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Ig-Nobelpreise

Eis am Stiel, Entchen und ein Elch-Test-Dummy

Mit den Ig-Nobelpreisen werden Forscher ausgezeichnet, die einen mit ihren Arbeiten »erst zum Lachen und dann zum Nachdenken« bringen. In diesem Jahr gab es auch einen Gewinner, der eine medizinisch-pharmazeutisch durchaus relevante Frage erforscht hatte.
Annette Rößler
22.09.2022  07:00 Uhr

Bald ist es wieder soweit und in Stockholm verkündet die altehrwürdige Akademie der Wissenschaften, wer in diesem Jahr die Nobelpreise verliehen bekommt. In Anlehnung an dieses wiederkehrende Ritual des etablierten Forschungsbetriebs gibt es seit einigen Jahren eine Gegenveranstaltung, die von ein paar Spaßvögeln an der Harvard University ins Leben gerufen wurde: die Verleihung der Ig-Nobelpreise. Der Name ist ein Wortspiel – »ignoble« heißt auf Englisch »unedel« – und auch die Preisvergabe selbst, die laut Website vor 1100 »herrlich exzentrischen« Zuschauern stattfindet, ist eine Riesengaudi. Der Anspruch, dass mit den Preisen Forschung ausgezeichnet werden soll, die gleichzeitig lustig und seriös ist, ist aber durchaus ernst gemeint.

Anders als beim Original-Nobelpreis stehen die Kategorien, in denen die Ig-Nobelpreise verliehen werden, nicht fest. So gab es in diesem Jahr etwa eine Auszeichnung für angewandte Kardiologie, und zwar für eine Arbeit von Forschern um Dr. Eliska Prochazkova von der Universität Leiden in Belgien. Sie hatten untersucht, wie Menschen bei einem Blind Date aufeinander reagieren. Das Ergebnis der im Fachjournal »Nature Human Behaviour« erschienenen Studie: Finden sich die beiden gegenseitig sympathisch, gleichen sich ihre Herzrhythmen aneinander an. Blicke, Lächeln oder auch Gelächter können dagegen aufgesetzt sein und sind somit keine zuverlässigen Gradmesser für echte Attraktion.

Der Ig-Nobelpreis für Medizin ging in diesem Jahr an eine Gruppe um Marcin Jasiński von der Medizinischen Universität Warschau. Diese Forscher hatten in einer im Fachjournal »Scientific Reports« veröffentlichten Studie gezeigt, dass der Verzehr von Speiseeis bei Krebspatienten unter einer Hochdosis-Chemotherapie der Entwicklung einer oralen Mukositis vorbeugen kann. Diesen Tipp geben Ärzte und Apotheker den Patienten bereits jetzt. Den Nutzen des medizinisch indizierten Eisessens jetzt auch wissenschaftlich belegt zu haben, ist der Verdienst dieser Arbeit.

Zu den anderen Ig-Nobelpreisen dieses Jahrgangs lässt sich für Heilberufler nur unter Aufbringung größter Kreativität ein direkter Praxisbezug herstellen. Dem Motto des Preises – erst lachen, dann nachdenken – werden sie aber allesamt gerecht. Ausgezeichnet wurden:

  • Eric Martínez et al. mit dem Literatur-Ig-Nobelpreis für die Erforschung der Frage, welche sprachlichen Besonderheiten juristische Dokumente so schwerverständlich machen (»Cognition«, DOI: 10.1016/j.cognition.2022.105070 ),
  • Dr. Solimary García-Hernández et al. mit dem Biologie-Ig-Nobelpreis für Erkenntnisse dazu, wie Verstopfung bei Skorpionen die Fähigkeit zur Paarung behindert (»Integrative Zoology«, DOI: 10.1111/1749-4877.12604 ),
  • Gen Matsuzaki et al. mit dem Technik-Ig-Nobelpreis für die Klärung der Frage, wie Menschen am effektivsten ihre Finger einsetzen, wenn sie einen Türknauf drehen (»J-Stage«, DOI: 10.11247/jssdj.45.69 ),
  • Dr. Peter de Smet et al. mit dem Kunstgeschichte-Ig-Nobelpreis für die Untersuchung von Darstellungen ritueller Einläufe mit Alkohol und Drogen auf Keramikmalereien aus der Mayakultur (»Journal of Ethnopharmacology«, DOI: 10.1016/0378-8741(86)90091-7 ),
  • Dr. Zhi-Ming Yuan et al. mit dem Physik-Ig-Nobelpreis für die Analyse der Vor- und Nachteile verschiedener Formationen von Entenjungen, die hinter ihrer Mutter schwimmen (»Journal of Fluid Mechanics«, DOI: 10.1017/jfm.2021.820 ),
  • Professor Dr. Junhui Wu et al. mit dem Friedens-Ig-Nobelpreis für die Entwicklung eines Algorithmus, der Menschen beim Verbreiten von Klatsch und Tratsch zu entscheiden hilft, wann sie die Wahrheit sagen sollten und wann es besser ist, zu lügen (»Philosophical Transactions of the Royal Society B«, DOI: 10.1098/rstb.2020.0300 ),
  • Professor Dr. Alessandro Pluchino et al. mit dem Wirtschafts-Ig-Nobelpreis für den mathematischen Beweis, dass hinter Erfolg häufiger Glück als Können steckt (»World Scientific«, DOI: 10.1142/S0219525918500145 ) und schließlich
  • Magnus Gens mit dem Ig-Nobelpreis für Sicherheitstechnik für die Entwicklung eines Elch-Dummys für Auto-Crashtests ( »Digitala Vetenskapliga Arkivet« ).

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