»Ein nachhaltiges Geschäft ist nicht mehr möglich« |
PZ: Wann kommen die neuen Kapazitäten im Markt an?
Weigold: Bis die neuen Kapazitäten in Markt sind, vergehen noch ein paar Monate. Da wir im Antibiotikabereich sehr viel Expertise haben, dauert der Kapazitätsausbauprozess nur etwa 1,5 Jahre – in dieser Zeit müssen Fachkräfte eingestellt, Lager ausgebaut und die Produktionshallen umgebaut werden. Schon daran sehen Sie, dass Dreimonats-Maßnahmen aus der Politik kein Pharma-Unternehmen der Welt dazu bewegen werden, in neue Produktionslinien zu investieren.
PZ: Was müsste denn passieren, um Unternehmen bzw. deren Produktion wieder zurück nach Europa zu holen?
Weigold: Konzerne müssen strategische Investitionen tätigen können, um nachhaltig zu wirtschaften. Dabei muss nicht sofort nach der Investition die Investitionsrendite wieder herausspringen. In Deutschland sind die Margen in einigen Bereichen inzwischen aber so gering, dass kein nachhaltiges Geschäft mehr möglich ist. Wenn Sie berücksichtigen, dass sich alleine der Preis des Zuckers, den wir für viele Produktionen benötigen, zuletzt verdreifacht hat und auch der Strompreis um ein Vielfaches gestiegen ist, wird schnell klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die Politik muss verstehen, dass es sich bei Arzneimitteln um eine kritische Versorgung handelt und daher eventuell sogar Subventionen in bestimmten Gebieten einführen. Leider sehen wir auch am Beispiel Tamoxifen, dass hier wenig passiert.
PZ: Bei Tamoxifen konnten Sie doch wegen einer kurzfristigen Umstellung in einem Werk Millionen von zusätzlichen Tagesdosen produzieren – der Engpass wurde also behoben …
Weigold: Ja, aber was ist denn seitdem seitens der Politik im Gesundheitssystem passiert? Nichts! Für eine Tagesdosis liegt der Festbetrag auf Basis des Herstellerabgabepreises nach wie vor bei 8 Cent. Wir reden hier von einer sehr komplexen Produktion. Es gibt nur noch wenige Marktteilnehmer bei Tamoxifen, davon sind bereits einige weggebrochen. Und wenn nicht bald etwas passiert, ist die Versorgung auch hier wieder gefährdet.
Seit Januar 2023 ist Thomas Weigold Deutschlandchef von Sandoz/Hexal. Zuvor war er ab August 2020 Chef von Sandoz Polen. Davor hielt er Führungspositionen in acht Ländern rund um den Globus, aber auch in unterschiedlichen Geschäftsbereichen und Funktionen innerhalb der Novartis-Gruppe inne. Als Region Head Asia und Sub-Saharan Africa Onkologie leitete er insbesondere die Markteinführungsstrategien für Krebsbehandlungen. Bevor er 1999 zu Novartis Deutschland kam, arbeitete er für Hoffmann la Roche in Grenzach-Whylen.
PZ: Sie hatten im vergangenen Jahr auch teilweise Lieferprobleme bei ACC® Akut – ein Engpass, der in jeder Apotheke zu spüren war. Wie sieht es da inzwischen aus?
Weigold: Auch hier kam es dazu, dass wir bei den Verpackungsmaterialien einen Engpass hatten. Verbunden mit einer extremen, kurzfristig explodierten Nachfrage kam es dann zu Engpässen. Eine Nachproduktion war dann nicht so schnell möglich. Im Moment sehen wir aber, dass sich die Nachfrage normalisiert und wir den Markt wieder relativ gut bedienen können. Trotz aller Herausforderungen haben wir unsere Auslieferungen im vergangenen Jahr von 5 Millionen Packungen (2021) auf 9 Millionen steigern können. In diesem Jahr haben wir bereits 2 Millionen Packungen geliefert. Auch wenn wir vereinzelt noch Engpässe haben, ist unsere Performance hier sicher nicht von schlechten Eltern.
PZ: Weitere Engpässe, die ihren Konzern zuletzt trafen, lagen bei Torasemid und natürlich auch bei den Ibuprofen-Fiebersäften. Wie ist die Lage da?
Weigold: Bei Torasemid haben wir eine alternative Supply-Chain in Barleben hochgefahren, die nachhaltig auf zwei Wirkstärken unterstützt. Bis sich die Lage endgültig entspannt, wird es noch bis Mitte des Jahres dauern. Bei Ibuprofen haben wir vor Corona 11 Millionen Packungen geliefert. Im Jahr 2022 haben wir über 16 Millionen ausgeliefert. Daran erkennen Sie unser stetiges Wachstum und dass wir den Markt kontinuierlich versorgen.