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Aduhelm

Endgültiges Aus für Alzheimer-Antikörper

Ein Engagement im Bereich Arzneimittelinnovationen birgt Chancen, aber auch Risiken. Rund ein Jahr nach der umstrittenen US-Zulassung des Alzheimer-Medikaments Aducanumab (Aduhelm®) stellt Hersteller Biogen die Vermarktung ein – und hat den Zulassungsantrag für die EU zurückgezogen.
Theo Dingermann
05.05.2022  12:00 Uhr

Biogen teilte am Dienstag mit, dass der Geschäftsführer des Unternehmens, Michel Vounatsos, als CEO zurücktreten wird, sobald ein Nachfolger gefunden ist. Damit hofft das Unternehmen einen Schlussstrich unter einen desaströsen kommerziellen Misserfolg seines umstrittenen Alzheimer-Wirkstoffs Aducanumab zu ziehen.

Die Geschichte von Aducanumab (Aduhelm®) ist gekennzeichnet von einem Auf und Ab. Zwar wurde Aduhelm im Juni letzten Jahres in den USA von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen. Aber diese Entscheidung war wegen des fehlenden Wirksamkeitsnachweises höchst umstritten, auch weil sich ein Beratergremium der FDA gegen eine Zulassung ausgesprochen hatte. Auf die Frage, ob man die Zulassungsstudie von Biogen als einen Beleg für die Wirksamkeit von Aducanumab werten könne, antworteten damals zehn der elf Mitglieder des Gremiums mit einem klaren Nein. Nur ein Vertreter zeigte sich bei der Frage unsicher.

Dagegen hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA dem Alzheimer-Wirkstoff bislang keine Zulassung erteilt. Im Dezember 2021 hatte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) ein negatives Votum gefällt.  Die EMA hatte ihre Entscheidung mit der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit und den teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen des Medikaments begründet. Der Zulassungsantrag befand sich in einem erneuten Begutachtungsprozess, der jedoch vor Kurzem beendet wurde, da Biogen den Antrag  zurückgezogen hatte, wie am 22. April bekannt wurde.

Nachdem nun auch die staatliche US-amerikanische Krankenversicherung Medicare in den USA die Erstattung der Therapie dadurch stark eingeschränkt hatte, dass nur denjenigen Patienten die Therapie bezahlt werde, die an einer Post-Marketing-Studie teilnehmen, sah sich Biogen gezwungen, die Reißleine zu ziehen.

»Wir sind enttäuscht über die jüngste Entscheidung der Medicare über die Kostenübernahme für Aduhelm«, wird Vounatsos in einem aktuellen Bericht über die Ergebnisse des ersten Quartals 2022 zitiert. In diesem Bericht kündigt Biogen an, alle Ressourcen aus dem Projekt abzuziehen, um neben der breiten Pipeline des Unternehmens auch neue interne und externe Wachstumsmöglichkeiten zu verfolgen.

Ursprünglich hatte Biogen in den USA einen Preis von etwa 56.000 US-Dollar (52.800 Euro) pro Jahr angesetzt, diesen aber aufgrund der Verweigerung vieler Krankenkassen für die Kostenübernahme bereits halbiert. Im ersten Quartal 2022 hatte das Unternehmen nach eigenen Angaben nur 2,8 Millionen Dollar Umsatz gemacht. Gerechnet hatte Biogen einem Bericht des »Spiegels« zufolge wohl mit mehr als 80 Milliarden US-Dollar Umsatz.

Biogen will jedoch weiter mit seinem Partner Eisai in der Alzheimer-Forschung aktiv bleiben. In der Pipeline ist unter anderem der Antikörper Lecanemab. Ebenso wie Aducanumab bindet Lecanemab an Beta-Amyloid und soll so den Abbau dieser Ablagerungen in Gang bringen. Einen Antrag auf beschleunigte Zulassung in den USA wollen die Unternehmen einem Bericht des »Wallstreet Journals« zufolge noch im zweiten Quartal dieses Jahres stellen.

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