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Interview Hexal-Chef Weigold

»Ein nachhaltiges Geschäft ist nicht mehr möglich«

Die Novartis-Tochter Sandoz/Hexal hat einen neuen Deutschlandchef: Seit Jahresbeginn leitet Ex-Novartis-Manager Thomas Weigold die Geschicke des Generika-Herstellers. Im Interview mit der PZ erläutert er einige der Ursachen für die Lieferengpass-Krise, berichtet über den Status der Konzern-eigenen Engpässe (Antibiotika, Acc Akut, etc.) und beschreibt, wie das Rabattvertragssystem aus seiner Sicht geändert werden müsste.
AutorKontaktBenjamin Rohrer
Datum 27.02.2023  09:00 Uhr

PZ: Herr Weigold, viele Expertinnen und Experten monieren mit Blick auf die Engpass-Krise, dass Deutschland seinen Ruf als »Apotheke der Welt« schon längst verloren habe. Sie haben als Manager jahrelang im Ausland gearbeitet – ist der Ruf unseres Gesundheitswesens wirklich so schlecht?

Weigold: Nein, ich glaube uns ist manchmal gar nicht bewusst, dass wir nach wie vor eine Führungsrolle innehaben. Natürlich sind gerade während der Pandemie die Schwächen in unserem System noch einmal viel deutlicher geworden. Aber im Ausland schauen sowohl die Industrie als auch politische Entscheidungsträger sehr genau, wie wir mit Problemen umgehen.

PZ: In der Versorgungsrealität zeigt Deutschland derzeit allerdings einige Schwächen. Gerade in der Antibiotika-Versorgung hat es zuletzt gefährliche Lücken gegeben. Sandoz/ Hexal / 1 A Pharma ist einer der größten Anbieter von Antibiotika, Sie bedienen dort viele Rabattverträge. Wie konnte es dazu kommen, dass in einem so wichtigen Bereich die Versorgung teils zusammenbricht?

Weigold: Bei den Antibiotika haben wir in den vergangenen Monaten gesehen, wie das derzeitige System an seine Grenzen kommt. Das ist eigentlich nicht weiter überraschend, weil wir durch die Preisregularien, die die Preise immer weiter nach unten gedrückt haben, schon lange am Kipppunkt standen. In dieser Erkältungssaison sind dann durch Infektionswellen, insbesondere bei Kindern, die Bedarfe kurzzeitig und unerwartet so nach oben ausgebrochen, dass wir phasenweise nicht mehr den Bedarf bedienen konnten. Das lag aber nicht nur an der Wirkstoffproduktion, die wir währenddessen sogar ausgebaut haben, sondern auch an den Engpässen von Zulieferern.

Antibiotika-Engpässe lagen auch am Papiermangel

PZ: Was meinen Sie?

Weigold: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir mussten im vergangenen Jahr teilweise viermal so lang auf Papier warten, das wir für die Verpackungen brauchen. Das wiederum hat dazu geführt, dass wir das eigentliche Produkt zwar fertig hatten, es aber nicht ausliefern konnten. Damit will ich verdeutlichen: Wenn in dieser Produktionskette, in der es für bestimmte Materialien teilweise nur einige wenige Anbieter gibt, nur einer wegbricht, entsteht sehr schnell ein Engpass. Wir haben aber im Antibiotika-Bereich bereits gegengesteuert.

PZ: Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Weigold: Mit den Marken Hexal und 1 A Pharma sind wir als Sandoz Deutschland im Bereich der systemisch wirksamen Antibiotika der führende Anbieter hierzulande, nahezu jede zweite Antibiotika-Packung kommt von uns. Traditionell produzieren wir unsere Penicilline im österreichischen Kundl. Mithilfe der österreichischen Bundesregierung haben wir unsere Produktion in Europa 2020 sogar noch ausgebaut – trotz des zunehmenden Preisdrucks. Und auch 2022 haben wir entschieden, die Kapazitäten nochmals auszubauen und haben weitere 50 Millionen Euro investiert. Aufgrund der hohen Nachfrage haben wir die Investitionen getätigt, um die europäischen Produktionskapazitäten für Penicilline in Fertigform zu erhöhen. Darüber hinaus wurde die Schichtarbeit in einigen Bereichen verstärkt.

Neue Kapazitäten im Hexal-Werk Kundl (Österreich)

PZ: Wann kommen die neuen Kapazitäten im Markt an?

Weigold: Bis die neuen Kapazitäten in Markt sind, vergehen noch ein paar Monate. Da wir im Antibiotikabereich sehr viel Expertise haben, dauert der Kapazitätsausbauprozess nur etwa 1,5 Jahre – in dieser Zeit müssen Fachkräfte eingestellt, Lager ausgebaut und die Produktionshallen umgebaut werden. Schon daran sehen Sie, dass Dreimonats-Maßnahmen aus der Politik kein Pharma-Unternehmen der Welt dazu bewegen werden, in neue Produktionslinien zu investieren.

