akuten Verlauf bessert sich erst die Symptomatik, um dann nach zehn Tagen wieder intensivierter zuzuschlagen. »Hier ist ein bisschen ein Bruch in der Leitlinie, weil eine postvirale Sinusitis bis zu drei Monate andauern kann«, meint Kardos. Auch in dieser subakuten Phase raten die Leitlinienautoren, was die Diagnostik betrifft, zur Zurückhaltung. Was die Therapie anbelangt, könne man Phytotherapeutika, Ambroxol oder Dextromethorphan auch in der subakuten Phase weiter einnehmen. »Diese Präparate haben zwar bei akutem Husten in randomisierten kontrollierten Studien ihre positive Wirkung gezeigt. Aber es gibt keine Evidenz dafür, ob die Präparate auch darüber hinaus bei länger anhaltendem Husten wirken. Man kann aber die günstigen Effekte wohl auch auf den subakuten Husten übertragen.«

Acht Wochen als Grenze

Ein Husten, der länger als acht Wochen belästigt, muss ärztlich abgeklärt werden und verlangt eine weiterführende Diagnostik. »Mit Hilfe von Lungenfunktionstests und Röntgenaufnahmen können ernsthafte Erkrankungen wie ein Tumor oder eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung erkannt beziehungsweise ausgeschlossen werden.« Kardos erinnert daran, dass die Ursache dieses chronischen Hustens nicht immer in Lunge oder Atemwegen liegen muss. Eine gastroösophageale Refluxkrankheit, kardiale Erkrankungen mit Lungenstauung, aber auch einige Medikamente können für den Dauerhusten verantwortlich sein. Generell sollte unter anderem gemäß der Leitlinie bei folgenden Wirkstoffgruppen an eine Arzneimittelnebenwirkung gedacht werden, wenn chronischer Husten besteht: ACE-Hemmer, Amiodaron, Betablocker, lungentoxische Chemo- und Immuntherapien wie Methotrexat oder Busulfan, Gliptine.

Evidenz empfehlen

Während Antibiotika beim akuten Erkältungshusten in der Regel nicht indiziert sind, verfügen mehrere Phytotherapeutika, Ambroxol und Dextromethorphan über »akzeptable randomisierte kontrollierte Studien, die eine Verkürzung der Dauer und/oder die Senkung der Intensität des Hustens bei der akuten Bronchitis belegen«, heißt es in der Leitlinie. Wenn man Regeln aufstellen wollte, nach denen Apotheker und PTA in der Beratung vorgehen sollen, dann sind nur »Präparate mit nachgewiesener Wirksamkeit abzugeben«. Am besten prüft jede Apotheke für ihr Sortiment die Evidenz und erstellt Beratungsleitfäden für den individuellen Einsatz.

Unter den chemisch-synthetischen »protussiv/expektorationsfördernden« Wirkstoffen verfügt nur Ambroxol über eine entsprechende Datenlage und ist deshalb empfehlenswert. »N-Aceytlcystein ist zwar der in Deutschland meist eingesetzte Arzneistoff gegen Husten, hat aber eine schlechte Studienlage.« Das dürfte der Grund dafür sein, dass es in der Leitlinie heißt: »Die Datenlage für die Phytopharmaka für die Indikation akute Bronchitis ist häufig besser als für synthetische Expektoranzien.« Konkret nennt die Leitlinie Zubereitungen aus Efeu, Cineol, Myrtol, Pelargonium sidoides, die Kombinationen aus Efeu und Thymian sowie Primel und Thymian. Die Leitlinie versäumt nicht darauf hinzuweisen, dass die Wirksamkeitsbelege extraktgebunden sind.

Zur antitussiven Therapie empfiehlt der Pneumologe Dextromethorphan. »Der einzige hustendämpfende Arzneistoff mit valider Studienlage ist das in Deutschland nicht sehr populäre Dextromethorphan, mit dem man schon mit 60 mg pro Tag einen günstigen Effekt erzielt.« Codein, Dihydrocodein und Morphin wirken laut Kardos beim Erkältungshusten nicht besser als Placebo. Antitussiva eignen sich laut Leitlinie ergänzend für einen nächtlichen Einsatz, um quälenden Hustenreiz zu unterdrücken und so den Schlaf möglichst erholsam zu gestalten.

Auch die Auswahl einer geeigneten Darreichungsform ist therapieförderlich. Patienten, die neben ihrem Husten über ein kratziges Gefühl im Hals klagen, sollten visköse Sirupe, Säfte oder Lutschpastillen bekommen. Alle drei hinterlassen einen samtigen Film auf der rauen Schleimhaut und haben desinfizierende oder lokal betäubende Eigenschaften. Doch auch Hausmittel wie die viel zitierte Milch mit Honig, Salbei- oder Honigbonbons wirken wie Balsam für den geschundenen Hals.

»Diese sogenannten Demulzenzien wirken durch eine Einhüllung der im Rachen befindlichen Hustenrezeptoren«, erklärt Kardos. Antitussive Sirupe, Säfte und Co. enthalten als gemeinsamen Bestandteil Zuckersirup oder andere Schleimstoffe. Sirup an sich nur mit Zucker und ohne Arzneistoff habe bereits eine hustendämpfende Wirkung. Der Effekt beschränke sich auf die Verweildauer des Zuckers am Rezeptor und halte damit meist nur etwa eine halbe Stunde an. »Antitussive Medikamente in Form von Sirup oder als Lutschtabletten sind daher wirksamer und haben einen schnelleren Wirkungseintritt als Kapseln oder Tabletten.« Die Wirksamkeit von Lokalanästhetika ist abhängig vom Hustenreiz auslösenden Ort. Sitzt dieser tiefer als der Pharynx, ist keine Wirkung zu erwarten.

Antibiotika seien jedenfalls beim akuten Erkältungshusten in aller Regel aufgrund seiner viralen Genese nicht indiziert. Darüber hinaus sei die Antibiotikagabe auch nicht sehr erfolgsversprechend. So brachte die Antibiose laut eines Cochrane-Reviews aus dem Jahr 2014 nur eine Besserung der Symptome von 0,46 Tagen im Vergleich zu Placebo (DOI: 10.1002/14651858.CD000245.pub3). Dieser minimale Vorteil werde durch Nebenwirkungen weitgehend zunichte gemacht.

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