PZ: Was müsste denn passieren, um Unternehmen bzw. deren Produktion wieder zurück nach Europa zu holen?

Weigold: Konzerne müssen strategische Investitionen tätigen können, um nachhaltig zu wirtschaften. Dabei muss nicht sofort nach der Investition die Investitionsrendite wieder herausspringen. In Deutschland sind die Margen in einigen Bereichen inzwischen aber so gering, dass kein nachhaltiges Geschäft mehr möglich ist. Wenn Sie berücksichtigen, dass sich alleine der Preis des Zuckers, den wir für viele Produktionen benötigen, zuletzt verdreifacht hat und auch der Strompreis um ein Vielfaches gestiegen ist, wird schnell klar, dass es so nicht weitergehen kann. Die Politik muss verstehen, dass es sich bei Arzneimitteln um eine kritische Versorgung handelt und daher eventuell sogar Subventionen in bestimmten Gebieten einführen. Leider sehen wir auch am Beispiel Tamoxifen, dass hier wenig passiert.

»Nach dem Tamoxifen-Engpass ist nichts passiert!«

PZ: Bei Tamoxifen konnten Sie doch wegen einer kurzfristigen Umstellung in einem Werk Millionen von zusätzlichen Tagesdosen produzieren – der Engpass wurde also behoben …

Weigold: Ja, aber was ist denn seitdem seitens der Politik im Gesundheitssystem passiert? Nichts! Für eine Tagesdosis liegt der Festbetrag auf Basis des Herstellerabgabepreises nach wie vor bei 8 Cent. Wir reden hier von einer sehr komplexen Produktion. Es gibt nur noch wenige Marktteilnehmer bei Tamoxifen, davon sind bereits einige weggebrochen. Und wenn nicht bald etwas passiert, ist die Versorgung auch hier wieder gefährdet.

PZ: Sie hatten im vergangenen Jahr auch teilweise Lieferprobleme bei ACC® Akut – ein Engpass, der in jeder Apotheke zu spüren war. Wie sieht es da inzwischen aus?

Weigold: Auch hier kam es dazu, dass wir bei den Verpackungsmaterialien einen Engpass hatten. Verbunden mit einer extremen, kurzfristig explodierten Nachfrage kam es dann zu Engpässen. Eine Nachproduktion war dann nicht so schnell möglich. Im Moment sehen wir aber, dass sich die Nachfrage normalisiert und wir den Markt wieder relativ gut bedienen können. Trotz aller Herausforderungen haben wir unsere Auslieferungen im vergangenen Jahr von 5 Millionen Packungen (2021) auf 9 Millionen steigern können. In diesem Jahr haben wir bereits 2 Millionen Packungen geliefert. Auch wenn wir vereinzelt noch Engpässe haben, ist unsere Performance hier sicher nicht von schlechten Eltern.

PZ: Weitere Engpässe, die ihren Konzern zuletzt trafen, lagen bei Torasemid und natürlich auch bei den Ibuprofen-Fiebersäften. Wie ist die Lage da?

Weigold: Bei Torasemid haben wir eine alternative Supply-Chain in Barleben hochgefahren, die nachhaltig auf zwei Wirkstärken unterstützt. Bis sich die Lage endgültig entspannt, wird es noch bis Mitte des Jahres dauern. Bei Ibuprofen haben wir vor Corona 11 Millionen Packungen geliefert. Im Jahr 2022 haben wir über 16 Millionen ausgeliefert. Daran erkennen Sie unser stetiges Wachstum und dass wir den Markt kontinuierlich versorgen.

»Wir sollten uns von exklusiven Rabattverträgen verabschieden!«

PZ: Der Großteil Ihrer Produkte ist von Rabattverträgen betroffen. Mit dem Lieferengpass-Gesetz will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun für mehr Diversität bei der Vergabe sorgen – allerdings nur bei Antibiotika und Onkologika. Was halten Sie davon?

Weigold: Inhaltlich sind das gute Ansätze, allerdings sollten wir uns mittelfristig davon verabschieden, überhaupt noch Ein-Slot-Tender zu vergeben, sondern grundsätzlich mehrfach ausschreiben. Das macht es für Unternehmen attraktiver zu investieren und Ausfälle können dann leichter abgedeckt werden. Ich kann Ihnen versprechen, dass viele Unternehmen schon investieren würden, wenn wir generell drei bis vier Anbieter pro Slot auswählen. Insgesamt brauchen wir ein komplettes Umdenken bei den Rabattverträgen – zudem muss sich auch das Preisniveau grundlegend ändern, gerade in Hinblick auf Inflationsauswirkungen.

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